Pikes Peak:Wenn der Berg ruft

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156 Kurven zwischen scharfem Fels und Abgrund: Beim Pikes Peak International Hill Climb kam es zum Showdown zwischen der BMW HP2 Megamoto und einem 22 Jahre alten Eigenbau.

Ulf Böhringer

Mit infernalischem Gekreisch schraubt sich ein Suzuki-Prototyp die 156 Kurven den Berg hinauf. Im Vorbeifliegen des rotsilbernen, 940 PS starken Autos meinen viele der etwa 15.000 Zuschauer, eine "9" auf der Stirn des Fahrers sehen zu können. Denn Nobuhiro Tajima, ob seiner Fahrweise Monster genannt, hat am Pikes Peak einen neuen Streckenrekord im Visier: Er will als Erster unter der magischen Zehn-Minuten-Grenze bleiben. Im Ziel, 4300 Meter hoch auf dem Gipfel des Pikes Peak, dann Ernüchterung: Zwar gelingt es Tajima, den bisherigen Rekord um rund drei Sekunden zu unterbieten, doch mit 10:01,4 Minuten fehlen ihm 1,5 Sekunden.

Der Pikes Peak International Hill Climb, wie das Rennen an einem der höchsten Berge Colorados heißt, ist Institution und Volksfest zugleich; 1916 wurde es erstmals ausgetragen, um die kühne Straße auf den Pikes Peak bekannt zu machen. In diesem Jahr nun wurde das spektakuläre Rennen zum 85. Mal gestartet, und das Publikum pilgerte - mit Kühlbox, Grill, Decken, Ferngläsern und Sauerstoffflaschen - noch in stockdunkler Nacht die zweispurige Straße hinauf, um einen Logenplatz zu finden.

Zu denen, die am Pikes Peak Geschichte schrieben, gehört auch der zweimalige Rallye-Weltmeister Walter Röhrl, der vor 20 Jahren mit einem 600 PS starken Audi Sport Quattro S1 Bestzeit fuhr; er brauchte für die knapp 21 Kilometer lange Strecke mit damals noch verschwindend geringem Asphalt-Anteil 10:47 Minuten. Röhrls Rekord hielt nur zwölf Monate, der Quattro-Ruf aber ging um die Welt.

Verhaltener Optimismus vor dem Showdown

In diesem Jahr nun wollte BMW ein Zeichen setzen - die Münchner stellten die neue HP2 Megamoto an den Start. Und die drei Trainings, in der Woche vor dem Rennen jeweils von Sonnenaufgang um 5.30 bis 8.30 Uhr angesetzt, sorgten im BMW-Team für verhaltenen Optimismus.

Man war ganz vorne dabei - drei der fünf Megamotos wurden von den Schnellsten des vergangenen Jahres pilotiert. Während die am Pikes Peak schon oft erfolgreichen Tracy-Brüder "einfach mal BMW fahren wollten" und deshalb weder Gage noch Vertrag bekamen, wurde Micky Dymond von BMW eingekauft; sicher ist schließlich sicher.

Ebenfalls im Team: Casey Yarrow, der im Vorjahr auf einer BMW HP2 Sportenduro beim ersten Pikes-Peak-Einsatz der Münchner die insgesamt fünftbeste Zeit erreicht hatte und Markus Barth - ein Ass auf der Rundstrecke mit Motocross-Erfahrung.

Doch da gab es den kaum 1,60 Meter kleinen Davey Durelle, der seit mehr als 15 Jahren am Pikes Peak antritt und bereits zehn Klassensiege erkämpfte. Dieses Jahr hoffte er darauf, dass Lowtech made in Colorado Hightech made in Germany schlagen könnte. Dazu holte er sein 22 Jahre altes Erfolgsbike wieder aus jener Ecke seines Anwesens, in das er es vor sieben Jahren gestellt hatte.

Für seinen wiederbelebten Oldie-Racer hatte Davey 1985 das Fahrgestell selbst gebaut, einen 614 Kubikzentimeter großen, etwa 65 PS leistenden Einzylindermotor von Bombardier-Rotax eingehängt - knapp 110 Kilogramm bringt das Einzelstück auf die Waage. Macht samt Fahrer etwa 165 - rekordverdächtig wenig.

Eine Rechnung bleibt offen - für das nächste Rennen

Und er schaffte es. Gary Trachy verbesserte seine im Vorjahr aufgestellte Bestzeit zwar um winzige vier Zehntelsekunden. Aber Davey Durelle war auf seinem 22 Jahre alten Eigenbau vor allem in den nicht asphaltierten Abschnitten wahrnehmbar schneller als die dort ob ihres Gewichtes und der übermäßigen Kraft wegen nur schwer beherrschbaren Megamotos.

Durelle fuhr 11:41 Minuten, war wie auf Schienen um die vom nächtlichen Gewitter noch schmierigen Kurven gedriftet, während die BMW-Piloten hart arbeiten mussten, um die Megamotos auf Kurs zu halten und deren Kraft auch nur halbwegs auf den unebenen Boden zu bringen. Jetzt hofft Yarrow, dass BMW nächstes Jahr wiederkommt und hat bereits ein Signal aus München: "Da ist noch eine Rechnung über fünf Sekunden offen", hieß es beim abendlichen Enttäuschungsbier.

© SZ vom 28.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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