Winterliches Driften:Heiß auf Eis

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Eindrücke vom Wintertraining mit dem neuen Porsche Cayenne GTS und Altmeister Walter Röhrl.

Joachim Becker

Schlittenhunde kommen aus dem Kolonnenverkehr nicht raus. Jeder Überholversuch endet damit, dass die anderen Gespanne sich ebenfalls ins Zeug legen - eine Situation, die symbolisch für den Albtraum staugeplagter Porsche-Fahrer stehen könnte.

"Früher habe ich solche SUVs wegen des hohen Gewichts rigoros abgelehnt", sagt Walter Röhrl. Ja, früher. (Foto: Foto: Porsche)

Hoch droben über der Unbill des Alltags

Dabei gibt es im hohen Norden nicht nur für Huskies reichlich Auslauf, denn die zugefrorenen Seen rund um das schwedische Jukkasjärvi bieten auch motorisierten Sportsfreunden ideale Trainingsbedingungen. Schnee und Eis soweit das Auge reicht, nur dürre Kiefern ragen wie Balken eines Strichcodes über den weißen Horizont.

Oberhalb des Polarkreises dauert der Winter ewig. Ohne vier Pfoten oder Allradantrieb geht hier fast gar nichts, das zeigt schon der Fußweg zum Parkplatz des Eishotels. Wer es trotz Rutschpartie hinauf in die weichen Sessel eines Porsche Cayenne GTS geschafft hat, ist in jeder Hinsicht angekommen. Geborgen von fast 2,5 Tonnen Stahl, Glas und Leder, befördert von gut 400 PS und behütet von allerlei elektronischen Schutzengeln thront man über dem Unbill des Alltags. Ein Hochgefühl für rund 80.000 Euro, dem sich auch Rallyeprofis nicht entziehen können.

"Früher habe ich solche SUVs wegen des hohen Gewichts rigoros abgelehnt", sagt Walter Röhrl, zweifacher Rallye-Weltmeister, "heute habe ich selbst einen Cayenne für Fahrten zu meinem Haus in den Bergen. Dass er seine Titel ohne Allradantrieb gegen die ersten Audi quattro geholt hat, erfüllt ihn noch heute mit Genugtuung. Und er fährt auch 25 Jahre nach den WM-Siegen gerne voraus, wie er auf einer spiegelglatten Eisplatte demonstriert.

Der gemeine Gaspedalschubser wundert sich

Zuerst zirkelt der 61-jährige einen feuerwehrroten Porsche 911 Turbo über den Handling-Parcours, als sei dieser in trockenen Asphalt gemeißelt. Ein kurzer Gasstoß, sonores Auspuff-Brüllen und der allradgetriebene Sportwagen schießt mit Tempo 120 auf eine fast rechtwinkelige Kurve zu. Anbremsen, der Wagen kommt quer, wieder ein schneller Gasstoß, der die Rennsemmel zielgenau um die Kurve zwingt.

"Kontrolliertes Driften ist eine stabile Position, weil der Wagen nicht übersteuernd geradeaus fahren kann", plaudert Röhrl währenddessen ganz entspannt. "Aha", denkt der gemeine Gaspedalschubser und wundert sich, dass er auf dem Beifahrersitz gar kein bisschen Angst hat. Doch dann regt sich der Widerspruch des braven Kolonnenfahrers: Mit so einer Sportflunder kommt jeder um die Kurve, aber einen mächtigen Streitwagen wie den Cayenne könne er kaum im nämlichem Tempo übers Eis jagen.

Walter Röhrl lächelt etwas breiter, denn jetzt beginnt die Sache, ihm wirklich Spaß zu machen. Er liebt Herausforderungen, ist heute noch als Testfahrer unterwegs. Dank des täglichen Fahrtrainings reagiert sein Popometer schneller und präziser als jede Sicherheitselektronik: "Ich fühle mich jung, so Mitte 30, aber wenn ich ohne Elektronik nicht schneller bin als mit, bekomme ich jedes Mal einen Schreck und denke: Jetzt wirst du alt."

Ohne die Stabilitätskontrolle, von den Stuttgartern Porsche Stability Management (PSM) genannt, sind Otto-Normal-Verbraucher auf Eis ziemlich aufgeschmissen, von tollen Rundenzeiten ganz zu schweigen. Doch Röhrl schaltet das gemeinhin als ESP bekannte System einfach ab - und fliegt mit dem Cayenne GTS im Elfer-Tempo durch die Wechselkurven.

Gas geben, wenn man eh schon schleudert?

Entweder der Mann ist ein Genie oder die großen Geländewagen sind fahraktiver als bisher gedacht. Am Ende des Tages wissen wir, dass beides richtig ist. Röhrl verlässt fast nie die Ideallinie, auf der auch 2,5-Tonner in der Balance bleiben. Und er nutzt eine Eigenschaft moderner Allradantriebe, für die man etwas Erfahrung braucht: "Die Traktion beim Beschleunigen ist auf Eis fast doppelt so gut wie bei einem Hecktriebler", erklärt der versierte Allrad-Pilot, "beim Bremsen nützt 4x4 aber fast gar nichts, weshalb man potentiell immer zu schnell unterwegs ist." Da helfe nur driften, erklärt Porsches oberster Testfahrer: Wer in der Kurve etwas Gas gebe, werde von den angetriebenen Vorderrädern wieder in eine stabile Lage gezogen.

Gas geben, wenn man eh schon schleudert? Die ersten Versuche enden regelmäßig im Tiefschnee. Doch dann kommt recht bald das Gefühl für diese magische Linie, auf der das Fahrzeug ohne Elektronik stabil bleibt. Auf Schnee und Eis ist das eine Sache höchster Konzentration, bei jeder Ablenkung geht es zielstrebig in Richtung Graben. "Die meisten Leute fahren nicht schlecht, sie fahren einfach nur unkonzentriert", gibt Röhrl zu bedenken - so nebenbei lassen sich 400 Pferdestärken nicht bändigen, zumindest nicht ohne eine Heerschar von elektronischen Helfern.

© SZ vom 02.02.2008/gf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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