Peugeot Prototypen Touareg / Asphalte:Elektrisiert durch Wald und Feld

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Doch auch für den ganz normalen 406 gibt es Neuigkeiten: ein Automatikgetriebe für den V6

(SZ vom 05.07.1997) Sich einmal so richtig nach Herzenslust austoben zu können, losgelöst von den Vorgaben der Techniker, Verbrauchsminimierer, Sparapostel und Marketingstrategen, und ein Produkt zu entwerfen, wie es noch nie eines gegeben hat - das ist wohl der große Traum eines jeden Designers. Nur lassen sich solche Kreativitätsschübe nur selten verwirklichen, zumal in der Automobilbranche, wo es nicht nur darauf ankommt, ein die Sinne ansprechendes Produkt zu entwerfen, sondern auch ein Stück Technik, das tatsächlich funktioniert, auf die Räder zu stellen. Aber manchmal werden sie losgelassen, die Kreativitätspotentiale der Zeichner, Techniker und Ingenieure, und zwar regelmäßig dann, wenn die großen, internationalen Autosalons nahen.

Als Protoypen, Unikate oder Studien bezeichnet, schmücken dann grelle und schrille Gefährte die Stände und ziehen das Publikum und die Kameras in ihren Bann. Doch wenn der Vorhang fällt, verschwinden sie in den Depots und Lagern, oder sie werden, wenn es das Schicksal gut mit ihnen meint, zu Museumsstücken. Nur selten werden Prototypen hingegen in die reale Welt entlassen, was im Falle von Autos heißt, auf die Straßen dieser Erde geschickt zu werden.

Schallschutz auf der roten Liste

Noch seltener ist es der Fall, daß normalsterbliche Autofahrer die Gelegenheit erhalten, mit solchen Ausbünden an Individualität durch die Gegend zu kutschieren. Peugeot hatte den Mut, öffnete die Türen der Depots und stellte zwei Prototypen hin, die auf dem Pariser Automobilsalon 1996 Debüt gefeiert hatten und dann nochmals auf dem Genfer Salon im vergangenen Frühjahr gezeigt worden waren: den Touareg, einen martialisch aussehenden Minimal-Geländewagen mit Elektroantrieb, und den Asphalte, einen aerodynamisch gestylten Pfeil mit zwei harten Plastikschalen als Sitze und einem Motor, bei dem das Wort Schallschutz auf der roten Liste steht.

Mit seinen breitgeschwungenen Kotflügeln steht der Touareg da wie eine aufgeblasene Ameise, die zum Angriff ansetzt. Wer sich ihm respektvoll nähert, vermutet am ehesten einen kernigen Dieselmotor unter der Haube, wie es sich für ein allradgetriebenes Fahrzeug geziemt. Doch bevor der Motor gestartet werden kann, heißt es, seine Klettertauglichkeit unter Beweis zu stellen. Türöffner sucht man ebenso vergebens wie Türen - stattdessen gibt es auf beiden Seiten Rohrkonstruktionen, die als Trittschwellen dienen, wenn man sich in die harten Sitze zwängt. Nach dem Drehen des Zündschlüssels läßt sich kein Motorengeräusch vernehmen - der Touareg setzt sich dank seines Elektromotors lautlos in Bewegung. Da die Kraft an alle vier Räder abgegeben wird, fängt der Spaß mit diesem Prototyp erst da an, wo andere Automobile aufgeben müssen: am Straßenrand. Mühelos klettert dieser Spezial-Peugeot Steigungen bis zu 50 Prozent hinauf, Schlaglöcher auf Waldwegen oder auch Wurzeln und Hügel sind für den Abkömmling dieses kriegerischen Nomadenvolks das richtige Nachmittagsvergnügen.

Die 35,5 kW Höchstleistung des E-Motors reichen für eine Höchstgeschwindigkeit von 114 km/h, doch auf Asphalt würde sich der Touareg nicht wohlfühlen - dafür ist sein gleichnamiger Bruder zuständig. Wie den Asphalte stellen sich die Peugeot-Stylisten den Roadster von morgen vor: aggressiv, minimalistisch, eben Spaß pur.

Der Asphalte zeigt seine Individualität schon an der ungewöhnlichen Form: Die Vorderfront ist nahezu doppelt so breit wie das Heck. Deshalb ist auch die Spurweite der Hinterachse zusammengeschrumpft. Bei den Türen haben die Designer auf das Konzept des Touareg zurückgegriffen, das auch den Kostensparern gefallen könnte - und die Einstiegshilfen einfach weggelassen.

Genauso wie die Geräuschdämmung, denn der 1,6-Liter-Vierzylindermotor, der für den Vortrieb bis auf 200 km/h sorgt, läßt sich mit äußerst kernigen Geräuschen vernehmen. Eine Referenz an die Roadster aus der guten, alten Zeit soll die Mini-Windschutzscheibe sein, die bei Großgewachsenen die gleiche Wirkung zeigt, die ein Zelt als Schutz vor dem Wirbelsturm bietet. Auf einen herkömmlichen Schaltknüppel müssen die Roadster-Fans von morgen auch verzichten, wenn es nach Peugeot geht: Ein Dreigang-Automatikgetriebe ist für die Kraftübertragung zuständig.

Der Vorwärtsdrang der nur 580 Kilogramm schweren Fahrmaschine erscheint beeindruckender, als dies die Zahlen auf dem Papier vermuten lassen: Sie nennen 9,5 Sekunden für den Standardspurt von Null auf 100 km/h, aber ungestüm schiebt sich der Asphalte auf der Landstraße vorwärts. Das Fahrwerk als komfortabel zu bezeichnen, hieße, einen Lkw als Großraumlimousine zu titulieren. Die Karbonkarosserie wiegt zwar nur 50 Kilogramm, die Verwindungssteifigkeit ist allerdings sehr wenig ausgeprägt. Und in den Kofferraum passen immerhin zwei Schutzhelme und einige kleinere Utensilien wie Sonnenbrillen hinein. Aber wer würde beim Asphalte das Mäkeln wagen?

Aus Eins mach Zwei

Bleibt nur eine Frage offen? Sind der Asphalte und der Touareg wirklich Unikate? Hinter vorgehaltener Hand war zu hören, die Ausstellungsstücke auf den Salons seien gar nicht fahrtüchtig gewesen. Und so hätten sie halt dann doch noch richtige Doppelgänger bekommen. Und der Touareg hat immerhin 515 Kilometer auf dem Buckel, wie das digitale Display ausweist.

Übrigens gibt es von Peugeot auch noch Normales zu vermelden: So ist die V6-Variante des 406 jetzt auch in Verbindung mit einem elektronisch geregelten Vierstufen-Automatik-Getriebe zu haben. Der Motor, der 140 kW (191 PS) leistet, ist schon aus dem 406 bekannt. Das Automatikgetriebe wurde schon bei der 2,0-Liter-Variante angeboten, kostet einen Aufpreis von knapp 2500 Mark und ist sowohl für die V6-Limousine als auch für den Break erhältlich.

Wir haben natürlich auch die neue Version des 406 ausprobiert - und kamen zu dem Ergebnis, daß sogar das Fahren in einem normalen Automobil Spaß machen kann. Wenn natürlich auch nicht ganz so viel wie im Asphalte oder Touareg.

Von Otto Fritscher

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