Abstimmung in Oberammergau:Kreuzigung im Dunkeln

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Die Oberammergauer Bürger haben entschieden: Die Passionsspiele 2010 werden am Abend stattfinden dürfen - so wie es Regisseur Christian Stückl wollte. Ein nervenaufreibender Streit geht zu Ende.

Theaterregisseur Christian Stückl bleibt Leiter der Passionsspiele von Oberammergau: Die Bürger des oberbayerischen Dorfes unterstützen bei einem Bürgerentscheid am Sonntag mit großer Mehrheit Stückls Pläne, das Bibelspiel erstmals bis in die Abendstunden aufzuführen.

Die Oberammergauer Passionsspiele 2000 fanden noch am Tag statt. 2010 wird die Kreuzigung nun in den Abend hinein verlegt. (Foto: Foto: dpa)

Stückl, der als Intendant des Münchner Volkstheaters 2006 die Eröffnungsfeier der Fußballweltmeisterschaft inszenierte, hatte im Fall einer Niederlage seinen Rücktritt angekündigt.

"Ich bin sehr froh, jetzt weiß ich, dass ich weitermachen kann", sagte Stückl am Abend. Nach Angaben von Bürgermeister Rolf Zigon (CSU) sprachen sich die Oberammergauer Bürger mit insgesamt 64 Prozent der gültigen Stimmen für das so genannte Nachtspiel und Stückl als Spielleiter aus. Insgesamt beteiligten sich 65 Prozent der rund 4.000 Wahlberechtigten an der kommunalen Abstimmung.

Bisher dauerten die über 100 Aufführungen von 09.30 Uhr bis 17.30 Uhr, unterbrochen von einer dreistündigen Pause. Stückl will aus dramaturgischen Gründen den Beginn auf 14.30 Uhr und das Ende auf 22.30 Uhr verlegen. Während der Gemeinderat seine Pläne guthieß, erzwangen 600 Einwohner mit Unterschriften einen Bürgerentscheid.

Stückl betonte, ihm falle ein riesiger Stein vom Herzen, da er schon sein ganzes Leben eng mit den Passionsspielen verbunden sei. Der gebürtige Oberammergauer hatte die alle zehn Jahre stattfindenden Spiele bereits zwei Mal mit großem Erfolg inszeniert.

"In der neunten Stunde bricht Finsternis ins Land"

Bei der Aufführung im Jahr 2000 hatte Stückl den Text des ehemaligen Dorfpfarrers Daisenberger überarbeitet und das Passionsspiel ebenso vom Verdacht antisemitischer Tendenzen wie von Kitsch befreit und ließ den leidenden Christus mehr menschliche Gefühle zeigen.

Nun sei es erstmals gelungen, das Stück auch in die Abendstunden hineinspielen zu lassen, sagte Stückl. "Der Einzug in Jerusalem wird bei Tag stattfinden", erklärte er. Zum Ende herrsche Dunkelheit, wobei Stückl auf die Bibel verwies: "In der neunten Stunde brach eine große Finsternis ins Land."

Nach dem für ihn nervenzehrenden Streit könne er sich nun mit voller Kraft an die Inszenierung für 2010 machen, betonte Stückl.

Mehrere hundert Oberammergauer applaudierten dem Regisseur am Sonntagabend vor der als Wahllokal dienenden Volksschule des 5.300 Einwohner zählenden Dorfes.

Nachtspiel-Gegner akzeptieren Entscheidung

Der Sprecher der Nachtspiel-Gegner, Florian Streibl, sprach von einer demokratischen Entscheidung, die es zu akzeptieren gelte. "Jetzt müssen wir alle gemeinsam die Passionsspiele 2010 zum Erfolg führen", betonte der Sohn des verstorbenen früheren Ministerpräsidenten Max Streibl, der für die frei Wählervereinigung "Für unser Dorf" im Oberammergauer Gemeinderat sitzt. "Das Nachtspiel ist ein großes Experiment, dass es in dieser Form in Oberammergau noch nie gegeben hat", bekräftigte Streibl jedoch seine Bedenken.

Die Nachtspiel-Gegner hatten vor allem die Tradition und höhere Kosten angeführt. Viele Vermieter von Fremdenzimmern, so hieß es, befürchteten Mehrarbeit, wenn Gäste später nach Hause kämen. Geschäftsleuten entgingen Umsätze, wenn die Besucher weniger Zeit zum Bummeln hätten. Auch seien mit dem Nachtspiel zusätzliche Belastungen für die rund 2.300 Oberammergauer verbunden, die bei den Passionsspielen als Laienschauspieler mitspielten.

Die Passionsspiele, die regelmäßig Besucher aus aller Welt anlocken, gehen auf ein Gelübde aus dem Jahr 1633 zurück, nachdem das Dorf im Dreißigjährigen Krieg die Pest überstanden hatte.

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