VW Golf GTI:Die letzte Rille bleibt tabu

Lesezeit: 2 min

Nach mancher Halbherzigkeit soll nun diese Erfolgsgeschichte aus Wolfsburg fortgeschrieben werden.

Von Georg Kacher

Der Golf GTI ist auch nicht mehr, was er mal war. Das ist gut so, denn: Die letzten Mutanten dieses Drei-Buchstaben-Konzepts waren zahnlos und übergewichtig, mit einem Make-up, das viel versprach und wenig hielt. Nun versucht VW, wieder ernsthaft an die Erfolgsstory anzuknüpfen - nicht ein weiteres Kapitel, sondern die Interpretation eines immer aktuellen Themas.

Serienmäßig: 17-Zoll-Räder - selbstverständlich in Leichtmetallausführung (Foto: Foto: Volkswagen)

In welches Dilemma eine Ikone geraten kann, zeigen wenige Eckdaten: Der erste GTI, erschienen 1976, war 81 kW (110 PS) schwach und 810 Kilo leicht; der neue GTI wiegt 1300 Kilo und hat 147 kW (200 PS) unter der Haube. Und natürlich ist die neue Version schon charakterlich ein ganz anderes Auto als das minimalistische Ur-Modell.

Das ist ja ganz was Anderes...

Man betrachte zum Beispiel den Antrieb, wo der Turbo den Sauger ersetzt, die konventionelle Einspritzung von der FSI-Technik abgelöst wird, vier Ventile statt zwei pro Zylinder zum Einsatz kommen, sechs Gänge statt vier. Und im Gegensatz zum alten, auf hohe Drehzahlen angewiesenen 1,6-Liter-Motor ist der Zweiliter ein Drehmomentmotor, der satte 280 Newtonmeter auf ein breites Hochplateau verteilt, das von 1800 bis 5000 Umdrehungen reicht. Der Turboschub treibt in 7,2 Sekunden von Null auf 100 km/h und sorgt für Tempo 235, maximal.

Der wildeste aller GTIs war unter Kennern der 205 von Peugeot - doch auch der hemdsärmelige Golf faszinierte seinerzeit durch knackige Lenkung, bodenständige Bremsen und das unterhaltsame Fahrwerk, das in engen Kurven schon mal ein Bein hob.

Fast 30 Jahre später ist der GTI nun vom jungen Wilden zum Ausdauersportler herangereift. VW spricht zwar von Sportfahrwerk, sportlichem Lenkungskennfeld und sportlich abgestimmtem ESP; doch im Prinzip handelt es sich um dynamische Interpretationen eines komfortablen Grundkonzepts.

Die fünfte GTI-Generation ist weder prolliger Quertreiber noch brachialer Bandscheiben-Schädiger, sondern ein dezent auf Leistung getrimmter Gran Tourismo. Vor allem mit den serienmäßigen 17-Zöllern gelingt diesem Auto auf Anhieb ein toller Kompromiss aus souveräner Federung und Straßenlage.

Trotz allem sanft

Der neue GTI macht Front. (Foto: Foto: Volkswagen)

Das leicht kopflastige Handling favorisiert gelassenen Fahrstil, allerdings: Wer hohe Drehzahlen, abrupte Manöver und die letzte Rille schätzt, wird wohl enttäuscht sein. Doch wer beizeiten hochschaltet, eine runde Linie wählt und sparsame Lenkwinkel bevorzugt, wird durch hohe Präzision, spontane Rückmeldung und erstaunlich engagiertes Durchschnittstempo verwöhnt.

Um einen 200-PS-Golf zum GTI zu adeln, spendierten die Designer spezielle Felgen, diverse Spoiler und Verbreiterungen, einen schwarzen Grill mit roter Umrahmung, rote Bremssättel, blau getönte Scheiben und abgedunkelte Scheinwerfergehäuse.

Innen fallen bequeme Sportsitze mit fast vergessenem Schottenkaro ins Auge, dazu modifizierte Instrumente und diverse Aludekore - doch der einst auf den Schalthebel geschraubte Golfball fehlt leider.

Fast alles ist möglich

Die Techniker entwickelten spezielle Federn und Dämpfer, dickere Stabilisatoren, größere Bremsscheiben und ein spezielles Direkt-Schaltgetriebe, das leider Aufgeld kostet. Schließlich das Marketing: Man beschränkt die Farbauswahl zunächst auf weiß, silbern, schwarz und rot; aber dafür gibt es den GTI auch mit vier Türen und mit fast allen Golf-Extras. Die Preis-Skala soll bei etwa 24.500 Euro beginnen.

Ohne das GTI-Kürzel und die damit verbundenen Assoziationen wäre dieses Auto rundum gelungen. Doch weil die Legende lebt, drängen sich Vergleiche mit dem Original auf, das heute mancher als bockharte Kiste mit lautem Motor, zerrender Lenkung und ungeduldigen Bremsen erleben würde.

Mit der neuen GTI-Generation hat VW betont einen Kontrapunkt gesetzt, auf den sich aufbauen lässt. Zum Beispiel mit dem für 2005 avisierten Golf R32 mit mindestens 250 PS und Allradantrieb. Da müsste doch noch Luft für einen Hardcore-GTI sein: deutlich weniger Gewicht, deutlich mehr Leistung. Ein Auto, das ähnlich nachhaltige Emotionen vermittelt wie seinerzeit der quirlige Kantenhauber mit fetten Rallyestreifen und geschwärzter Heckscheibenumrandung.

© Süddeutsche Zeitung, 20. 10. 2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: