Mercedes-Benz SLK 200/SLK 230:Ein frischeres Image für die Zukunft

Lesezeit: 4 min

Der Zweisitzer ist eine gelungene Konstruktion zum akzeptablen Preis von 52 900 Mark

(SZ vom 17.07.1996) Die Konkurrenz aus München bemühte James Bond, Mercedes-Benz zog David vor - aber natürlich nicht irgendeinen, sondern die gleichnamige Skulptur von Michelangelo: Die Aura des großen Künstlers sollte wohl auf das neueste Werk der Stuttgarter abstrahlen, das im Museum der Kunstakademie in Florenz vorgestellt wurde. In der Tat besitzt der SLK, der neue kleine Roadster, auf Anhieb eine erstaunliche Anziehungskraft, der man sich nur schwer entwinden kann: Sowohl als Coupe als auch als Cabrio macht der SLK eine gute Erscheinung, ja er sieht sogar beinahe unverschämt gut aus. Und sein größter praktischer Vorteil ist es, daß er eigentlich zwei Autos in einer Karosserie bietet.

Diese Verwandlungsprozedur ermöglicht eine Konstruktion, die die Stuttgarter Variodach nennen. Per Knopfdruck löst man ein Schauspiel aus, das auf den Parkplätzen und Boulevards noch für Aufsehen sorgen wird: Das Stahldach läßt sich elektrohydraulisch im Kofferraum versenken, und dies dauert nur 25 Sekunden. Für Mercedes-Benz ist der SLK mehr als nur ein neuer Roadster, der technisch gesehen auf dem Chassis der C-Klasse basiert. MB-Chef Helmut Werner sieht in ihm einen Hoffnungsträger, der das Image des gesamten Unternehmens auffrischen soll: weg vom Bild der biederen, schweren Limousinen, die sich zwar exzellent verkaufen, hin zu einem jugendlichen, beinahe avantgardistischen Touch, der Mercedes auch für eine jüngere Klientel interessant machen soll. Denn wenn man sich die Pläne für die nächsten Jahre ansieht, stehen gewaltige Einschnitte in der Unternehmensphilosophie bevor: Mit der A-Klasse, die Ende 1997 an den Start gehen wird, und dem Smart (früher Swatch-Auto genannt), wagt sich die Marke mit dem Stern in für sie neue Märkte, die von jüngeren, aber finanzkräftigen Käufern dominiert werden.

Und das Konzept scheint aufzugehen: Die SLK-Besteller sind durchschnittlich mehr als zehn Jahre jünger als der bisherige MB-Käufer, der 53 Jahre alt ist. Allerdings altern die SLK-Interessenten von alleine, bis sie den Roadster in Empfang nehmen können: Die Auslieferung beginnt zwar im September, doch wer noch nicht bestellt hat, muß mindestens bis Ende nächsten Jahres, möglicherweise auch bis 1998 warten, bis er in den eigenen SLK steigen kann. Die Produktionskapazität im Bremer Werk ist auf 35 000 Autos pro Jahr ausgelegt, heuer werden noch 8000 vom Band laufen.

Die Voraussetzungen, zu einem Dauerbrenner zu werden, stehen für den SLK jedenfalls nicht schlecht. Sein Design dürfte auch in einigen Jahren noch nicht alt aussehen. Mit einer Länge von knapp vier Metern wirkt er kompakt, von hinten beinahe gedrungen, sitzt optisch "satt" auf der Straße und wirkt im vergleich zum Z3 eine halbe Nummer erwachsener. Bei ersten, kurzen Fahrten zeigte sich der SLK als ein Fahrzeug, das typische Roadster-Tugenden besitzt: Er ist agil, leichtfüßig und dennoch komfortabel, und der SLK schafft es spielend, seine vornehmste Aufgabe zu erfüllen: dem Fahrer oder der Fahrerin Fahrspaß zu bieten.

Zwei Motorisierungen stehen zur Auswahl - allerdings "nur" Vierzylinder-Motoren: ein 2,0-Liter mit 100 kW (136 PS) und ein 2,3-Liter mit 142 kW (193 PS), der von einem Kompressor beflügelt wird. Diese Art der mechanischen Aufladung bewirkt, daß schon bei sehr niedrigen Drehzahlen eine Durchzugskraft bereitsteht, wie man sie bisher nur von Sechszylinder-Aggregaten kennt. Dabei wird der Schub ohne das berüchtigte Turbo-Loch samtweich, aber kraftvoll aufgebaut. Das ermöglicht entweder eine sehr entspannte, schaltfaule Fahrweise oder einen betont sportiven Stil. Auf kurvigen Landstraße ist der SLK in seinem Element, denn auch das Fahrwerk spielt bestens mit. Es vermittelt den direkten Kontakt zur Fahrbahn, und auch die Lenkung gehört zu den besten, die wir bisher erlebt haben. Was man von der Schaltung nicht gerade behaupten kann: Sie wirkt - wie man es von Mercedes leider gewöhnt ist - knochig, bisweilen gar hakelig. Hier für die Statistik die Basisdaten: Der SLK 200 beschleunigt in 9,7 Sekunden von Null auf 100 km/h, der Vortrieb endet bei 208 km/h, und der Drittelmix beträgt 8,4 Liter Super bleifrei auf 100 Kilometer. Der 2,3-Liter, dessen Karosserie an der vorderen Flanke der Schriftzug Kompressor ziert, benötigt für den Spurt 7,6 Sekunden, bei 231 km/h erweist sich der Gegenwind stärker als der Motor, der im Drittel-Mix 8,1 Liter benötigt. Sechszylinder-Motoren sind vorerst nicht vorgesehen, um die Exklusivität der SL-Kundschaft nicht zu gefährden. Denn immerhin kommt nach den Prognosen auf zwei verkaufte SLK ein SL. Die beiden Roadster unterscheiden sich deutlich im Charakter: Der SL ist auf Komfort ausgelegt, während der Kleine ein eher fahrerorientiertes Auto ist.

So viel Licht - und kein Schatten? Zu den Schwächen des SLK gehört eindeutig die Schaltung. Aber auch das Kofferraum-Volumen ist mit 145 Liter bei geöffnetem Dach eindeutig zu klein ausgefallen: Das versenkte Stahldach erlaubt nur das Beladen mit kleinen Taschen. Als Coupé faßt das Abteil immerhin 348 Liter, was für beschränktes Urlaubsgepäck ausreicht. "Warum kein Roadster mit einem normalen Stoffverdeck?" mag man sich angesichts der eingeschränkten Beladekapazität fragen. Zum einen wäre dann der technische Clou des Variodachs hinfällig - und erst ein Stahldach ermöglicht jene schnellen Autobahnfahrten ohne dröhnende Windgeräusche, von denen Cabrio-Besitzer manchmal träumen. Als einen Stilbruch empfinden wir auch die Anzeige-Instrumente: nostalgisch mit Chrom eingefaßte Rundanzeigen mit verspielten Ziffern - und gleich daneben Teile im Carbonfaser-Hightech-Look.

Der SLK wird seinen Konstrukteuren, aber auch den Kaufleuten in Stuttgart noch viel Freude bereiten: Mit dem Einstandspreis von 52 900 Mark ist die Basisvariante für MB-Verhältnisse günstig positioniert. Der Kompressorzuschlag fällt allerdings happig aus: Er beträgt 8050 Mark, dafür sind vier Leichtmetallfelgen im Leistungszuschlag inbegriffen. Serienmäßig gehört schon zum 200 SLK das Reifendichtmittel Tirefit, da für ein Reserverad kein Platz mehr war. Zu den technischen beider Varianten gehört ein System, das automatisch erkennt, ob auf dem Beifahrersitz ein Kindersitz angebracht ist: In diesem Fall wird der Beifahrer-Airbag abgeschaltet. Seiten-Airbags stehen für 750 Mark in der Aufpreisliste, Metallic-Lack kostet 1100 Mark mehr, die empfehlenswerte Klimaanlage knapp 3000 Mark. Wem dies noch nicht genug ist, der kann für rund 8000 Mark Front- und Heckschürzen sowie Seitenschweller montieren lassen - das sogenannte "AMG-Styling-Paket". Dezentere Zeitgenossen sollten davon Abstand nehmen, wie auch der 2,0-Liter-Motor eine eindeutig ausreichende Motorisierung darstellt. Denn manchmal ist das einfachste das beste.

Von Otto Fritscher

© N/A - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: