Proton 415 GLSi / 416 GLXi:Im Zentrum des Orkans

Windgeräusche schmälern die Freude am niedrigen Preis und alltagstauglichen Motoren

(SZ vom 01.07.1995) Zuerst heizten die japanischen Automobilhersteller den deutschen Marken kräftig ein - doch aus den Jägern wurden bald die Gejagten: Nun betreten die Koreaner mit noch preisgünstigeren Modellen den europäischen Automobilmarkt. Und die Markenvielfalt wächst weiter. Seit kurzem versucht mit Proton der erste Hersteller aus Malaysia sein Glück auf dem angeblich härtesten Automobilmarkt der Welt.

Perusahaan Otomobil Nasional Berhad, abgekürzt Proton, wurde Mitte der achtziger Jahre als Kooperationsprojekt vom malaysischen Staat und Mitsubishi gegründet. Der Staat hält nach wie vor die Mehrheit an Proton, der Mitsubishi-Anteil beträgt nach dem Gang an die Börse 17,2 Prozent. Auf dem Pariser Automobilsalon im vergangenen Herbst fand die Europapremiere auf dem Kontinent statt, während Proton schon seit 1989 in England Autos verkauft.

Eher schlicht gestrickt als edel

'Qualitativ hochwertige Autos mit gutem Preis-/Wert-Verhältnis' anzubieten ist die Firmendevise von Proton. In Deutschland soll dies mit bislang zwei Fahrzeugen demonstriert werden: dem 415 und dem 416 - beides Fahrzeuge, die eigentlich nach japanischen Konstruktionsplänen entstanden sind und die nach japanischen Produktionsmethoden gefertigt werden.

415 und 416 sind jeweils als Fließ- und Stufenheck zu haben, zwei Motoren stehen zur Auswahl: Für den 415 ein 1,5- Liter-Vierzylinder, der mit Dreiventiltechnik 66 kW (90 PS) entwickelt, und für den 416 ein 1,6-Liter-Vierzylinder mit Vierventiltechnik, der es auf 83 kW (113 PS) bringt. An Ausstattungvarianten gibt es drei: den 415 GLi als Basismodell, der 21 990 Mark kostet, den 415 GLSi, der mit 23 990 Mark zu Buche schlägt, und den 416 GLXi, der mit 26 490 Mark der teuerste Proton hierzulande ist.

Was wird dafür geboten? Zunächst einmal eine 4,36 Meter lange Karosserie beim Stufenheck, das Fließheck ist um neun Zentimeter kürzer. Die Form des 415/416 ist wohl am besten mit dem Adjektiv 'gesichtslos' zu beschreiben - er sieht so aus, wie japanische Autos vor fünf Jahren eben ausgesehen haben. Im Interieur sticht als erstes ein unangehmer Duft in die Nase: Dieser Proton sieht nicht nur nach Plastik aus, er riecht auch so, und das ziemlich eindringlich. Dann fällt das Firmenemblem im Lenkrad ins Auge: eine Mischung aus Blume, Sonne und NATO-Emblem. Dafür fehlt der Airbag, der erst von Herbst an lieferbar sein soll.

Die Instrumentierung schwankt irgendwo zwischen schlicht und karg, die Sitze sind eher auf asiatische Körpergrößen zugeschnitten als auf Mitteleuropäer. Geradezu unglaublich ist dagegen der Längsverstellbereich der Vordersitze. Von der Beinfreiheit her haben hier Zwei- Meter-Männer Platz, doch was nützt es, wenn die Sitze zu kurz sind und der Seitenhalt mehr als zu wünschen übrig läßt. Zur Basisausstattung gehören getönte Scheiben, eine höhenverstellbare Lenksäule, 'zwei von innen einstellbare Außenspiegel' (Pressetext - immerhin besser als nur einer). Kofferraum und Tankklappe können von innen entriegelt werden.

In der 2000 Mark teureren GLSi-Version gibt es zusätzlich Servolenkung und Zentralverriegelung, elektrische Fensterheber vorne und Kopstützen hinten. Das Topmodell 416 wartet mit höhenverstellbaren Sportsitzen, elektrisch verstellbaren Außenspiegeln und elektrischen Fensterhebern - auch hinten - auf.

Beide Proton-Varianten machen optisch und von der Anmutung her den Eindruck, den sie von ihren Preisen her erwarten lassen: eher schlicht gestrickt als edel - doch das muß ja bei Käufern, die mehr auf das Geld schauen, kein Nachteil sein. Nicht akzeptabel sind dagegen einige Unsitten, die zumindest der Wagen hatte, der uns zur Verfügung stand: Die schlimmste Unsitte waren die Windgeräusche, die bei Geschwindigkeiten von 130 km/h an aufwärts zum Orkan anschwollen - über 150 km/h kamen dann noch die Trompeten von Jericho zum Einsatz, so hörte sich jedenfalls ein intensives Pfeifgeräusch im Bereich des Dachhimmels an. Das Tosen der Fahrwinde wechselte zudem noch, abhängig von der Geschwindigkeit, wunderbar die Tonlagen - so daß man meinte, hier wird die Musik zu einem Hexentanz geschrieben. Ängstliche Gemüter befiel zudem die Furcht, die Türen könnten sich während der Fahrt selbsttätig öffnen. Abwechslung in dieses Konzert brachten auch nicht zu lokalisierende, scheppernde Geräusche an Karosserie und Hinterachse.

Der uns zur Verfügung stehende 416 zeichnete sich vor allem durch ein ungewöhliches Fahrwerk aus. Neben den aus dem 415 bekannten, undefinierbaren, klappernden Geräuschen, rüttelte jede kleine Bodenwelle, jeder Gullideckel sowie übliche Unebenheiten auf der Straße den Fahrer durch. Fahrwerksabstimmung scheint dem malaysischen Wortschatz ein Fremdwort. Auf längeren Strecken, die eben nicht auf gut asphaltierten Autobahnen, sondern auf bayerischen Landstraßen entlang führten, wurden so zur mittleren Tortur. Hier muß schnellstens für Abhilfe gesorgt werden.

Zu den Motoren läßt sich so viel sagen: Sie sind für den Alltagsbetrieb ausreichend. Der 1,5-Liter ermöglicht Fahrleistungen von 173 km/h Höchstgeschwindigkeit und beschleunigt den Wagen in 12,1 Sekunden von Null auf 100 km/h. Der 1,6-Liter kann dies noch etwas besser: Vmax = 175 km/h, der übliche Spurt wird mit 10,8 Sekunden angegeben. Beides sind Werte, mit denen es sich angesichts der bundesdeutschen Verkehrsdichte leben läßt. Die Verbrauchswerte beziffert Proton im DIN-Drittelmix auf 7,1 Liter für den 415 und auf 7,4 Liter für den 416 - gute Werte.

Ob sich Proton außer in einer Nische bei uns etablieren kann? Das wird sich zeigen. Auch die Koreaner zielen natürlich ganz bewußt auf Käufer, die mehr rechnen wollen oder müssen - und auch dieses Segment ist nicht unendlich. Auf jeden Fall könnte eine größere Modellpalette mit deutlich verbesserter Qualität und ein eigenständigeres Design sicher nicht schaden.

Von Otto Fritscher

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