VW New Beetle:Ein Auto zum Liebhaben

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VW hat den Käfer auf der Basis des Golf wiederbelebt / Auslieferung beginnt bei uns im Oktober

(SZ vom 14.02.1998) Eine Legende neu zu beleben, ist eine heikle Angelegenheit, die zwangsläufig die Kritiker auf den Plan ruft: Das Original sei eben durch nichts zu ersetzen. Dennoch werden solche Versuche immer wieder unternommen - nun auch von Volkswagen, wo nun ein Retro-Käfer erschienen ist. Seinen ersten öffentlichen Auftritt hatte die Concept 1-Studie 1994 bei der Detroit Motor Show.

Nun, vier Jahre später, wurde aus der umjubelten Studie Wirklichkeit, und die Wolfsburger beglücken den US-Markt mit dem New Beetle. Die Entscheidung, mit dem Beetle, der im mexikanischen Puebla gefertigt wird, zuerst auf den US-Markt zu gehen, scheint nahezuliegen: Nicht nur, daß die Amerikaner diesem Wagen mit einer unverhohlenen Emotionalität begegnen, sondern er soll auch das Feeling der 60er und 70er Jahre aufleben lassen.

Bei einer ersten Begegnung mit der US-Version wurde klar, warum dieses Auto so gut ankommt. Schon die Karosserie scheint den Betrachter freundlich stimmen zu wollen. Der Schwung der Motorhaube verlockt dazu, ein Lächeln hineinzuinterpretieren. Die Scheinwerfer erinnern an die großen Augen eines kleinen Kindes - mit einem Wort: Der Beetle ist knuffig, rund, originell.

Technisch verbirgt sich unter dem Blechkleid keine Überraschung, sondern ein Großteil der Bauteile des Golf IV. Das heißt, die VW-Verantwortlichen können die technische Solidität des Beetle in den Vordergrund stellen. Natürlich hat der Beetle mit seinem Urahn auch bei der Motorisierung nichts mehr gemein. Angetrieben wird die "Sternschnuppe am Autohimmel", wie die Wolfsburger ihr neuestes Kind stolz nennen, zuerst wahlweise von zwei Motoren.

Dabei ruhen das Vierzylinder-Aggregat mit 85 kW (115 PS) oder der Turbodiesel-Direkteinspritzer mit einer Leistung von 66 kW (90 PS) unter der vorderen Haube. Beide Triebwerke sind schon seit geraumer Zeit bekannt und stellen so keine Überraschung dar. Bei einer ersten kurzen Fahrt über amerikanische Highways erregt der Beetle nicht nur Aufsehen - beide Aggregate harmonieren gut mit dem knapp 4,10 Meter langen Wagen. Bei einer Breite von 1,7 Metern und einer Höhe von 1,5 Metern sieht er nicht nur bullig aus, sondern vermittelt auch optisch den Eindruck, gut auf der Straße zu liegen. Das Fünfgang-Getriebe - optional ist eine Viergang-Automatik erhältlich - läßt sich präzise schalten.

Wenig Platz für Hinterbänkler

Daß der Beetle technisch auf der Höhe der Zeit ist, steht völlig außer Frage. Erinnerungen an den Käfer werden eben erst dann richtig wach, wenn man hinter dem Lenkrad Platz genommen hat. Viele kleine Versatzstücke regen die Phantasie an, versetzen die Insassen in eine frühere Zeit. Ob es nun die Halteschlaufen, der Haltegriff auf der Beifahrerseite über dem Handschuhfach, die serienmäßige Blumenvase oder die Gepäcknetze in den Türen sind, alle Details sind nicht nur mit viel Liebe plaziert, sondern erfüllen durchaus auch ihren Zweck.

Überhaupt scheint der Innenraum des Beetle darauf ausgelegt zu sein, die Insassen so gut wie möglich zu verwöhnen. Allerdings sollte niemand ernsthaft in Betracht ziehen, den Beetle als Vierpersonen-Fahrzeug zu benutzen, denn auf der Hinterbank finden lange Zeitgenossen nicht ausreichend Platz für Kopf und Beine. Ganz im Gegensatz dazu machen Fahrer- und Beifahrersitz Lust auf lange Strecken, denn sie sind mit einem bequemen und ergonomisch gut geschnittenen Gestühl bestückt.

Wirklich beeindruckend sind auch die Materialien, die im Beetle verarbeitet wurden. Alles, was man in diesem Auto angreift, schmeichelt dem Tastsinn. Haptik scheint ganz oben auf der Prioritätenliste gestanden zu haben. Das Dreispeichenlenkrad ist griffig und vermittelt durch die Metalleinsätze Sportlichkeit, Armaturenbrett- und Türverkleidungen wirken hochwertig. Die Rundinstrumente - Tacho, Drehzahlmesser, Motortemperatur und Tankanzeige - sind übersichtlich und scheinen in blauem Licht, wie es VW schon beim Golf IV gezeigt hat.

Daß der Beetle nicht nur bei den Abmessungen relativ erwachsen ist, beweist auch die Sicherheitsausstattung. Fahrer- und Beifahrerairbags sind ebenso selbstverständlich wie Seitenairbags. Die höhenverstellbaren Sicherheitsgurte verfügen über Gurtstraffer. Aber auch in Sachen Komfort bleibt praktisch kein Wunsch offen. Die US-Ausführung hat nicht nur vier Dosenhalter, sondern auch elektrische Fensterheber und beheizbare Außenspiegel. Und auch hierbei sind es wieder die liebevoll entwickelten Kleinigkeiten, die einem den Beetle ans Herz wachsen lassen. Der Knopf, mit dem der Kofferraum vom Wageninneren aus entriegelt werden kann, hat als Symbol einen stilisierten Beetle mit offener Kofferraumklappe - das sieht einfach witzig aus. Von außen versteckt sind das Schloß unter einem VW-Emblem, das weggeklappt werden muß. Unter dem Deckel steckt ein Kofferraum mit einem Volumen von 209 Liter, das durch Umklappen der Rücksitzbank vergrößert werden kann.

Was der Beetle in Amerika bereits geschafft hat, nämlich die Herzen der Autofahrer zu erobern, wird ihm in Deutschland, wenn er im Herbst auf den Markt kommt, vermutlich nicht schwer fallen: auch nicht bei einem Preis, der vermutlich bei 30 000 Mark liegen wird. Der Beetle ist eben ein Auto zum Gernhaben, ein Auto, mit dem man im Straßenbild auffällt.

Von Marion Zellner

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