Unfälle:Gefahr am Straßenrand

Lesezeit: 2 min

Jährlich sterben 1000 Menschen bei Baumunfällen - weswegen Polizei und Versicherer intelligente Maßnahmen fordern.

Marion Zellner

Die Meldung ist kurz und lapidar: "Der 58-jährige Autofahrer geriet nach Polizeiangaben mit seinem Fahrzeug aus noch ungeklärter Ursache auf gerader Strecke ins Schleudern. Anschließend prallte das Auto gegen einen Baum und überschlug sich. Der aus dem Wagen geschleuderte Fahrer starb noch an der Unfallstelle" - was Lokalzeitungen oft nur wenige Zeilen wert ist, ist tatsächlich auf Deutschlands Straßen tägliches Risiko. Denn pro Tag sterben, so sagt die Statistik, drei Personen bei sogenannten Baumunfällen - also nachdem der Wagen gegen einen Baum geprallt ist; 2006 waren es insgesamt 1034 Menschen, schwer verletzt wurden bei solchen Crashs 7121 Personen. Besonders gefährlich sind Landstraßen: Dort ist der Baumunfall mit 30 Prozent aller dort Getöteten die häufigste Einzelunfallursache.

"Mehrere hundert Menschen pro Jahr müssten nicht sterben", so Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer (UDV) im Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Denn: Langjährige Untersuchungen der UDV hätten gezeigt, dass das Risiko deutlich gesenkt werden könne, wenn "nachgewiesen wirksame Maßnahmen an Straßen mit Bäumen ergriffen würden", so Brockmann. Und nicht "Dokumente der Hilflosigkeit", wie etwa sogenannte Baumspiegel - die Unfallforschung habe gezeigt, dass die weiß gestrichenen Baumstämme nichts zur Sicherheit beigetragen hätten, so Brockmann. Deshalb fordern die Versicherer neben anderem Schutzplanken, Überholverbote, Kurvenbegradigung und Tempo 80 mit gezielter Überwachung an Unfallschwerpunkten.

Dokumente der Hilflosigkeit?

Eine Forderungen, die Peter Hübner nur unterstützen kann, denn "viele Autofahrer unterschätzen das Risiko, wenn sie von einer Straße, gesäumt mit Bäumen, abkommen". Der Polizeihauptkommissar im Polizeipräsidium Oberfranken in Bayreuth ergänzt: "Überhöhte Geschwindigkeit wird dann schnell zur Katastrophe. Dagegen hilft nur konsequente Überwachung an solchen Unfallschwerpunkten."

Das belegt auch die Untersuchung der Unfallforscher. So wurden an einer besonderes gefahrenträchtigen Stelle an der Bundesstraße 97 in Brandenburg, an der Bäume nahe der Fahrbahn stehen, im Laufe von drei Jahren 19 Unfälle mit sechs Getöteten, vier Schwerverletzten und zwei Leichtverletzten registriert. Nachdem dort ein Starenkasten zur Tempokontrolle dauerhaft montiert wurde, gab es in den folgenden drei Jahren nur noch fünf Unfälle, bei denen niemand mehr zu Schaden kam.

Trotz derart eindeutiger Erfolge, fällt es Autofahrern schwer, solche Maßnahmen zu verstehen. Das liege auch daran, dass sie das tatsächliche Gefahrenpotential oft nicht beurteilen könnten, so der Polizeihauptkommissar - etwa bei regennasser Fahrbahn oder des Nachts. "Autofahrer ärgern sich dann über ein neues Schild etwa zur Geschwindigkeitsbegrenzung und halten das für reine Schikane."

Doch, so Hübner, gingen solchen Aktionen immer aufwendige Analysen der Unfallstelle durch Unfallkommissionen voraus: "Wo ein Schild steht, hat es auch absolut seine Daseinsberechtigung. "Denn das Risiko, nach dem Abkommen von der Straße tödlich verletzt zu werden, ist dreimal höher, wenn das Auto gegen einen Baum prallt, als wenn der Seitenraum hindernisfrei wäre. Die bittere Realität: Ist der Baum zehn Meter vom Straßenrand entfernt und kommt das Auto mit Tempo 100 von der Fahrbahn ab, beträgt die Aufprallgeschwindigkeit immer noch 74 km/h, was einem Sturz aus 21 Meter Höhe entspricht.

Bäume müssenn nicht immer eine Gefahr sein

Wegen dieser hohen Gefahr wird immer wieder diskutiert, ob Bäume zugunsten größerer Sicherheit gefällt werden müssen. Doch das Gegenteil ist der Fall. So werden zum Beispiel in Brandenburg, dem Bundesland mit den meisten Alleen, neue Bäume gesetzt. Laut Infrastrukturminister Reinhold Dellmann werden "jährlich rund 30 Kilometer Alleen gepflanzt, um den Alleenbestand dauerhaft bei 2500 Kilometer Länge zu halten".

2007 wurden dort rund 5000 Bäume gefällt, mehr als 7000 kamen neu hinzu. Trotz dieser Strategie weist Brandenburg für den Zehn-Jahres-Zeitraum von 1995 bis 2006 eine eindeutig rückläufige Entwicklung bei den durch Baumunfall Getöteten auf: Danach starben 1995 auf Landstraßen 344 Menschen bei Baumunfällen, 2006 waren es 94 Personen.

Es ist also möglich, die Gefahr "oft fast vollständig auch ohne Axt zu entschärfen, zum Beispiel durch konsequentere Tempoüberwachung", so Brockmann.

© SZ vom 24.5.2008/gf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: