Maserati 3200 GT / Quattroporte Evoluzione:Der Dreizack lebt

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Mit der Hilfe von Ferrari scheint sich eine der ältesten und edelsten Autofirmen wieder zu erholen

(SZ vom 24.12.1999) Natürlich freut es einen, wenn sich ein alter, lieber und vertrauter Freund wieder vom langen Krankenlager erhebt und sich mit frischer Energie an neue Aufgaben heranmacht. Maserati war über etliche Jahre hinweg ein solcher Krankenfall - dabei war die in den frühen 20er Jahren gegründete Firma über Jahrzehnte hinweg im Sportwagenbau das Maß der Dinge. Als sich Enzo Ferrari noch um den Werkseinsatz der Alfa-Romeo-Rennwagen kümmerte, gewann die Marke mit dem Dreizack bereits die 500 Meilen von Indianapolis - und 1957 holte sich der unvergessene Juan Manual Fangio mit einem Maserati 250 F seinen fünften und letzten Weltmeistertitel.

Das schlug sich auch in den Produktionsziffern nieder. So verkaufte Maserati in den späten 50er und den 60er Jahren deutlich mehr Straßenfahrzeuge als die Konkurrenz in Maranello. Selbst Henry Ford II. fuhr zum Leidwesen seiner Designer mit den schönen Worten "Damit Ihr lernt, wie ein echter Sportwagen auszusehen hat" einen Maserati Ghibli.

Doch die Zeiten änderten sich: Die erste Ölkrise beförderte das stolze Unternehmen in die Hände von Citroën - dabei war das Unternehmen selbst ein Übernahmekandidat. Der neue Besitzer Peugeot wollte bei dem damals 70 Jahre alten Unternehmen dann Bankrott anmelden - woraufhin der italienische Staat die Zwangsverwaltung übernahm, um das Unternehmen anschließend an Alejandro de Tomaso zu verkaufen, der das Unternehmen mit dem Biturbo rettete.

Fluch und Segen

Allerdings entpuppte sich der kleine Sechszylinder mit den beiden Turboladern gleichermaßen als Fluch und Segen - während die hohen Stückzahlen den Arbeitern wieder Geld bescherten, sorgten die nur wenig ausgereifte Technik sowie die (vorsichtig ausgedrückt) italienische Verarbeitungsqualität dafür, dass der legendäre Ruf der Maserati-Qualität langsam, aber sicher abnahm.

Doch nun scheint sich langsam alles zu ändern: Nachdem de Tomaso das Unternehmen in zwei Stufen an Fiat verkauft hatte - und Fiat das Unternehmen nun an Ferrari weiterreichte, scheint die Marke mit dem Dreizack wieder an alte Zeiten anknüpfen zu können. Dafür sorgen schon Luca di Montezemolo und das Geld aus Turin, mit dem der adelige Ferrari-Chef als erstes die aus den 30er Jahren stammenden Fabrikationshallen einer Sanierung unterzog. Dazu wurden auch die Sechs- und Achtzylindermotoren sowie der Karosseriebau auf die modernste Technik gebracht.

Rüdiger Czakert, der als Besitzer der Firma Auto-König über Jahrzehnte hinweg als deutscher Maserati-Importeur die Stärken und die Schwächen des Hauses verfolgen konnte, schwärmt denn auch davon, dass man "den qualitativen Fortschritt von Woche zu Woche verfolgen kann - im Gegensatz zu früheren Zeiten begegnen einem die Kunden heute wieder mit einem Lächeln im Gesicht".

Eine Geste, die man nachvollziehen kann, denn der Quattroporte Evoluzione und das neu geschaffene 3200 GT-Coupé sind in der Tat wieder zu den automobilen Preziosen gereift, für die Modeneser früher bekannt waren. Zwei Angebote sind derzeit im Programm - einerseits der von den Maserati- und Ferrari-Ingenieuren grundlegend überholte Quattroporte Evoluzione für den eiligen Familienvater, dessen 3,2-Liter-Achtzylinder mit 247 kW oder 336 PS für beachtliche 270 km/h Höchstgeschwindigkeit und eine Beschleunigung in 5,8 Sekunden zur 100 km/h-Grenze sorgt.

Das zweite - noch ziemlich neue - Angebot ist dafür das neu geschaffene 3200 GT-Coupé , dem der soeben zum Designer des Jahrhunderts gewählte Giorgetto Giugiaro zu seiner eleganten, zurückhaltenden Form verholfen hat. Besonders mit diesem neuen Coupé scheint Maserati wieder seinen Weg zu jenen Zeiten zurückgefunden zu haben, in denen man mit Understatement die distinguierte Konkurrenz zu Ferrari darstellte - zu Zeiten, in denen der introvertierte Geldadel Maserati fuhr, während das extrovertierte neue Geld zum Ferrari griff.

Und so wundert es auch nicht weiter, dass der 3200 GT fast immer in gedeckten Farben wie grau, dunkelgrün oder dunkelblau ausgeliefert wird - Farben, die dem 2+2-Sitzer mit dem ausreichend großen Kofferraum ausgezeichnet stehen. Natürlich hat man dem 3200 GT in der Po-Ebene mehr als ausreichend Temperament mit auf den Weg gegeben: Nicht weniger als 271 kW oder 370 PS leistet der 3,2-Liter-Achtzylinder - womit die 100 km/h-Grenze nach 5,1 Sekunden erreicht wird, während sich die Höchstgeschwindigkeit bei 280 km/h einpendelt. Dass dem Verbrauchswerte zwischen zwölf und 18 Litern Super-Plus gegenüber stehen, dürfte die Besitzer - bei einem Preis von 142 900 Mark - jedoch wohl weniger stören.

Luca di Montezemolo und seinen Technikern ist es offenbar gelungen, die Marke mit dem Dreizack wieder auf Vordermann zu bringen - wer einmal in einem der mit feinstem Leder strotzenden Gefährte Platz genommen, und das Brabbeln des Achtzylinders gehört hat, scheint für den Maserati-Virus durchaus anfällig. Und nach einigen Kilometern mit dem kraftvollen Motor, dem erstaunlich komfortablen Fahrwerk und der Souveränität von reichlich Cavalli sind die meisten Interessenten reif für einen Kaufvertrag.

Von Jürgen Lewandowski

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