Mercedes A-Klasse:Reifeprüfung mit Stern

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Der Kleine aus Stuttgart besinnt sich auf die Freuden der Pflicht, ein Mercedes zu sein. Und erreicht dies zum Beispiel mit Wachstum.

Von Jörg Reichle

Ein Auto ist gut, wenn es Erfolg hat. Punktum. Die A-Klasse von Mercedes ist also ein gutes Auto. 1,1 Millionen Mal verkaufte sich das etwas schüchtern auf den Rädern stehende Kompaktmodell, von dem nie so ganz klar war, ob es nun ein kleiner Van oder ein direkter Golf-Konkurrent sein wollte.

Der Fünftürer. Die aufsteigenden Seitenlinien und die markanten Radausschnitte machen den Neuen "dynamischer" als den Vorgänger. (Foto: Foto: DaimlerChrysler)

In einem waren sich die Kritiker nach seinem Verkaufsstart 1998 aber schnell einig: Der Kleinste war einfach kein richtiger Mercedes. Zu billig die Anmutung, zu hölzern der Komfort, zu staksig die Form. Und zu allem Überfluss: Kaum auf dem Markt, wurde die A-Klasse zum berühmtesten Elch-Opfer der Autogeschichte. Doch die Strahlkraft der Marke mit dem Stern war letztlich stärker als alle Kritik, das Auto verkaufte sich gut.

Hohe Ansprüche allenthalben

Auf derlei Sternenschein will man sich bei Mercedes nun nicht mehr verlassen. Dafür sind die Ansprüche der Kundschaft inzwischen zu sehr gewachsen - und außerdem hat die Konkurrenz bereits mächtig vorgelegt: der Einser von BMW, der A3 Sportback von Audi - selbst für die Premiummarken ist die Kompaktklasse zum Aufmarschgebiet geworden. Dazu kommen die traditionellen Bestseller VW Golf, Opel Astra und (im Herbst) Ford Focus, die in Sachen Anmutung, Komfort und Fahrdynamik ebenfalls hohe Ansprüche erfüllen.

Nicht leicht, da noch eine Lücke zu finden. Doch das Kunststück, man darf es vorwegnehmen, ist gelungen. Die zweite Generation der A-Klasse ist konzeptionell eine Art konsequenter Gegen-BMW geworden: Statt straff und eng anliegend wie der Einser, ist die A-Klasse ausgesprochen geräumig; statt mit Heckantrieb betont fahrdynamisch, gibt sich der Neue aus Stuttgart klassisch frontgetrieben und überdurchschnittlich komfortabel. Hinzu kommt die ausgefeilte Variabilität des Innenraums, die deutlich ins Van-Segment hinüberweist.

Passgenau und wertig

Das erste Kennenlernen zerstreut schon die größten Bedenken: Endlich lassen Materialien und Innenraumgestaltung keinen Zweifel mehr zu, dass hier einer den Stern zu Recht trägt. Unabhängig, um welche der drei bekannten Ausstattungslinien (Classic, Elegance, Avantgarde) es sich handelt - das Auto sitzt, passt und verbreitet wertige Zuversicht.

Anschauen ist gut, anfassen noch besser. Außerdem ist die Gestaltung der Armlehnen, Armaturen und der Mittelkonsole von einer fahrerbezogenen Aufgeräumtheit, wie man sie früher allenfalls bei BMW bewundern durfte. Vor allem aber sind A-Klasse-Skeptiker versucht, die umstrittene Golf-Werbung zu adaptieren. "Hat jetzt auch Sitze" müsste der Slogan dann heißen. Es gilt also künftig: Rückenschmerz, adieu.

Prägnant: A-Klasse-Heck (Foto: Foto: DaimlerChrysler)

Umbau vor Ausbau

Zu den messbaren Raumverhältnissen: Um 15 Zentimeter ist der Radstand gewachsen, in der Länge (3,83 Meter) überragt die neue A-Klasse ihren Vorgänger um 23 Zentimeter, und das Ladevolumen hat ebenfalls zugenommen - um etwa 15 Prozent auf jetzt 435 Liter. Das schafft Mittelklasse-Dimensionen für Kopf, Schultern, Ellenbogen und Knie - und für allerlei Stückgut wurde das Variabilitätskonzept des Vorgängers noch verfeinert.

"Umbau vor Ausbau" heißt die Devise, nachdem sich herausgestellt hat, dass die Besitzer der alten A-Klasse eher selten das Gestühl komplett entfernten. Mit wenigen Handgriffen lassen sich Sitzkissen und Rückenlehnen der Fondsitze umklappen und ein topfebener Ladeboden herstellen. Dann passen bis zu 1370 Liter hinein, und mit dem (aufpreispflichtigen) Easy-Vario-Plus-System schafft man sogar bis zu 1995 Liter - unter vorübergehendem Verzicht auf den Beifahrersitz beispielsweise.

Wer mit seinen inneren Werten so wenig geizt, darf ruhig selbstbewusst auftreten. Zwar ist auch die neue A-Klasse dem One-Box-Design treu geblieben und vielleicht gerade deshalb optisch noch immer kein wirkliches Statussymbol. Doch immerhin steht die zweite Generation mit kräftig modellierten Kotflügeln und den ansteigenden Linien weitaus bulliger auf den Rädern und wirkt - vor allem als Dreitürer - trotz der respektablen Gesamthöhe durchaus elegant.

Eleganz und Komfort

Und so fährt sie sich auch. Kein hechelnder Sportler, kein scharrender Jungspund - die A-Klasse schnurrt und gleitet, so komfortabel und schallreduziert, dass man sich in der Golfklasse die Augen reibt. Ein neuartiges selektives Dämpfersystem passt dabei die Stoßdämpferkräfte dem Bedarf an - weich bei normaler Fahrt, straff, wenn es eilt. Aber die kräftige Karosserieneigung und das im Grenzbereich gutmütige Untersteuern zügeln jeden Übermut ohnehin.

Sieben Motoralternativen gibt es für die A-Klasse - darunter drei neu entwickelte CDI-Direkteinspritzer und einen 193 PS starken Benziner mit Turboaufladung. Die Preise beginnen bei 18.520 Euro für den fünftürigen A150, die Dreitürer sind etwa 800 Euro billiger.

Alles in allem ist die A-Klasse jetzt ein richtig gutes Auto. Der Erfolg dürfte nicht ausbleiben.

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© Süddeutsche Zeitung, 14. Juli 2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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