Mercedes-Benz A-Klasse:Ganz klein - und doch ganz groß

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Mit der A-Klasse wird die Golf-Klasse neu definiert - und der Preis soll bei 30 000 Mark liegen

(SZ vom 11.12.1996) Ende der 80er Jahre muß die Stimmung beim ältesten Automobilhersteller der Welt ziemlich mies gewesen sein - interne Analysen hatten schonungslos aufgedeckt, daß die Marke mit dem Stern dabei war, eine Marke für das Altenheim zu werden: für jüngere Käufer unattraktiv, für mittelprächtig Verdienende zu teuer, für Trendsetter zu altbacken.

"In diesem Jahr werden weltweit rund 30 Millionen Fahrzeuge gebaut - mit unseren bisherigen Modellreihen können wir in diesem Marktsegment maximal drei Millionen Interessenten erreichen", sagt Jürgen Hubbert, Vorstands-Mitglied für den Pkw-Bereich der Mercedes-Benz AG. Für ihn hätte diese Schwäche im schlimmsten aller Fälle zum Bankrott des Unternehmens führen können: "Um überlebensfähig zu sein, muß sich Mercedes in neuen Marktsegmenten neue Kunden suchen, neue Marktanteile erobern".

Wie gesagt, es ist gerade sieben, acht Jahre her, daß sich die Stuttgarter in einer ziemlich dramatischen Entscheidung daran machten, neue Ufer zu erobern - und wieviel ist in dieser Zeit geschehen: Mit dem SLK wurden die Yuppies bedient, ein Geländewagenwerk wird von Sommer '97 an in den USA für die Produktion eines durchgestylten Off-Road-Gefährts sorgen - und mit der V-Klasse hat man einen Van geschaffen, dem zwar die Nutzfahrzeug-Vergangenheit in die Natur geschrieben ist - aber man hat ihn im Programm. Und nun noch die A-Klasse - ohne das in der Vollendung stehende Smart-Projekt zu vergessen.

Diese A-Klasse stellt - nach dem gigantischen Sprung ins kalte Wasser mit der C-Klasse (die damals von vielen Beobachtern leicht spöttisch als Baby-Benz tituliert wurde) - den wahrscheinlich entscheidenden Sprung in die untere Mittelklasse, und damit auch in eine rentable Zukunft, dar. Ein Marktsegment, in dem sich der Golf und seine vielen Epigonen tummeln - und in dem das über Jahrzehnte gepflegte Image von der elitären Überlegenheit und dem Wir können sowieso alles besser, weil wir die älteste Autofirma der Welt sind eher hinderlich ist.

"Als wir die Konzeption der A-Klasse definierten, war uns eines vor allem klar: Dieser Wagen durfte eben kein anderer Golf werden", Helmut Petri, der Technik-Vorstand des Hauses weiß um die vielen zermürbenden Gespräche, die letztlich zur A-Klasse führten, "wir wußten aber auch, daß es bei Mercedes-Benz zumindest ein Feature gibt, um das uns die ganze Welt beneidet: Unsere konsequente Arbeit an dem Thema Sicherheit. "

Und vielleicht ist dies der Ansatz, der dem unbedarften Betrachter der ersten Bilder die Optik erschließt - die A-Klasse ist nicht nur ein besonders kleines, sondern auch ein besonders sicheres Gefährt, das es - so die Überzeugung der Techniker - mit den exzellenten Crash-Werten der E-Klasse aufnehmen kann.

Dies war - bei einer Länge von knapp 3,60 Meter - nur mit einem technischen Trick möglich: Dem sogenannten Sandwich-Konzept, bei dem Motor, Getriebe, Achsen und Kraftstoffbehälter teils schräg, teils unterhalb der Fahrgastzelle angeordnet sind. So kann die Antriebseinheit bei einem Frontalaufprall an einer schrägen Stirnwand unter die erhöht liegende Fahrgastzelle gleiten - und von den Insassen ferngehalten werden.

Dieser Trick hat aber auch dazu geführt, daß die vier bis fünf Passagiere höher als normal sitzen - was dem Weitblick dient -, und der Wagenboden absolut eben ist, was die Lademöglichkeiten drastisch verbessert. Die Rücksitzbank (die im Verhältnis 1/3 zu 2/3 teilbar ist) kann um elf Zentimeter vor- und zurückgeschoben werden - damit läßt sich hinter der Bank auch ein Kinderwagen problemlos durch die riesige Heckklappe unterbringen. Außerdem können die Sitze einzeln herausgenommen werden - und damit wird bis zu 1700 Liter Ladevolumen geschaffen.

Die A-Klasse soll von September '97 an bei den Händlern stehen - und in den ersten sechs Monaten als A 140 mit einem 1,4-Liter-Vierzylinder mit 60 kW (82 PS) und als A 160 mit einem 1,6-Liter-Motor mit 75 kW (102 PS) angeboten werden. Im Frühjahr '98 kommen dann zwei Turbo-Diesel-Motoren mit Direkteinspritzung nach dem Common-Rail-Prinzip zum Einsatz - die Leistung: 44 kW (60 PS) und 66 kW (90 PS). Weiter in der Pipeline: ein sportliche 1,9-Liter-Variante mit rund 110 kW oder knapp 150 PS.

Für diese Motorenpalette prophezeit man Verbrauchswerte zwischen vier und sieben Litern Kraftstoff auf 100 Kilometer - "bei entsprechender Fahrweise", so die Techniker, "läßt sich der Diesel auch mit weniger als vier Litern fahren".

Die Grund-Ausstattung ist mehr als komplett: ABS, zwei Airbags, vier Gurtstraffer samt Gurtkraftbegrenzer, Drehzahlmesser, elektrische Fensterheber vorne und Servolenkung sind serienmäßig - und der Basispreis soll bei 30 000 Mark liegen. Nicht weniger als 180 000 Fahrzeuge plant man bereits 1998 zu verkaufen - letztlich sollen es jährlich 300 000 Exemplare werden. Dazu kommt noch ein A-Klasse-Werk in Brasilien - damit auch die Südamerikaner mit einem Mercedes die große Motorisierungswelle erleben dürfen. Die A-Klasse scheint ein ungewöhnliches Fahrzeug zu werden - die Konkurrenz darf etwas zittern.

Von Jürgen Lewandowski

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