Proton 418 LRS Coupé / Satria Cabriolet:Es ist nicht einfach, eine Marke gut zu etablieren

Mit einer autonomen Autoindustrie wollte die malaysische Regierung die Arbeitslosigkeit bekämpfen

(SZ vom 31.01.1998) Es scheint in der Entwicklung der Mobilität in den Ländern der dritten Welt gewisse Regelmäßigkeiten zu geben. Zuerst läßt sich eine reiche Oberschicht mit Importfahrzeugen aus dem Westen versorgen, dann drängen die Japaner und Koreaner mit ihren preisgünstigeren Fahrzeugen für die Mittelschicht und Gewerbetreibenden nach - und schließlich artikuliert sich von der Seite der Regierenden dann der Wunsch nach selbst produzierten Fahrzeugen. Ein Wunsch, der in zwei verschiedenen Stufen realisiert wird: Einerseits werden die Firmen mit massiven Steuervorteilen bedacht, die ihre Modelle zerlegt ins Land einführen, und sie dort von einheimischen Arbeitern montieren lassen, oder man gewinnt gleich ein Unternehmen, das sich bereit erklärt, vor Ort eine eigene Fabrik zu errichten - womit man dann in den prestigeträchtigen Klub der Länder eingetreten ist, die über eine eigene Automobilproduktion verfügen.

Malaysia ist ein schönes Beispiel für diese Entwicklung: Mahathir Mohamad, der Präsident der parlamentarischen Monarchie Malaysia, vertrat schon früh die Meinung, daß es schade um die Devisen sei, die das arme Land für den Import von Fahrzeugen ausgebe - und so forderte er eben die Autohersteller dieser Erde auf, in Malaysia zu investieren.

Niemand wollte nach Malaysia

Tengku Mahaleel Tengku Ariff, der Chief Executive Officer des Unternehmens: "Eine Offerte, die niemand annehmen wollte, da das Land mit seinen 20 Millionen Einwohnern angeblich keinen interessanten Markt darstellte. " Doch dann fand sich Mitsubishi bereit, Malaysias Wunsch nach einer Automobilindustrie zu unterstützen - das Ergebnis ist das seit 1985 existierende Haus Proton, hinter dessen Name sich Perusahaan Otomobil Nasional Bhd. verbirgt.

Ein prosperierendes Unternehmen, das - nach Aussage des allgegenwärtigen Ministerpräsidenten Mahathir - hauptsächlich geplant wurde, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Ein Unternehmen, das allerdings auch einen nicht uninteressanten Beitrag zur Außenhandelsbilanz leistet, denn bereits im ersten Produktionsjahr (in dem 80 000 Fahrzeuge des Typs Saga entstanden) wurden auch schon die ersten 25 Exemplare nach Bangladesh exportiert.

Mittlerweile haben die etwas mehr als 6000 Angestellten und Arbeiter jährlich 158 732 (1996) und 185 817 Fahrzeuge (1997) gebaut, von denen etwa 15 Prozent in den Export gehen. Keine Frage, Ministerpräsident Mahathir hat mit dieser Entscheidung zur eigenen Autoindustrie (wenn man die 158 000 im Lande verbleibenden Modelle berücksichtigt) reichlich Devisen gespart, und mit den 28 000 exportierten Fahrzeugen auch gutes Geld ins Land geholt.

Wobei aber nicht vergessen werden sollte, daß die in Malaysia verbleibenden Proton-Fahrzeuge auch mit einem gewissen psychologischen Druck unter die Käufer gebracht werden - die Aufforderung "buy Malaysian" spielt bei der Kaufentscheidung eine nicht zu unterschätzende Rolle, die einen beachtlichen Teil zu dem stolzen Marktanteil von 65 Prozent beigetragen haben dürfte.

War das Unternehmen zuerst noch in hohem Maße von den Finanzspritzen des Staates abhängig, so hat sich die Regierung heute auf einen Anteil von 16,5 Prozent zurückgezogen. In den vergangenen Jahren konnten sogar Gewinne eingestrichen werden. Aber es dürfte außer Frage stehen, daß der Staat noch immer ein wachsames Auge auf Proton wirft. "Ein sehr wachsames sogar", bestätigt schmunzelnd Tengku Mahaleel Tengku Ariff, "Dr. Mahathir läßt sich jeden Prototyp persönlich zeigen - und wenn ihm etwas nicht gefällt, wird es eben nicht gebaut, oder seinen Wünschen entsprechend abgeändert. "

Nun könnte man - wenn man die Gesamtzahl von etwa 160 000 exportierten Proton-Gefährten berücksichtigt - durchaus der Meinung sein, daß der Doktor an der Spitze der Regierung auch ein Kenner der Auto-Materie sei, doch diese Zahlen verteilen sich nicht nur über ein knappes Dutzend Jahre, sondern über 50 Länder rund um den Globus, von denen nur eine knappe Handvoll zu den wirklich relevanten Märkten zählen.

Und so erklärt es sich auch, daß ausgerechnet die Bundesrepublik in nur drei Jahren mit bislang 11 000 ausgelieferten Fahrzeugen zum wichtigsten Exportstaat für Proton geworden ist. Dabei meinten es die Fachzeitschriften und großen Tageszeitungen mit dem 416 GLXi nicht sonderlich gut - so bemängelte auto, motor und sport das schwergängige Fünfganggetriebe, den nicht überzeugenden Federungskomfort und den nüchternen Plastik-Look des Interieurs. Und die SZ beklagte 1995 die klappernden Geräusche, die schlechte Fahrwerksabstimmung und das stark nach Plastik riechende Interieur des 415 GLSi.

Keine Frage, Proton mußte - wie alle Neueinsteiger auf dem schwierigen deutschen Markt - den harten Weg gehen. Und dieser führt nur über super-günstige Preise und hohe Garantie-Zusagen, mit denen das dünne Händlernetz jährlich die angepeilten 4000 Fahrzeuge an den Mann und die Frau bringen konnte.

Nach nunmehr drei Jahren auf dem deutschen Markt und etwa 11 000 verkauften Fahrzeugen denkt man bei Proton Deutschland nun natürlich darüber nach, wie man den Marktanteil und die Reputation auf andere Höhen bringen könnte. Rigo Burlon, der Geschäftsführer von Proton Deutschland (das Unternehmen ist übrigens eine 100prozentige Tochter der Schweizer Emil-Frey-Gruppe) sagte: "Nachdem sich unser faires Preis-/Leistungsverhältnis doch bereits herumgesprochen hat, müssen wir nun die Händlerstruktur verbessern und die Zahl der Verkaufsstellen, die derzeit bei 230 liegt, auf 400 erhöhen. Und der nächste Schritt wird dann die Einführung neuer, attraktiver Modelle sein. "

Drei neue Modelle in einem Jahr

Dafür planen die Malaysier ein Mehrstufenprogramm, das zuerst im April die Präsentation und im Mai die Einführung des 418 LRS Coupé vorsieht, das die dreitürigen und viertürigen Limousinen ergänzen soll. Dann wird im Frühjahr 1999 ein beachtlich hübsches Cabriolet folgen, das derzeit noch unter der Bezeichnung Satria Cabrio in der Endentwicklung steckt. Parallel dazu arbeitet man in Shah Alam, einem Vorort von Kuala Lumpur, auch an einer Überarbeitung des Perdana, einer Vierzylinder-Limousine, die ebenfalls 1999 in Deutschland auftauchen könnte.

Die große Neuigkeit dieses Jahres dürfte aber die Präsentation des Nachfolgers der derzeitigen Vierer-Baureihe werden, die im September 1999 auf der IAA und vom Jahre 2000 an bei den Händlern zu sehen sein wird: eine völlig neu entwickelte Baureihe, die - von Proton selbstentwickelt - die Nabelschnur zu den Mitsubishi-Vorfahren durchtrennen soll.

Ein beachtliches Programm, für das Proton auch die Ingenieurskapazität deutscher Firmen mitherangezogen hat, da die Technische Universität in Kuala Lumpur noch nicht die Zahl an Ingenieuren ausbilden kann, die die malaysischen Unternehmen benötigen würden.

Bei ersten kurzen Fahrt mit dem neuen 418 LRS Coupé entpuppte sich das 32 990 Mark teure Gefährt mit dem offenbar unvermeidlichen Heckspoiler als durchaus angenehmes Fahrzeug, dessen 140 PS (103 kW) starker 1,8-Liter-Vierzylinder für beachtliches Temperament sorgt: Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 208 km/h und einem Spurt in 8,5 Sekunden zur 100 km/h-Grenze dürfte sich zumindest der malaysische Besitzer stets mit einem Bein im Gefängnis befinden, denn die Polizei achtet streng auf die Einhaltung der 110 km/h-Höchstgrenze.

Ein deutlich besserer Eindruck

Es wäre vermessen zu behaupten, daß man - nach einigen Runden auf dem werkseigenen Rundkurs in Shah Alam - in der Lage wäre, die Stärken und Schwächen des 418 LRS Coupés beurteilen zu können, dennoch kann man erste Impressionen gewinnen, die man jedoch auf deutschen Straßen vielleicht auch wieder relativieren muß. Der 418 hinterließ (gegenüber der von uns gefahrenen Limousine) einen besseren Eindruck: Die Verarbeitung stimmte, das Fahrwerk bot einen guten Kompromiß zwischen Komfort und Straßenlage - und die Anmutung des Interieurs zeigte auch weniger Lust an billigem Plastik. Ob die Verbrauchswerte, die das Werk zwischen sechs und acht Litern ansetzt, realistisch sind, muß sich erst noch zeigen.

Nur zu besichtigen war das Satria Cabriolet, das sich - bei einem geplanten Preis von etwa 28 000 Mark - zu einem Verkaufsrenner entwickeln könnte. Zwar erinnern die einen oder anderen Linien an die offenen Varianten des Ford Escort und des Opel Astra, dennoch kann man dem Satria ein beachtliches Maß an Eigenständigkeit zubilligen - zumal die Designer auch mit den Felgen oder der Heckschürze ein paar harmonische Details gezeichnet haben. Und auch der Perdana könnte - bei einem entsprechenden Preis - eine gewisse Nische besetzen, da der 2,0-Liter-Vierszylinder durchaus Komfort-Qualitäten besitzt.

Kurz gesagt: Proton hat gelernt - ob die deutschen Kunden auf die Modelle anspringen werden, wird eine Frage des Händlernetzes und der Bereitschaft der Käufer sein, das zweifellos vorhandene günstige Preis-/Leistungsverhältnis gegen den recht hohen Wertverlust, den diese Fahrzeuge erfahren, aufzurechnen.

Von Jürgen Lewandowski

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: