Portrait:Der Autonarr

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Als Rallyefahrer gewann Walter Röhrl fast 1000 Trophäen - jetzt gibt er Bürgern Tipps für sicheres Fahren.

Von Rolf Thym

Eigentlich dürfte dem hoch gewachsenen Mann mit den tief eingekerbten Gesichtszügen nichts fehlen zum Lebensglück. 57 Jahre ist er nun alt, und noch immer ist er berühmt für das, was er vor 20, vor 30 Jahren erreicht hat. Mit seinen gut 150 Siegen war er einer der ganz Großen auf den Rallye- und Rennstrecken der Welt.

Porsche-Testfahrer Röhrl im Carrera GT (Foto: Foto: AP)

Obwohl er sich schon lange aus dem aktiven Rennsport zurückgezogen hat, sind sein Name und sein Können nach wie vor gefragt: Für Porsche testet er alle Prototypen, und immer ist er dabei, wenn ein neues Modell vorgestellt wird. Dabei kommt er weit herum. Walter Röhrl könnte also mit sich zufrieden sein, vor allem, wenn er mal ein paar Tage in seinem Haus in Sankt Englmar - einem malerischen Ort im Bayerischen Wald - ausruhen kann.

Regt sich auf

Was aber tut er? Er regt sich auf. Zum Beispiel über die Sache mit der Laserpistole: Vor gut einem Jahr bekam er es auf dem Heimweg mit Polizisten zu tun, die in einer Ortsdurchfahrt Schnellfahrer zu ertappen suchten. Der Röhrl, so behaupteten sie, sei viel zu flott gefahren, mit Tempo 75. Er aber war sich völlig sicher, dass er nur die erlaubten 50 fuhr. Es kam zur Gerichtsverhandlung, und am Ende zahlte er mit knirschenden Zähnen die 60 Euro Strafe, verbunden mit einem Punkt in der Verkehrssünderkartei.

Röhrl empfand diese Verhandlung als eine tiefe Ungerechtigkeit. Oft wacht er mitten in der Nacht auf, weil ihn mal wieder diese leidige Geschichte aus dem Schlaf reißt.

70 Prozent Steuern

Zu schaffen macht ihm auch der Umstand, dass er nun schon seit 25 Jahren als Gewerbesteuerpflichtiger eingestuft ist. ¸¸Ich zahle", sagt Röhrl, ¸¸um die 70 Prozent Steuern!" Trotzdem will er auf keinen Fall auswandern: ¸¸Ein Fiebertraum" sei für ihn die Vorstellung, es anderen Besserverdienern gleichzutun, die sich in diversen Steuerparadiesen niedergelassen haben. So ist er also dort geblieben, wo er sich daheim fühlt.

Das hat aber nichts daran geändert, dass ¸¸ich immer damit kämpfe, zufrieden zu sein". In ¸¸keiner Weise", sagt er, ¸¸bin ich stolz auf das, was ich im Sport geschafft habe. Stolz bin ich auf meinen Charakter - dass ich die Wahrheit sage, dass ich ein gerader Mensch bin." Die Anerkennung, die er selber sich nicht gönnt, bringen andere ihm entgegen - bis heute: Rennsport-Kollegen, enge Freunde, seine ehemaligen Beifahrer, Techniker und Teamchefs.

Tangentialer Abflug

Und auch als der Motorjournalist Frank Lewerenz ein Buch schrieb, in dem es um das sichere und rücksichtsvolle Fahren mit schnellen Autos geht, suchte er sich als Tippgeber Walter Röhrl. Der erklärt in dem Werk (¸¸Sportlich und sicher Auto fahren mit Walter Röhrl") nun beispielsweise, was eine ¸¸dynamische Achslastverschiebung" ist und welche widrigen Umstände zum ¸¸tangentialen Abflug" führen.

In bescheidenen Verhältnissen ist Röhrl am Volant in Regensburg aufgewachsen. Der Vater war Steinmetz, die Mutter betrieb einen kleinen Milch- und Käseladen. Der junge Walter absolvierte die Realschule, engagierte sich bei den katholischen Pfadfindern und ministrierte dem Pfarrer, der ihn später empfahl, als das bischöfliche Ordinariat für den Verwalter kirchlicher Liegenschaften einen Assistenten und Fahrer suchte. Fortan chauffierte Walter Röhrl seinen Chef so um die 120.000 Kilometer pro Jahr durch Bayern, wobei es ihm schon damals ein rechter Spaß war, beim Kurvenfahren die ideale Linie zu treffen.

Wilder 68er

Herbert Marecek, ein guter Freund und Autonarr, überredete Walter Röhrl, doch mal bei einer Rallye mitzufahren. Das war 1968. Trotz einiger Pannen war schnell klar, dass der junge Regensburger das Zeug zum Aufstieg in die Oberliga des Rallyesports hatte.

Den ersten Fahrervertrag schloss er 1971 mit Ford, für 250 Mark Jahresgage. In einem aufgemotzten Capri fuhr er allen davon, elf Rallyes bestritt er in diesem Jahr. Und beinahe hätte er alles drangegeben, weil seine Mutter fürchtete, er werde irgendwann nicht mehr heimkommen, so wie der zehn Jahre ältere Bruder, der bei einem Autounfall ums Leben gekommen war.

Röhrl blieb aber im Rallyesport - und wurde berühmt: Er fuhr für Ford, Fiat, Audi und Lancia auf allen wichtigen Rallyes, wurde zweimal Weltmeister, Europameister, doppelter Markenweltmeister und Langstrecken-Weltmeister.

Verschenkte Trophäen

Viermal gewann er die Rallye Monte Carlo, zweimal die Akropolis-Rallye, einmal das berühmte Pikes-Peak-Rennen in den Rocky Mountains und einmal die Rallye an der Elfenbeinküste. Eine italienische Autosport-Zeitschrift wählte ihn zum ¸¸Besten von allen" - den Silberteller zu dieser Auszeichnung hat er noch immer, wie auch ein paar Pokale. Die restlichen fast 1000 Trophäen, die er mit seinen Siegen und Platzierungen gewann, hat er alle verschenkt.

Nach zwei schweren Unfällen, die er leicht verletzt überstand, gab er vor 17 Jahren das professionelle Rallyefahren auf, und nach einem Ausflug in die Rennfahrerei auf hoch gezüchteten Tourenwagen verabschiedete er sich 1993 aus dem Profilager - und irgendwie auch wieder nicht. Als Repräsentant und Testfahrer für Porsche ist er die meiste Zeit des Jahres unterwegs.

Legendäre Sparsamkeit

Legendär ist Walter Röhrl übrigens nicht nur wegen seiner Fahrkünste, sondern auch wegen seiner Sparsamkeit: Privat fährt er einen kleinen Skoda-Kombi, und er schwört, dass er ¸¸mit 50 Euro im Monat" auskommt. Glücklicherweise sorgt seine Frau Monika, die in Regensburg einen Betrieb für Karosseriebau leitet, für alles Nötige im Haushalt.

Ein überaus freundlicher, aufgeschlossener, nichtrauchender Asket ist Walter Röhrl, der auf der Autobahn auch im Porsche möglichst nur 160 fährt, drängelnden Rasern umgehend Platz macht und vom Oktoberfest überhaupt nichts hält, weil da alles so teuer ist: ¸¸Sieben Euro für eine Maß Bier! Da verderscht i lieber!"

© Süddeutsche Zeitung, 28. 9. 2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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