Saudi-Arabien:Frau fast am Steuer

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Wenn sich eine Fahrerin hinters Lenkrad traut, kann dieses Abenteuer mit Gefängnis enden: In Saudi-Arabien ist Autofahren noch Männersache.

Rudolph Chimelli

Den Frauen Saudi-Arabiens gehören 40 Prozent aller Privatvermögen. In der Wirtschaftskapitale Dschiddah liegt die Quote sogar noch wesentlich höher. Und dennoch unterliegen Frauen im Königreich strengen Einschränkungen.

(Foto: Foto: dpa)

Sie dürfen nicht ohne Erlaubnis eines männlichen Familienangehörigen reisen, nicht allein in einem Restaurant essen und auch nicht Auto fahren. Nun hat ihnen Kronprinz Sultan vage Hoffnungen gemacht. "Wenn Väter, Ehemänner und Brüder uns bitten, werden wir uns mit der Frage befassen", sagte er der staatlichen Nachrichtenagentur. Aber sofort schränkte er wieder ein. "Doch wenn sie das Gegenteil fordern, werden wir sie nicht zur Fahrerlaubnis für Frauen zwingen können."

Striktes Verbot in den Städten

Ähnlich hatte sich schon König Abdallah im Oktober in einem Interview mit der amerikanischen Journalistin Barbara Walters geäußert - dem ersten seit seiner Thronbesteigung im Sommer. "Ich glaube, der Tag wird kommen, an dem Frauen Auto fahren", versprach er seherisch. Der Monarch wies darauf hin, dass Frauen sich schon heute in der Wüste und auf dem Land unbeanstandet ans Steuer setzten.

In den Städten jedoch, wo das Verbot strikt angewendet wird, könne nur Geduld eine Änderung bringen. "Geduld ist eine Tugend", tröstete der König. Er bekannte sich mit der Versicherung als Verfechter von Frauenrechten: "Meine Mutter war eine Frau, meine Schwester ist eine Frau, meine Tochter ist eine Frau, meine Frau ist eine Frau."

Theologisch gibt es kein Fahrverbot für Frauen. Das Problem sei gesellschaftlicher Natur, erklärt Innenminister Prinz Naif, der Übernächste in der Thronfolge. Ein Mitglied des Obersten Rates der Schriftgelehrten unterstützt diese Auslegung. Zwar hätten die führenden Theologen nie über das Frauen-Fahrverbot diskutiert und es deshalb auch niemals als sündig erklärt. "Aber wir sagen, es ist zum Besten unserer Töchter, wenn sie nicht fahren."

Schon durch Internet, E-Mail und Mobil-Telefon haben sich die unkontrollierten Kommunikationsmöglichkeiten saudischer Frauen erheblich erweitert. Führerschein und eigenes Auto würden Kontakte zu Unbekannten und Verabredungen ermöglichen, welche die Tradition der von Familien arrangierten Heiraten aushöhlen könnten.

Proteststurm und Todesdrohungen

Deshalb ist es unwahrscheinlich, dass unter saudischen Männern eine Volksbewegung für die Aufhebung des Fahrverbots entstehen wird. Als im Juni ein Mitglied der Beratenden Versammlung, die als Parlamentsersatz fungiert, das Thema zur Diskussion stellen wollte, entfachte es einen Proteststurm und erhielt Todesdrohungen. "Es war, als hätte ich dazu aufgerufen, dass unsere Frauen auf der Straße ihre Kleider ablegen sollen", beklagte er sich. Die Beschäftigung von Chauffeuren kostet wohlhabende Familien fast drei Milliarden Euro im Jahr.

Zeichen für Bewegung gibt es dennoch. Im November wurden erstmals zwei Frauen in den zwölf Mitglieder zählenden Vorstand der Handelskammer von Dschiddah gewählt. Im September hat die 24 Jahre alte Radscha al-San'a den Erfolgsroman "Töchter Riads" über die Herzensangelegenheiten von vier Frauen veröffentlicht, nachdem sie zuvor Zahnmedizin studiert hatte. Sogar eine saudische Pilotin gibt es. Allerdings muss sie von Männern zum Flugplatz mit Dienstwagen oder Taxi gefahren werden.

© SZ vom 27.12.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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