Toyota Corolla:In attraktiver Hülle

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In diesem Jahr sollen noch 17 000 Exemplare verkauft werden

(SZ vom 06.08.1997) Daß Toyota-Produkte wie der Corolla in den diversen Pannenstatistiken mit schönster Regelmäßigkeit hervorragend abschneiden, vermochte das Abbröckeln der Zulassungszahlen nicht zu verhindern. Die Marketingstrategen des Unternehmens erklären sich die Einbußen damit, daß der Inbegriff der Zuverlässigkeit in erster Linie den Verstand der Käufer angesprochen hat. Um bei ihnen künftig auch ein Kribbeln im Bauch hervorzurufen und Emotionen zu erzeugen, haben die Japaner die jüngste Ausgabe des Bestsellers in eine attraktivere Hülle gesteckt und die graue Farbe aus dem Innenraum vertrieben.

Europa hat die Wahl

Bei der gerade eingeführten achten Generation des Toyota-Bestsellers, von dem seit 1966 mehr als 21 Millionen Exemplare verkauft wurden, hat sich das Unternehmen von der Strategie des Weltautos verabschiedet: Der europäische Corolla, der dem Käufer aus gerundeten Scheinwerfer-Augen entgegenblickt, hat kaum noch Ähnlichkeit mit dem Auto, das auf dem japanischen oder amerikanischen Markt angeboten wird: Dort trägt der Corolla überwiegend Stufenheck, und das Interieur besticht weiterhin durch sein dezentes Grau. Die Europäer dürfen hingegen zwischen vier Formaten - zweitürigem Compact, Viertürer mit Fließ- und Stufenheck sowie Kombi - und vier Ausstattungslinien, darunter drei farbenfrohe mit den Bezeichnungen Linea Terra, Linea Luna und G6 - wählen, die allerdings nicht in allen Karosserievarianten verfügbar sind.

In G6-Aufmachung, die über das kürzelgebende Sechsgangschaltgetriebe hinaus auch Sportsitze, kleine Front- und Heckspoiler sowie ein schwer ablesbares, weil mit roter Farbe und Wabenmusterung aufgepepptes Anzeigenfeld aufweist, ist beispielsweise bis auf weiteres nur der 4,1 Meter kurze Compact mit 1,4-Liter-Motor erhältlich, womit Toyota deutlich machen will, daß diese Corolla-Version nicht im GTI-Segment mitzumischen gedenkt. Gegen derartige Einsätze spricht - abgesehen von der angenehm straffen Fahrwerksauslegung - nicht allein die Beschränkung der Höchstleistung auf 63 kW (86 PS), sondern mehr noch die Abstufung der sechs Gänge, die genauso wenig sportliche Ambitionen weckt wie das Fünfgang-Getriebe in den 17 bis 22 Zentimeter längeren Modellen mit Komfortfederung und dem etwas zu weich abgestimmten Fahrwerk. Der Eindruck, daß der 1,4 schwer in die Gänge kommt, wird dadurch verstärkt, daß bei niedriger Drehzahl nur wenig Drehmoment und bei 4200/min auch nur 120 Newtonmeter zur Verfügung stehen. Sogar mit dem zweiten Motor, einem 1,6-Liter-Vierzylinder mit immerhin 81 kW/110 PS, wird der Corolla nicht zum Straßenfeger, selbst wenn die rechte Hand fleißig den Schalthebel bewegt. Dazu sind die Gänge zu lang gestuft, und das Drehmomentangebot ist eher mäßig, weshalb jeder, der mehr als 145 Newtonmeter gebieten will, die Kurbelwelle 4800mal pro Minute rotieren lassen muß.

Das einzige Aggregat im Corolla, das relativ schnell zur Sache kommt, ist der 2,0-Liter-Diesel. Verglichen mit der europäischen Konkurrenz sind seine Fahrleistungen - maximal 53 kW (72 PS) werden bei 4600/min erreicht, 131 Nm bei 2600/min freigesetzt - allerdings ziemlich bescheiden, weshalb Toyota ihm nur einen Anteil von etwa zehn Prozent am Motorenmix zutraut. Die stärkste Nachfrage wird beim 1,4er erwartet; auf ihn sollen etwa 70 Prozent der Verkäufe entfallen. Bis zum Jahresende könnten hierzulande noch 17 000 neue Corollas unters Volk gebracht werden, für 1998 erhofft sich Toyota insgesamt 42 500 Verkäufe, und bis 2000 will man den Absatz auf mehr als 50 000 Einheiten steigern - und damit an die besten Zeiten Anfang der 90er Jahre anknüpfen.

Unter den neuen Kunden soll sich eine stattliche Anzahl ehemaliger Corolla-Besitzer befinden, die zu anderen Marken abgewandert sind, weil sie sich entweder für das Vorgängermodell emotional nicht erwärmen konnten oder aber den Viertürer lieber mit Fließ- als mit Stufenheck wollten, was bisher nicht möglich war. Für sie ist der neue Liftback gedacht, der ähnlich proper daherkommt wie der knackige Compact, aber angesichts der anvisierten Zielgruppe "Familie mit Kindern in der Ausbildung" im Fond ruhig etwas geräumiger hätte ausfallen können. Auch das Kofferraumvolumen ist nicht gereade umwerfend: 281 Liter stehen im Compact zur Verfügung, 372 im Liftback, 390 in der Limousine, und 308 bis 665 Liter im Kombi.

Die Preisskala beginnt bei 23 900 Mark. Dafür gibt es den Compact mit 1,4-Liter-Motor und der Basisausstattung, die immerhin serienmäßig ABS, zwei Airbags, Gurtstraffer und Gurtkraftbegrenzer an den Vordersitzen, drei Kopfstützen und drei Dreipunktsicherheitsgurte auf der Rücksitzbank mit spezieller Kindersitzfixierung, Servolenkung, Drehzahlmesser, Außentemperaturanzeige sowie eine Einstiegshilfe für Fondpassagiere auf der Beifahrerseite umfaßt. Für den G6-Compact verlangt Toyota 26 750 Mark.

Günstiger als der Vorgänger

Wer seinen Rückbänklern mehr Komfort und vor allem eine eigene Tür bieten will, zahlt mindestens 25 390 Mark für die Liftback- und 26 870 Mark für die Stufenheck-Version sowie 27 340 Mark für den günstigsten Kombi. Ausstattungsbereinigt, hat Toyota errechnet, liegen die Preise der neuen Modelle bis zu zwölf Prozent unter denen der abgelösten. Am größten ist die Auswahl in der Linea-Terra-Reihe, für die 1200 Mark auf das Basis-Niveau aufzuschlagen sind, denn nur dort sind alle Motoren und Karosserieformen vertreten und auch die meisten Automatikversionen angesiedelt: Die dreistufige wird stets in Kombination mit dem 1,4-Liter-Motor angeboten, während die vierstufige Variante den 1,6er Modellen vorbehalten bleibt.

Auf der Liste der Sonderaustattungen finden sich neben diversen Metallic-Lackierungen, Audioanlage und Schiebedach auch Klimaanlage (2200 Mark) und Navigationssystem (5990 Mark). Was die Seiten-Airbags kosten werden, die von Oktober 1997 an in allen Viertürern und von März 1998 an auch im Compact lieferbar sein sollen, steht noch nicht endgültig fest, doch zumindest auf die Größenordnung "zwischen 500 und 600 Mark" hat sich Toyota festlegen lassen.

Gefertigt wird der Corolla derzeit noch in Japan, doch schon im kommenden Jahr soll im englischen Toyota-Werk in Burnaston die ersten Liftback-Fahrzeuge vom Band laufen,und danach werden in Europa jährlich insgesamt 100 000 Corolla produziert.

Von Gerlinde Fröhlich-Merz

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