Mercedes-Benz C 220 CDI:Mit nur noch einer langen Leitung

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Überraschenderweise offenbart der moderne Selbstzünder den Charakter eines Ottomotors

(SZ vom 19.11.1997) "Hundertschaften von Technikern" haben nach Aussage von Mercedes-Benz in den letzten Wochen fieberhaft an der Verbesserung des Fahrwerks für die A-Klasse gearbeitet. Doch es gibt im zur Zeit gebeutelten Daimler-Konzern auch noch Techniker, die einen anderen Fokus haben. So sind die Stuttgarter stolz darauf, als erstes Unternehmen eine Limousine mit einem neuartigen Dieselmotor auf den deutschen Markt zu bringen. Im Dezember rollt der C 220 CDI zu den Händlern, der von einem Selbstzünder mit Common-Rail-Direkteinspritzung angetrieben wird. Das Kürzel CDI prangt zuerst auf diesem Modell der C-Klasse, doch werden Common-Rail-Motoren Zug um Zug die vorhandenen Dieseltriebwerke ablösen, da sie diesen hinsichtlich Kraftstoffverbrauch, Geräuschentwicklung und Abgasemissionen deutlich überlegen sind.

CDI steht für Common Rail Direct Injection, also eine Direkteinspritzung mit sozusagen nur einer langen Leitung. Während bei konventionellen Motoren der Druck für jeden Einspritzvorgang immer wieder aufs neue erzeugt werden muß, wird er bei CDI-Motoren in einer gemeinsamen Leitung gespeichert und an die Einspritzdüsen verteilt. Bei diesem Einspritz- und Verbrennunsvorgang treten extrem hohe Druckwerte von bis zu 1350 bar auf, was von der Drehzahl und vom Lastbereich des Triebwerks abhängt. Der hohe Einspritzdruck läßt eine bessere Gemischaufbereitung in den Zylindern zu, was sich eben in niedrigeren Verbrauchs- und Emissionwerten niederschlägt.

Die Common-Rail-Technik bietet den Motorenentwicklern auch die Möglichkeit, mit Hilfe elektronischer Systeme den Einspritz- und Verbrennungsvorgang genauer zu steuern, als dies bisher möglich war. Bei Mercedes ersonnen die Ingenieure die sogenannte Piloteinspritzung: Dabei wird wenige Sekundenbruchteile vor der eigentlichen Einspritzung eine Piloteinspritzung vorgenommen. Weil sich der Kraftstoff dadurch schneller entzündet, steigen die Geräuschemissionen nicht so schnell an.

So weit die Theorie, doch wie fährt sich dieser CDI im Alltagsverkehr? Überraschenderweise beinahe wie ein Ottomotor. Schon nach wenigen Kilometern wird klar, daß der Vierzylinder mit einem Hubraum von 2,2 Litern - zumindest subjektiv - die als typisch erachteten Eigenschaften eines Diesels verleugnet. Dies beginnt beim Nageln - den Zimmermann hat MB in den Vorruhestand geschickt, er läßt sich nur sehr selten, etwa im Leerlauf, leise vernehmen. Zweite Überraschung ist das Durchzugsvermögen des 92 kW (125 PS) starken Aggregats. Wer glaubt, es würde wie eine Bulle den Hügel hinaufstürmen, sieht sich getäuscht. Zwar wird - auf dem Papier - im Bereich zwischen 1800 und 2600/min ein Drehmoment von 300 Nm erreicht, aber erst bei rund 2500/min legt der CDI so zu, wie man es von einem Turbodiesel traditionell erwartet.

Durchschnittlich zwei Liter weniger

Im Vergleich zu den bislang als Maßstab geltenden Direkteinspritzern von Audi geht der CDI "unten herum" nicht so kräftig zur Sache, legt aber - ebenfalls eigentlich dieseluntypisch - bei höheren Drehzahlen noch einmal kräftig zu. Im Datenblatt stehen folgende Angaben: Höchstgeschwindigkeit 198 km/h, Beschleunigung von Null auf 100 km/h, und ein Kraftstoffverbrauch von durchschnittlich 6,1 Liter Diesel. Dies ließ sich in der Praxis noch nicht verifizieren, aber es sind zwei Liter weniger als bei leistunggleichen Dieseln der vorherigen Motorengeneration.

Der C 220 CDI wird sowohl in der Limousine als auch im T-Modell genannten Kombi angeboten. Der Fünftürer kostet 51 175 Mark, der Kombi 54 395 Mark. Klar ist jetzt schon, daß die CDI-Motoren in allen Baureihen eingesetzt werden, als nächstes in der E-Klasse, dann in der A-Klasse. Im Januar will Alfa Romeo als erster ausländischer Hersteller mit einem Common-Rail-Diesel im 156 nachziehen. Bis sich andere deutsche Hersteller mit dem zukunftsträchtigen Kürzel am Heck ihrer Modelle schmücken können, wird wohl noch einige Zeit vergehen. Zumindest bei Bosch können sich VW & Co. die nächsten zwölf Monate nicht bedienen, da Mercedes ein Abkommen mit dem Zulieferer abgeschlossen hat. Darin geht es um den Innovationsschutz - was im Klartext bedeutet, daß ein Jahr lang nur die Stuttgarter beliefert werden.

Von Otto Fritscher

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