Verkehrsunfälle:Das Risiko der frühen Jahre

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Experten diskutierten beim SZ-Verkehrsparlament über Lösungen, um die Zahl der getöteten jungen Autofahrer deutlich zu senken.

Marion Zellner

"Nicht jeder verunglückte Fahranfänger war auf dem Weg zur Disco, war betrunken, stand unter Drogen oder fuhr gerade ein Rennen und hörte dabei laute Musik." Michael Bahr, Soziologe bei der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), möchte mit dem Vorurteil aufräumen, dass junge Autofahrer grundsätzlich nichts anderes im Kopf hätten, als sich verantwortungslos, selbstmörderisch und im Dauerrausch ans Steuer zu setzen und dadurch nicht nur sich, sondern auch andere Verkehrsteilnehmer stark zu gefährden.

Gefährliche Lehrzeit: Im vergangenen Jahr starben 750 junge Frauen und Männer im Auto. (Foto: Foto: dpa)

Dennoch ist es objektiv richtig, dass die Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen mit einem hohen Risiko im Straßenverkehr belastet sind. Schließlich starben im vergangenen Jahr nach Angaben der BASt knapp 1000 junge Männer und Frauen auf Deutschlands Straßen; etwa 750 davon als Insassen eines Autos.

Wie die Zahl der verunglückten Fahranfänger deutlich und dauerhaft reduziert werden kann, diskutierten Experten bei einem Podiumsgespräch des Verkehrsparlaments der Süddeutschen Zeitung in Zusammenarbeit mit dem TÜV Sachsen anlässlich der Eröffnung der 17. Auto Mobil International (AMI) in Leipzig: Das Thema: "Junge Fahrer - riskanter Start in eine neue Freiheit".

Fahren ist nicht fahren allein

"Ein jugendtypisches Problem ist, dass man glaubt, nach der Führerscheinprüfung schon alles zu können. Eine Einschätzung, die gefährliche Konsequenzen haben kann", sagte Bernhard Schlag, Professor am Verkehrspsychologischen Institut der Technischen Universität Dresden.

"Doch wir können", davon ist der Verkehrspsychologe überzeugt, "das Problem minimieren." Denn das Autofahren sei nicht nur eine "sensomotorische Verrichtung, sondern ein soziales Geschehen".

Das aber erfahren Führerscheinnovizen meist erst dann mit allen Konsequenzen, wenn sie sich nach bestandener Prüfung allein im komplexen System des Straßenverkehrs zurechtfinden müssen.

"Es kommen auf sie eine Fülle neuer Situationen zu, sie fahren dann zum Beispiel erstmals mit mehreren Personen im Auto, oft auch in alten, technisch schlechten Fahrzeugen. Wir dürfen sie damit nicht alleine lassen", so Unfallforscher Klaus Langwieder, Vorsitzender des Ausschusses Fahrzeugtechnik im Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR).

Komm', fahr mir bei!

Dabei gibt es neben der anerkannt guten Fahrschulausbildung in Deutschland bereits zwei Instrumente, die das Risiko der jungen Fahrer senken kann. Andreas Grünewald vom sächsischen Fahrlehrerverband plädierte für die obligatorische Einführung des begleiteten Fahrens und der sogenannten zweiten Ausbildungsphase. Bei ersterem kann bereits mit 17 Jahren die Führerscheinprüfung fürs Auto abgelegt werden, anschließend dürfen die Neulinge ein Jahr lang ausschließlich in Begleitung eines Erwachsenen, meist Mutter oder Vater, Autofahren.

Für Michael Bahr von der BASt ein probates Mittel, das hohe Anfängerrisiko zu senken, denn "nach den ersten neun Monaten Fahrpraxis sinkt das Risiko auf die Hälfte". Zudem ist das begleitete Fahren bei den Jugendlichen gar nicht so unbeliebt, wie oft angenommen wird.

So sagte Tony Richter: "Es ist ein gutes Gefühl, wenn jemand mitfährt. Und ich habe ein zusätzliches Jahr, in dem ich neue Situationen kennenlernen und auch nachfragen kann, wenn's schwierig wird."

Der 17-jährige Leipziger ist im zweiten Ausbildungsjahr zum Kraftfahrzeug-Mechatroniker, hat seit Januar seinen Führerschein in der Tasche und fährt seitdem in Begleitung eines Elternteils. Und er hat bereits sein eigenes Auto, an dem er in jeder freien Minute schraubt, um es zu verschönern, weil er sein Auto "gerne zeigen will".

Lesen Sie auf der nächsten Seite die überraschende Forderung manch junger Fahrer.

Die große Affinität gerade junger Männer zum Auto kann ein Grund für deren hohes Unfallrisiko sein - im Jahr 2006 waren fast 76 Prozent der im Auto getöteten jungen Fahrer männlich. So sind nach Einschätzung von Klaus Schütte, Regierungsdirektor im sächsischen Staatsministerium des Innern, "etwa 20 bis 25 Prozent der Gruppe der jungen Fahrer besonders gefährdet. Sie arbeiten meist in Metall- und Bauhandwerksberufen".

Das nahm das Land Sachsen zum Anlass, im vergangenen Jahr das Projekt "sicherfahren" zu starten. Dabei nehmen Schüler dieser Berufssparten kostenlos an moderierten Gruppengesprächen, beobachteten Fahrten und einer Abschlussdiskussion teil.

Klare Regeln: gewünscht!

Die Resonanz ist laut Schütte gut, da "nicht mit dem erhobenen Zeigefinger gearbeitet wird, sondern die jungen Fahrer sich gegenseitig kritisieren". Nach diesem Prinzip funktioniert auch die zweite Fahrausbildungsphase, die von Fahrschulen durchgeführt wird, freiwillig ist und zusätzlich ein Fahrtraining beinhaltet. Je nach Bundesland und Fahrschule kostet dieses Seminar 260 bis 300 Euro. Durch die Teilnahme kann der Fahranfänger die zweijährige Probezeit verkürzen.

Einen weiteren wichtigen Schritt zu mehr Sicherheit ist das geplante Alkoholverbot für Fahranfänger. Klaus Schütte weiß, "dass sich die jungen Fahrer ganz klare Regeln wünschen".

Das heißt, eine 0,0-Promille-Regelung solle nach seiner Meinung für junge Fahranfänger immer bis zum 21. Geburtstag gelten und nicht, wie derzeit geplant, an die zweijährige Probezeit gekoppelt werden.

Das ließe sich zum Beispiel bei Polizeikontrollen nur sehr schwer überprüfen, da dem Führerschein-Dokument nicht zu entnehmen ist, ob die Probezeit verkürzt oder gar wegen eines Verstoßes verlängert worden ist. Schütte hofft allerdings, dass Ende dieses Jahres das Alkoholverbot in Kraft treten kann.

Andreas Grünewald bemängelte, dass "sich die Politik mit Entscheidungen zu viel Zeit lässt". Schließlich seien laut Bernhard Schlag "reichlich erfolgreiche Vorschläge vorhanden und Verkehrssicherheit eine gesellschaftliche Verantwortung".

Würden diese nach dem Motto "Gefahr in Verzug", schnell umgesetzt werden, könnte bis in zehn Jahren die Zahl der getöteten jungen Fahrer um 300 bis 400 gesenkt werden. "Wir dürfen das Risiko der jungen Fahrer nicht als gottgegeben hinnehmen", ergänzte Klaus Langwieder.

© SZ vom 21.4.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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