Neues Sprinter-Modell:Aller Laster Anfang

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Transporter wie der Mercedes Sprinter kämpfen um ihren Ruf, denn kein anderer Fahrzeugtyp hat ein ähnlich hohes Unfallrisiko. Nun will der Hersteller gegensteuern.

Joachim Becker

Wer ist eigentlich König der Straße? Ein rollendes Landschloss wie der Range Rover oder eine Trutzburg wie der neue Mercedes GL? Solche XXL-Geländewagen beeindrucken vielleicht Kleinwagenfahrer, aber ein Mercedes Sprinter begegnet dem automobilen Oberhaus lässig auf Augenhöhe. Nicht nur wegen der erhabenen Sitzposition und des bildfüllenden Formats. Der gar nicht kleine Kleintransporter kann sich auch beim Leistungsgewicht sehen lassen.

Eine andere Variante des Sprinters: Auf der Caravan-Messe in Düsseldorf wurde ein Campingmodell präsentiert. (Foto: Foto: dpa)

Luxus-Geländewagen schleppen mehr als zwei Tonnen Wohlstandsspeck mit sich herum. Ein durchtrainierter Sprinter wiegt unbeladen weniger und er bringt bis zu 182 Diesel-PS auf die Straße. Mit Turbolader, Common-Rail und modernster Piezo-Einspritzung macht er seinem Namen alle Ehre. Die flotte, Pkw-ähnliche Fahrweise ist Grund für den Erfolg - und das größte Problem.

Sehr hohes Unfallrisiko

Vor zwei Jahren wären die rasenden Kisten beinahe per Gesetz eingebremst worden. "Kleinlaster sind Zeitbomben", erklärte der damalige Leiter des Münchner Instituts für Fahrzeugsicherheit, Johann Gwehenberger, "keine andere Fahrzeugart hat ein gleichermaßen hohes Unfallrisiko." Alarmierend sei die steigende Zahl von Autobahnunfällen, bei jedem fünften läge die Geschwindigkeit jenseits von 130 km/h.

Die schlimmsten Unfälle geschehen, wenn übermotorisierte Kleintransporter bei hohem Tempo scharf bremsen müssen. "Die kinetische Energie eines beladenen 3,5-Tonners bei 120 km/h ist doppelt so hoch wie die eines Pkw und höher als die eines 7,5-Tonnen-Lkw bei 80 km/h", erklärte der Experte.

Beim Bremsen verrutsche die vielfach schlecht oder gar nicht gesicherte Ladung, ungeübte Fahrer verlören leicht die Kontrolle und verursachten häufig Unfälle mit gravierenden Folgen. Laut einer Dekra-Studie wurde die Hälfte der Fahrer bei den untersuchten Zusammenstößen schwer oder tödlich verletzt.

Beliebt bei Kurierdiensten

Ein Sprinter älteren Baujahrs (Foto: Foto: dpa)

Transporterfahren ist oft ein schlecht bezahlter Aushilfsjob. Wer für Kurier-, Paket- und Expressdienste gegen die Uhr fährt, braucht keinen Lkw-Führerschein. Mit der Pkw-Zulassung bis 3,5 Tonnen Gesamtgewicht entfallen auch Ruhezeiten und das Sonntagsfahrverbot für Lkw-Fahrer. Das macht die schnellen Kleinlaster für Spediteure attraktiv: 1,8 Millionen der Lademeister sind in Deutschland unterwegs.

Und Tempo ist oft das Einzige, was zählt. Deshalb wird die Ladung kaum gesichert, bei Überladung gerät die Fahrzeugphysik schnell an ihre Grenzen. "Bei einer Vollbremsung kriegst du die Karre nicht zum Stehen. Da hast du Schweißperlen auf der Stirn. Du ziehst am Lenkrad und es bringt trotzdem nichts", hat ein Expressfahrer zu Protokoll gegeben, den die Polizei mit 160 km/h in einer Autobahnbaustelle geblitzt hatte.

Paketzusteller, die dauernd ein- und aussteigen, sind kaum besser gesichert als ihre Ladung: Unfallanalysen ergaben, dass nur 23 Prozent der Fahrer angeschnallt waren. Ein weiterer Grund für die gravierenden Unfallfolgen ist die Bauweise der Fahrzeuge: "Bei manchen Transportern beginnt die Knautschzone am Knie des Fahrers", sagt Rainer Hillgärtner, Sprecher des Auto Club Europa (ACE).

Mercedes hat bereits die erste Sprinter-Generation gegen die Billig-Transporter positioniert: Crashzonen, Scheibenbremsen rundum und ein Antiblockiersystem waren schon zum Modellstart 1995 Serie, seit 2003 gehört ESP ebenfalls zur Grundausstattung.

Viele Sicherheits-Features beim neuen Modell

Beim neuen Sprinter füllen die Sicherheits-Features ein Dutzend Seiten in der Pressemappe. Die Crash-Sicherheit liegt wie der Bremsweg auf dem Niveau von Mercedes-Pkw. Das elektronische Stabilitätsprogramm kann jetzt aus dem Anfahrverhalten auch die Beladung errechnen und die Bremseingriffe auf das jeweilige Gesamtgewicht abstimmen.

Mercedes hat nicht nur an das Fahrzeug, sondern auch an die Fahrer gedacht. Zu jedem neuen Sprinter gibt es ein kostenloses Sicherheitstraining. Bei den Praxisübungen wagt sich niemand so schnell an die Grenzen der Fahrphysik. "Vorsicht, Transporter!", warnt der Tempomat im eigenen Kopf. Nur langsam steigt das Tempo in nassen Kurven, der Bremsfuß wagt sich zögernd an die Vollbremsung auf unterschiedlich griffigen Straßenhälften.

Schließlich kann die Mercedes-Sicherheitselektronik doch noch zeigen, was sie drauf hat. "Unglaublich, den kann man gar nicht umwerfen", strahlt ein Tester nach bestandener Probefahrt. Ob der Super-Sprinter die Fahrer in ihrem Tempowahn noch bestärkt, bleibt abzuwarten.

© SZ vom 9. 9. 2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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