Umweltzonen:Kummer mit der Zone

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Seit Anfang Januar ist die Berliner City Umweltzone - und tabu für Autos, die zu viel Feinstaub in die Luft blasen. Viele Unternehmen sind betroffen und fürchten - trotz einstweiliger Ausnahmeregeln - um ihre Existenz.

Von Susanne Kilimann

Berlin Mitte, Invalidenstrasse, nähe Hauptbahnhof. Polizeioberkommissar Steffen Bohun und seine Staffel sind im Einsatz: Routinekontrolle des Fließverkehrs. Die erste im neuen Jahr. Und die erste, seit Berlin den inneren Stadtbereich zur Umweltzone erklärt hat.

Die Schonfrist läuft ab

Die junge Frau, die von Bohun auf den Haltestreifen gewunken wird, lächelt gelassen. Die Papiere sind okay, Alkohol und Drogen kein Thema. Und dass noch keine Umweltplakette an der Windschutzscheibe klebt, bringt sie auch nicht aus der Ruhe. "Es gibt ja noch eine Schonfrist", weiß die Berlinerin. Die Beamten wissen das natürlich auch. Derzeit reichen sie nur ein Infoblatt ins Auto, wenn sie bei Kontrollen in der Berliner Umweltzone die Fahrberechtigung fehlt.

Doch demnächst ist Schluss mit lässig: Ab Februar kommen Autofahrer, Berliner ebenso wie Auswärtige, nicht mehr ungeschoren davon. Wer dann ohne Plakette durch die Umweltzone kutschiert, riskiert ein Bußgeld von 40 Euro und einen Punkt in Flensburg. Mit dem Vorstoß will die Hauptstadt - neben Hannover und Köln - bundesweit Vorreiterin sein, wenn es um die Einhaltung der EU-Grenzwerte für Luftbelastung geht.

Für das Gros der Berliner ist die Umweltzone kein Problem - denn die meisten Autos erfüllen die geforderten Mindeststandards und bekommen wenn schon keine grüne, so zumindest eine gelbe oder rote Plakette. Damit dürfen sie noch zwei Jahre lang in die City. Anfang 2010 treten verschärfte Grenzwerte in Kraft - dann ist der Innenstadtbereich auch mit gelber und roter Plakette tabu.

Rund 85.000 von derzeit 1,2 Millionen Fahrzeugen erfüllen die Anforderungen aber schon jetzt nicht: Diesel ohne Filter oder ältere Benziner ohne Kat. Und Berliner, die so ein Auto jetzt verkaufen wollen, stellen fest: Die Preise befinden sich im freien Fall. "Meinen Seat Ibiza, einen Eco-Diesel, werde ich einfach nicht los", sagt Caroline Brass, die in der Berliner City wohnt und seit Monaten einen Käufer für ihr zwölf Jahre altes Auto sucht. "Loswerden will ich ihn aber unbedingt. Was soll ich mit einem Auto, das ich am Stadtrand abstellen müsste?"

Die Preise für Autos, die keine Plakette bekommen, sind im freien Fall

Der Audi 80 von Sara Köhler ist auch so ein Berliner Problem-Fall. "Gerade mal 150 Euro wurden mir dafür geboten", berichtet die Angestellte, die sich das 20 Jahre alte Auto mit dem Lebensgefährten teilte. "Der Wagen ist noch sehr gut in Schuss." Angesichts miserabler Verkaufschancen in Berlin hat die junge Frau den alten Audi kurz vor dem Jahreswechsel zu Bekannten nach Nordrheinwestfalen gebracht. Dort, hofft sie, lässt sich vielleicht noch ein reeller Preis erzielen.

Sara Köhler ist inzwischen auf Busse und Bahnen umgestiegen. Für Tausende von Handwerkern, Gewerbetreibende und Dienstleister ist das allerdings keine Option. Durch die Einführung der Umweltzone fürchten viele um ihre Existenz.

Zum Beispiel Umzugsunternehmer Gerd Lampeitl, dessen Firma mitten in der Zone sitzt. Auf dem Hof stehen vier Transporter. Keiner davon hat eine Plakette. Keiner lässt sich nachrüsten.

Quasi in letzter Minute hat Lampeitl für seine Umzugsflotte eine Härtefall-Ausnahmegenehmigung bekommen. Damit ist das Fahren in der Umweltzone für weitere 18 Monate erlaubt. Mehr als eine Galgenfrist sieht der 57-Jährige darin allerdings nicht. "Einen neuen Fuhrpark werde ich mir auch im kommenden Jahr nicht leisten können", sagt er resigniert. "Keine Ahnung, wie es dann weitergehen soll."

Ähnliche Sorgen treiben Bettina Follger um. Die 40-Jährige hat vor elf Jahren einen Fahrdienst für Behinderte gegründet. Mittlerweile gehören acht Transporter zum Fuhrpark ihrer kleinen Firma. Eine Umweltplakette hat die Unternehmerin für keines bekommen. Dabei hätte sie ihren Autos gern einen Rußfilter spendiert. Doch in der Werkstatt musste die Berlinerin erfahren, dass sich die Transporter mit dem Mercedesstern nicht nachrüsten lassen.

Sonderrechte gibt's vor allem für die Polizei

Auch Taxifahrer Ralf Werner ist einer von Tausenden, die eine Ausnahmegenehmigung beantragt haben, aber noch auf einen Bescheid der Behörde warten. Seinen Oldtimer, einen Mercedes 190 D, Baujahr 1964, könnte Werner im Grunde mit einem H-Kennzeichen für Oldtimer fahren und wäre damit vom Zonen-Fahrverbot nicht betroffen. "Doch weil ich meinen Wagen auch gewerblich nutze, musste ich das H wieder abgeben", schildert der 70jährige Miniunternehmer seine vertrackte Situation. Aufgeben will Werner allerdings nicht und notfalls vor Gericht um eine Fahrergenehmigung für seine schmucke Heckflosse kämpfen.

Wenn die Berliner Polizei demnächst gezielte Plakettenkontrollen durchführt, und darüber wacht, dass auch Nicht-Berliner und sogar Autos mit ausländischem Kennzeichen einen Zonen-Aufkleber an der Windschutzscheibe tragen, wird sie dies auch mit ihren alten Dienstfahrzeugen tun - zumeist Dreckschleudern im Sinne des Zonen-Gesetzes. Denn: Die Plakettenpflicht gilt nur für alle anderen - nicht aber für diejenigen, die sie verhängen: "Fahrzeuge mit Sonderrechten" - und damit für alle Feuerwehren, Krankenwagen, Arbeitsmaschinen, Militärfahrzeuge und sämtliche Polizeiautos - sind auf Dauer davon ausgenommen. Alles andere, so die Argumentation, wäre zu teuer.

Auch eine Auslegung des Begriffs "Sonderrechte".

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