Ansbach:Leiden der Franken-CSU

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Die Franken leiden unter der Intrige der Altbayern nach dem Wahldebakel. Generalsekretär Guttenberg versuchte nun, die Basis ernst zu nehmen.

O. Przybilla

Das gab es in der Geschichte der mittelfränkischen CSU noch nie. Weil die dortige Parteibasis nach dem erzwungenen Rücktritt von Günther Beckstein noch immer fassungslos ist, hat Bezirkschef Joachim Herrmann alle 12.000 Mitglieder aus Mittelfranken in die Orangerie in Ansbach geladen.

Generalsekretär Kar-Theodor zu Guttenberg stellte sich am Wochenende der Kritik der fränkischen Basis. (Foto: Foto: dpa)

Wohlgemerkt, es sind nicht Funktionäre - Kreischefs oder Delegierte - die am Samstag im barocken Saal ihren Frust loswerden dürfen. Es sind einfache Parteimitglieder, die "ihrer Betroffenheit eine Stimme verleihen" sollen, wie das der neue CSU-General Karl-Theodor zu Guttenberg formuliert. Von "mal ordentlich Auskotzen" war zuvor in der CSU die Rede.

Man könnte auf den Gedanken kommen, dass sich der Sturm an der fränkischen Basis gelegt haben müsste, fünf Wochen nach dem Sturz Becksteins. Was aber Herrmann und Guttenberg im Saal erleben müssen, klingt anders.

Nach einer halben Stunde tritt ein Mann ans Mikrophon. 76 Jahre alt ist er und die längste Zeit seines Lebens CSU-Mitglied. Das sei schon "komisch für eine Volkspartei", dass deren Mitglieder erst zu Wort kommen, wenn den Parteioberen "das Wasser bis zum Hals" stehe.

Und es sei ja nicht so, dass die Basis nichts mitzuteilen gehabt hätte, die ganze Zeit. "Aber unsereins ist halt immer nur abgebügelt worden." Ein anderer Parteimann, er ist mittleren Alters, berichtet von seinem Versuch, mit der Parteispitze wenigstens schriftlich in Kontakt treten zu dürfen. Dieser Briefverkehr, ruft er in den Saal, "der war unter aller Sau". So eine Arroganz habe er nicht für möglich gehalten.

Am meisten freilich scheint die fränkische Basis weiterhin unter dem Schock über die CSU-Intrige aus Altbayern zu leiden. Erst haben sie Beckstein zu Fall gebracht, schimpft einer. Und dann haben sich die CSU-Verlierer die Posten im Kabinett gegenseitig zugeschanzt. "Immer nur Oberbayern, Oberbayern, Oberbayern", ruft der Mann.

Und: "Was ist mit der fränkischen Solidarität untereinander? Gar nichts! Aber Herrgott, dafür seid ihr da vorne doch da." Der nächste klagt, nach dem Wahldebakel hätte es einen CSU-Chef gebraucht, "der integrieren kann und als Mannschaftsspieler" tauge. Mit Horst Seehofer habe man nun genau das Gegenteil davon bekommen. Er erwarte, dass "dieser Betriebsunfall nicht allzu lange" andauern werde.

Während die Basis so aufbegehrt, sitzt Guttenberg auf dem Podium und knetet Hände. Es ist sein erster größerer Aufritt als Generalsekretär, er dürfte sich diesen etwas einfacher vorgestellt haben. Guttenberg ist Bundestagsabgeordneter, ein Außenpolitiker, den an der CSU-Basis in Ansbach noch vor zwei Wochen kaum einer kannte.

Die Verunsicherung der 400 Mitglieder ist nicht zu überhören, schon allein was die Anrede betrifft: Heißt der Neue nun von oder zu Guttenberg? Und kann man mit so einem überhaupt Tacheles reden? Guttenberg ist offenkundig bemüht, die Zweifel zu zerstreuen. Er macht sich permanent Notizen.

Und während Innenminister Herrmann am Ende zu einer Rede ansetzt, in der es ganz viel um Geschlossenheit und wenig um das geht, was die Basis zuvor moniert hatte, versucht Guttenberg einen anderen Weg. Punkt für Punkt arbeitet er die Anwürfe ab, jedes einzelne Mitglied beim Namen nennend. Das sehe er nun als seine Aufgabe, erklärt er, "unsere Mitglieder ganz einfach ernst zu nehmen".

Parteivize Ingo Friedrich feiert Guttenberg dafür als "großen Glücksgriff". Der neue General habe selbst noch "skurrile Beiträge richtig ernst genommen". Auch ein Parteimitglied im Saal lobt die neue CSU-Debattenkultur. Glaubwürdig sei diese aber nur, wenn Mitglieder auch künftig zu Wort kommen - und nicht nur nach einem Wahldebakel. Guttenberg kündigt an, die Basis in Zukunft "einmal pro Jahr" befragen zu wollen.

© SZ vom 10.11.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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