Prius gegen Hummer:Glaubensfrage mit PS

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Sag mir, welches Auto du fährst, und ich sage dir, auf welcher Seite du stehst: In Amerika wird der Autokauf zum Kulturkampf hinterm Steuer.

Von Andrian Kreye

Kulturkämpfe bieten vor allem in Wahljahren die Chance, Flagge zu zeigen, ohne gleich relevante Themen debattieren zu müssen. In Kalifornien wird ein solcher Kulturkampf derzeit hinter dem Steuer ausgetragen. Wer welchen Wagen fährt, ist dort nicht mehr nur eine Frage des Ansehens, sondern auch eine der Gesinnung.

Barocke Lebenslust: Der Hummer (Foto: Foto: ap)

Nun war der Autokauf schon immer eine prekäre Glaubensfrage, die sich meist erst dann von selbst erledigte, wenn man den Sportwagen aus familiären Gründen gegen einen praktischen Kombi eingetauscht hatte. Um solche Banalitäten müssen sich Hollywoodstars mit ihren privaten Fuhrparks allerdings selten scheren, weswegen es sogar die New York Times für meldenswert hielt, dass die Frage nach dem Auto die Reichen und Schönen bei der diesjährigen Oscarverleihung in zwei hochideologisierte Lager teilte.

4 zu 30

Zwei Modelle stehen für den Kulturkampf. Der Toyota Prius, ein aubergineförmiger Hybridwagen mit gemischtem Elektro- und Benzinantrieb, der nur vier Liter auf 100 Kilometer verbraucht.

Und der Hummer, jenes überdimensionierte Infanteriefahrzeug mit 30 Litern Benzinverbrauch, das General Motors für den zivilen Einsatz umgerüstet hat. Da treffen protestantische Vernunft und barocke Lebenslust, progressiver Liberalismus und rebellischer Konservatismus, Independentfilmer und Actionstars, ja sogar Tauben und Falken aufeinander.

So wurde die exemplarische Pazifistenfamilie des Ehepaares Tim Robbins und Susan Sarandon vor der Vanity Fair-Party gesichtet, wie sie sich in einen Prius mit Chauffeur zwängten, während wenige Schritte weiter die Kinder gewichtiger Hollywoodproduzenten in eine verlängerte Limousinenversion des Hummer kletterten.

Shame on you

Charlize Theron und Sting fuhren jeweils in einem Prius vor den roten Teppich. Und natürlich Leonardo di Caprio, der von jeder neuen Prius-Ausgabe gleich vier kauft, um sie an Freunde und Verwandte zu verschenken.

Die stadtbekannten Hummerfahrer schienen sich jedoch zu schämen - Adrien Brody und Arnold Schwarzenegger ließen sich in konventionellen Limousinen durch die Nacht der Nächte kutschieren. Denn ein bisschen declassé ist so ein Entrée mit Vierradantrieb dann doch. Seit ein paar Jahren umgibt die Geländewagen der Ruch des schnellen, neuen Geldes aus dem HipHop.

Aus europäischer Sicht scheint diese Debatte frivol oder schlicht überflüssig. Um sie zu verstehen, muss man wissen, dass Amerika schon stöhnt, wenn Benzin zwei Dollar pro Gallone kostet, was einem Literpreis von rund 40 europäischen Cents entspricht.

Hinzu kommt, dass Geländewagen in den USA steuerrechtlich als Kleinlaster gelten und somit erheblich weniger Abgaben kosten. Bushs einstiger Pressesprecher Ari Fleischer deklarierte den Benzinverbrauch als Grundrecht amerikanischer Bürger.

Nach dem 11. September galten Geländewagen sogar als Zeichen eines trotzigen Patriotismus, der sich vom Terrorismus aus den Ölstaaten nicht unterkriegen lässt.

Der Drang zum Benzinsparen gilt in Amerika eher als exotische Weltsicht europäischer Gutmenschen. Bei einem der letzten (vergeblichen) Versuche im Kongress, Schadstoffemissionen gesetzlich zu begrenzen, zeigte ein Abgeordneter der Republikaner eine Bildtafel, die einen Smart zeigte, und stellte die rhetorische Frage, ob sich die werten parlamentarischen Kollegen denn in so einem Auto sehen lassen würden. Da mussten selbst die Debattengegner lachen.

© SZ vom 10.3.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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