Porsche 928 GTS:Ein Sportwagen erlebt den dritten Frühling

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Mit konsequenter Modellpflege versucht Porsche, stürmische Zeiten zu überstehen

(SZ vom 28.03.1992) Wenn ein Fußballclub - Anhänger des altehrwürdigen Hauses Porsche mögen diesen Vergleich verzeihen - nicht mehr so gut spielt, wie dies seine Fans erwarten, muß häufig ein neuer Trainer her, und es werden neue Spieler eingekauft, wenn es die Finanzlage des Clubs erlaubt. Manchmal zeigt der Wechsel Wirkung, manchmal wird einfach im alten Trott weitergespielt.

Ob Porsche-Chef Arno Bohn auch künftig die Geschicke der Zuffenhausener Sportwagenschmiede lenken wird oder nicht, wer für technische Neuentwicklungen zuständig sein soll - darüber hat die Gerüchteküche kräftig gebrodelt. Auf der anderen Seite zeichnet eine nahezu einmalige Konstanz in der Modellpalette das Haus Porsche aus: Der 911, der schon längst ein Klassiker geworden ist, bleibt aber auch im dreißigsten Produktionsjahr mit Abstand der am meisten verkaufte Porsche. Da macht der 928, der seit 1977 auf dem Markt ist, beinahe noch den Eindruck eines Jünglings: Auch nach der jüngsten Überarbeitung ist der 928 GTS, wie er nun heißt, sofort als Porsche identifizierbar. Nur Insider werden die Modifikationen gegenüber den bisherigen Varianten 928 GT und 928 S4 kennen: neu gestaltete Außenspiegel, breiter ausgestellte Radkästen, unter denen nun 17-Zoll-Räder Platz finden, und ein durchgehendes Reflektorband zwischen den Heckleuchten.

Von der Motorisierung her gesehen, erlebt der 928 GTS seinen dritten Frühling: Der Hubraum wurde um 400 ccm auf stattliche 5,4 Liter vergößert, dadurch wuchs die Höchstleistung des V8-Triebwerks, das aus Leichtmetall gefertigt wird und über Vierventil-Technik verfügt, auf 257 kW (350 PS) an. Das maximale Drehmoment stieg von 430 Nm auf 500 Nm bei 4250/min, wobei mehr als 400 Nm bereits ab 1000/min, also knapp oberhalb der Leerlaufgrenze, zur Verfügung stehen.

In der Praxis ermöglicht diese Auslegung des Aggregats ein nervenschonendes Dahingleiten mit niedrigen Drehzahlen. Wer so fährt, gönnt seinen Ohren eine Ruhepause, da der Geräuschpegel mit steigenden Drehzahlen doch erheblich anschwillt. 'Ein geräuschloser Motorlauf war nicht Bestandteil des Lastenheftes', heißt es in den Presseunterlagen lakonisch. Wer einen Porsche fährt, will ihn wohl ab und zu auch hören. Ein niedriges Drehzahlniveau kommt auch dem Benzinverbrauch zugute, den Porsche im Drittelmix mit 14,2 Litern auf 100 Kilomter beziffert. Allerdings beträgt der Verbrauch nach dem EG-Stadtzyklus 20,7 Liter - ein rekordverdächtiger Wert für ein Automobil aus deutscher Produktion.Natürlich hängt der Benzinverbrauch auch entscheidend von der Sensitivität des Gasfußes ab - und von der Souveränität des Fahrers. Denn man ist im 928 GTS häufig schneller unterwegs, als man dies eigentlich sein will. Die mühelose Kraftentfaltung des Motors reicht nämlich bis weit in die Bereiche oberhalb der Richtgeschwindigkeit, deren Einhaltung auf deutschen Autobahnen nun noch mehr anzuraten ist, hinein.

Theoretisch ermöglicht der 928 GTS einen Beschleunigungsvorgang, bei dem nach 5,7 Sekunden 100 km/h und nach 13,8 Sekunden 200 km/h erreicht sind. Die Höchstgeschwindigkeit von 275 km/h sollte nur auf abgesperrten Rennpisten gestreift werden. Diesem mächtigen Vortrieb stehen Verzögerungswerte entgegen, die Spitzenniveau erreichen: Um von 100 km/h auf den Stand abzubremsen, vergehen 2,8 Sekunden, um von 200 km/h auf Null abzubremsen, braucht der 928 GTS 5,3 Sekunden.

Vor allem die Beschleunigungswerte liegen jenseits des Fahr- und Reaktionsvermögens eines Durchschnittsfahrers und sind bei den Gegebenheiten auf deutschen Straßen und Autobahnen wohl kaum angebracht. Die Faszination des 928 liegt in dem Wissen, über ungeheure Kraftreserven zu verfügen, sie aber in weiser Selbstbeschränkung nicht auszureizen. Denn der Spaß am Autofahren muß nicht mit der Einhaltung der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h enden - im Gegenteil. Nur wenige Automobile beherrschen wie der 928 GTS die Kunst des mühelosen Gleitens. Da spielt es keine Rolle, daß der 928 behäbiger und schwerfälliger wirkt als die 'Heckschleuder' 911.

Das Fahrwerk ist der aufgestockten Motorleistung und dem verbesserten Durchzugsvermögen angepaßt - es ist sportlich, oder besser gesagt, hart ausgelegt. Bodenunebenheiten werden gnadenlos an die Wirbelsäulen der Passagiere weitergeleitet. Für bessere Traktion auf schlüpfrigem Untergrund, aber auch für eine leichtere Handhabung des 1620 Kilogramm schweren Wagens sorgt ein Sperrdifferential, das einen Wirkungsgrad von null bis 100 Prozent hat und im Extremfall für eine starre Verbindung der beiden angetriebenen Hinterräder sorgt. Das Sperrdifferential ist auch bei Kurvenfahrten vorteilhaft, da es die Übersteuerungstendenz des 928 bändigt.

Der 928 ist als 2+2-Sitzer konzipiert - nur Kindern ist der Transport auf den beiden hinteren Einzelsitzen, die von einem mächtigen Mitteltunnel getrennt werden, zuzumuten. Der Fahrer kann sich in Ledersitzen wohlfühlen, die ausreichenden Seitenhalt bieten. Auch für anderweitigen Komfort, den besonders Langstreckenfahrer schätzen, ist gesorgt. Eine Klimanlage ist an Bord, der in Deutschland häufig unterschätzte Tempomat gehört ebenso wie elektrische Heinzelmännchen für Sitz- und Spiegelverstellung zur serienmäßigen Ausstattung. Ohne extra dafür bezahlen zu müssen, kann auch ein Automatikgetriebe gewählt werden. Die Aufpreisliste ist kurz: Wer will, gönnt sich ein Schiebedach, ein Radio oder einen CD-Player.

Zwei Airbags serienmäßig

Auf dem neusten Stand der Technik ist der 928, was Sicherheitsaspekte betrifft: Zwei Airbags (für den Fahrer und für den Beifahrer) sind ebenso serienmäßig wie Versteifungen in den Türen gegen einen eventuellen Seitenaufprall. Der Luftdruck der vier Reifen wird von einem Kontrollsystem überwacht, das den Fahrer alarmiert, wenn der Druck um 0,2 bar vom Sollwert abweicht. Der Bordcomputer beherrscht nicht nur dies: Er kann auch einen fehlerhaften Öldruck auf Italienisch oder Japanisch anzeigen.

Das Interieur zeigt, daß der 928 doch nicht mehr taufrisch ist: Die Instrumententafel ragt klobig aus dem Armaturenbrett heraus, die großen Drehschalter sind zwar griffgünstig, aber vom Design her etwas hausbacken.

Im Gegensatz dazu ist die Karosserie des GTS ganz auf der Höhe der Zeit: langgestreckte Schnauze, rundliche Linien und der wohl unvermeidliche Heckspoiler, auf dem bei Bedarf und unter Inkaufnahme von Lackschäden mühelos Hemden gebügelt werden könnten.

Zehn 928 werden täglich gebaut, jährlich sollen 1500 bis 2000 Einheiten, davon etwa 700 in Deutschland, abgesetzt werden. Ein ehrgeiziges Ziel, denn in seinem besten Jahr fand der 928 rund 5000 Käufer. Doch inzwischen sind die Verkaufszahlen von Porsche dramatisch abgesackt: Von einstmals beinahe 50 000 auf 26 000 Fahrzeuge im vergangenen Geschäftsjahr - im laufenden wäre Porsche schon zufrieden, wenn 21 000 Fahrzeuge der Modellreihen 968, 911 und 928 verkauft werden könnten.

Da darf keine Anstrengung vermieden werden, um die Klientel zufriedenzustellen. Dazu gehört auch der Trend zur Individualisierung der Fahrzeuge: Wem ein Porsche noch nicht nobel genug ist, der kann sich seinen Sportwagen über das 'Exklusiv-Programm' weiter verfeinern: Man kann seine Lieblingskrawatte einschicken und bekommt eine Wagenlackierung in dem gewünschten Farbton - zur Kontrolle wird dem Kunden ein Blechteil ins Haus geschickt, bevor das Fahrzeug lackiert wird. Auch die Lederausstattung kann auf die Garderobe der geschätzten Frau abgestimmt werden, bis hin zu Details wie mit Leder überzogenen Knöpfen der Sitzverstellung und lederummantelten Lautsprechergehäusen.

Um sich vom Gros der Porsche-Fahrer abzuheben, muß solcher Luxus sein, denn ein bißchen echtes Gold hat schließlich schon jeder normale 928 GTS im Firmenwappen auf der Schnauze. Mit so etwas kann die geschätzte Konkurrenz wie der Mercedes-Roadster 500 SL und der BMW 850i nicht aufwarten. Letzterer verfügt dafür über vier Zylinder mehr. Jeder soll eben nach seiner Fasson selig werden.

Von Otto Fritscher

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