Bayerischer Koalitionsvertrag:Schwarz-gelbe Geheimnisse

Lesezeit: 2 min

Sechs Seiten lang ist der Anhang zum Koalitionsvertrag der neuen Regierung in Bayern, den die CSU und FDP bislang geheim gehalten haben. Aus gutem Grund.

Ch. Burtscheidt

Bisher wusste keiner, weshalb es zum Koalitionsvertrag zwischen CSU und FDP einen Anhang gibt. Sechs Seiten lang sind die vertraulichen Protokollnotizen, die seit der Unterzeichnung streng geheim gehalten werden. Es gibt Gründe, warum die schwarz-gelbe Koalition die 34 Punkte bis jetzt nicht preisgegeben hat: Die Vereinbarungen werden zu erheblicher Diskussion führen und stellen bisherige Projekte der Regierung in Frage. Eines wird deutlich: Die FDP hat ihre Klientel beglückt.

Horst Seehofer bläst seine Unterschrift unter den Koalitionsvertrag trocken. Der Anhang birgt kräftiges Konfliktpotential. (Foto: Foto: AP)

Nationalpark: Schon als Abgeordneter kämpfte der neue Agrarminister Helmut Brunner entschieden gegen die Erweiterung des Nationalparks im Bayerischen Wald und legte sich dafür sogar mit vormaligen Parteigrößen wie Edmund Stoiber, Werner Schnappauf und Alois Glück an. In dem Anhang zum Koalitionsvertrag feiern er und die anderen Nationalpark-Gegner nun einen späten Triumph. Denn dort ist festgehalten, dass die Schutz- und Vorsorgemaßnahmen gegen den Borkenkäfer im Grenzgebiet des Nationalparks erneut auf den Prüfstand kommen. Damit dürfte der eigentlich längst ausgestandene Streit um den Nationalpark in eine neue Runde gehen. Und das obwohl die bisherigen Schutzkonzepte Experten zufolge sehr erfolgreich sind.

Schülerdatenbank: Auf sie wird ersatzlos verzichtet, heißt es lapidar im geheimen Anhang. Die CSU wollte in einem zentralen Register Namen, Adressen und schulische Leistungsdaten von Jugendlichen mit dem Ziel speichern, Bildungskarrieren aufzuzeichnen. Die Erhebung stieß auf massiven Widerstand bei der Opposition. Die Grünen sahen dadurch den Datenschutz gefährdet. Die FDP hat die Sache nun zu Fall gebracht.

Online-Durchsuchung: CSU und FDP einigten sich darauf, alle Maßnahmen von einem Kollegialgericht überprüfen zu lassen. Außerdem sollen Durchsuchungen regelmäßig einer externen Überprüfung unterzogen und Menschen, die heimlich beobachtet wurden, nachträglich darüber informiert werden. Das gab es bisher nicht.

Ordnungswidrigkeiten: Der Straftaten- und Bußgeldkatalog soll durchforstet werden. Aus kleineren Straftaten sollen Ordnungswidrigkeiten werden. Viele Ordnungwidrigkeiten sollen ganz wegfallen.

Weniger Staat: Wo möglich, sollen private Unternehmen Aufgaben übernehmen. Deswegen wird ein "Anhörungs- und Klagerecht für Betroffene" geprüft, wenn der Staat Aufträge vergibt. Es soll verhindern, dass der Staat die Aufträge automatisch von staatseigenen Betrieben ausführen lässt und dadurch private Firmen benachteiligt werden. Eine ähnliche Regelung wurde für die Landvermessung getroffen. Man will sehen, ob diese Aufgabe nicht nur von staatlichen Katasterämtern, sondern auch von privaten Vermessungsingenieuren ausgeführt werden kann. Oder die Jobsuche: Arbeitslosen zu helfen soll nicht länger Aufgabe der durch den Bund zentral gesteuerten Arbeitsämter sein. Als "Optionsmodell" wollen CSU und FDP die Kommunen einbinden.

Sonnenkollektoren: Alternative Energiequellen wie Solarkollektoren scheitern häufig am Widerstand der Kommunen, vor allem wenn sie großflächig angelegt sind. Oftmals blockieren aber auch die Bauordnung oder der Denkmalschutz die Einrichtung von Sonnenkollektoren. Schwarz-Gelb will nun prüfen, ob solche Hindernisse berechtigt sind.

Kultur: Auf den Prüfstand soll auch der Etat des Orchesters der Staatsoper in München. FDP und CSU wollen ihn möglicherweise um eine Million Euro anheben. Der Grund: Die beiden Nachbar-Orchester, Bayerischer Rundfunk und Philharmonie, können ihren Musikern bessere Gehälter zahlen. Deshalb wandern immer mehr Orchestermitglieder von der Staatsoper zu den beiden anderen Häusern ab. Zudem will man mit dem Hause Wittelsbach reden, ob Kulturgüter von herausragender Bedeutung zu bestimmten Anlässen nicht doch an ihren historischen Ursprungsort zurückgeführt werden können. Bei der 1200-Jahr-Feier Bambergs weigerte sich das Haus Wittelsbach, Königskronen herauszugeben.

Kommunalwahlen: Die Vorschriften für die Aufstellung der Bewerber bei den Kommunalwahlen sollen geändert werden. So denkt die Koalition darüber nach, ob Gemeindevertreter auch dort tätig sein dürfen, wo sie arbeiten und ihren Lebensschwerpunkt haben. Bislang darf sich ein Bürger nur dort bewerben, wo er wohnt. Das hatte zu erheblichen Streitereien und Bespitzelungen von konkurrierenden Bewerbern gesorgt.

© SZ vom 06.12.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: