Bayern: Streit um Versammlungsgesetz:Die Angst der CSU vor Demonstranten

Lesezeit: 2 min

Die CSU plant ein rigides Versammlungsgesetz, um Aufmärsche von Extremisten zu verhindern - und stösst auf heftigen Widerstand. Die bayerische Regierung schränke Grundrechte ein, sagen die Kritiker.

Carolin Gasteiger

Es brodelt im bayerischen Landtag. Die Regierungspartei CSU hat ihrem Vorhaben, ein neues Gesetz zum Versammlungsrecht durchzuwinken, den heftigen Widerstand aller anderen Parteien provoziert. In der entscheidenden Plenarsitzung will die Opposition den Gesetzesentwurf stoppen. Mit allen Mitteln.

In Sichtweite des Maximilianeums demonstrieren Gewerkschaftler gegen den CSU-Entwurf zum Versammlungsrecht. (Foto: Foto: dpa)

Die Bajuwaren nutzen neue Kompetenzen, die ihnen im Zuge der Föderalismusreform 2006 zuwuchsen. Da wurde das Recht, über ein Versammlungsgesetz zu entscheiden, vom Bund auf die Länder übertragen. Und hier zeichnet sich eine klare Linie ab: So soll die Öffentlichkeit an geschichtsträchtigen Tagen und Orten vor Neonazi-Aufmärschen geschützt werden, zum Beispiel anlässlich der Reichspogromnacht oder des Tags des Hitler-Attentats. In Sachsen und Sachsen-Anhalt sind entsprechende Gesetzesentwürfe in der parlamentarischen Beratung.

Neben diesen Richtlinien will die CSU auch die Aufmärsche linksextremistischer Gruppierungen eindämmen, da diese oft gewaltbereit seien. Es sind die allgemein gehaltenen Regelungen und bürokratischen Neuerungen zur Versammlungsfreiheit, die die bayerischen CSU-Kritiker auf den Plan rufen. Mehr als 200 Verbände und Einzelpersonen, dazu die Oppositionspolitiker, befürchten in dem neuen Gesetz eine Einschränkung der freien Meinungsäußerung.

Keine Gnade für die Versammlungsfreiheit

Der Gesetzesentwurf, den das bayerische Kabinett bereits Ende Januar beschlossen hatte, sieht unter anderem vor, dass aggressives und bedrohliches Verhalten, von dem eine "einschüchternde Wirkung" ausgehe, zum Verbot einer Veranstaltung führen könne. SPD-Chef Maget in der Plenardebatte: "Es darf nicht das Ende der Versammlungsfreiheit für alle Demokraten herauskommen."

Mit dem Gesetzesvorhaben wolle die CSU das "für die Demokratie unverzichtbare Grundrecht" auf Versammlungsfreiheit "aushöhlen", kritisierte die FDP-Landesvorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Der Freistaat wolle den Bürgern künftig unter strengen Auflagen die "Gnade" gewähren, sich versammeln zu dürfen.

Für die bayerische Grünen-Chefin Margarete Bause ist es unvertretbar, wie die CSU die Petitionen vergangene Woche im Verfassungsausschuss des Landtags mit Geschäftsordnungstricks "abgebügelt" habe: "Das ist obrigkeitsstaatliches Gehabe in seiner schäbigsten Form." Und Grund genug für die Grünen, alle Petenten eigens zur Debatte ins Maximilianeum einzuladen. Das neue Versammlungsrecht verprelle genau diejenigen, die gegen Neonazis auf die Straße gehen möchten, sagte Bause zu sueddeutsche.de.

Seit vergangenen Freitag hält die Gewerkschaft Verdi vor dem Münchner Landtag eine Mahnwache ab, um das Gesetzesvorhaben zu stoppen. Heinrich Birner, Bezirksgeschäftsführer von Verdi in München und Organisator der Mahnwache vor dem Landtag, sieht in dem Gesetzesentwurf einen "obrigkeitsstaatlichen Denkansatz", der den Bürgern, die auf die Straße gehen wollen, unnötig bürokratische Hürden in den Weg lege. Dahinter verberge sich ein besonderes Anliegen der Regierung. "Die bayerische Staatsregierung hat Angst vor ihrem eigenen Wahlvolk", sagte Birner sueddeutsche.de.

Herrmann weist Kritik zurück

Innenminister Joachim Herrmann wehrt die Proteste als "ebenso polemisch wie falsch" ab; die Pläne seien ein notwendiges Instrument gegen "rechtsextreme Umtriebe". Bayern werde "sich künftig besser gegen rechtsextremistische Aufmärsche schützen können", warb der Minister per Pressemitteilung. Bürger- und Freiheitsrechte würden nicht eingeschränkt.

Es werde zum Beispiel kein Uniformverbot eingeführt, das Tragen von Gewerkschaftswesten sei weiterhin erlaubt, sagte Herrmann. Auch spontane Versammlungen seien weiterhin möglich. Das Streikrecht der Gewerkschaften sei "völlig unabhängig vom Versammlungsrecht" und von dem neuen Gesetz "überhaupt nicht betroffen". Es gehe allein um den Schutz der Gesellschaft vor "rechts- und linksradikalen Krawallmachern und extremistischen Randalierern". Ziel sei es, "die Straße nicht den Chaoten zu überlassen".

Die Aussichten für die CSU-Pläne stehen angesichts der absoluten Mehrheit der Partei im Landtag gut. Die bayerische SPD erwägt allerdings bereits eine Verfassungsklage. Auch der Münchner Verdi-Geschäftsführer Birner will nicht untätig bleiben, sollte die CSU den Gesetzentwurf durchbringen: "Wir prüfen gerade, eine Verfassungsbeschwerde einzureichen".

Der Vorstoß der CSU, die in Umfragen viel Zustimmung verliert und sich in einer Dauer-Führungskrise befindet, bietet der Opposition viel Angriffsfläche. Statt vors Bundesverfassungsgericht zu ziehen, befürwortet Grünen-Chefin Bause eine politische Lösung des Konflikts: "Wir wollen versuchen, nach der nächsten Landtagswahl eine Mehrheit zu haben, mit der wir das Gesetz rückgängig machen können."

© sueddeutsche.de/woja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: