Kawasaki ZRX 1100:Viel Auspuff mit Motorrad

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Viel Fahrspaß - aber wenig Raum für Beifahrer und Gepäck

(SZ vom 27.09.1997) Nostalgie ist auch im Motorradbereich schon länger gefragt. Da hat Kawasaki vor Jahren schon die Vorreiterrolle eingenommen, indem die nackte Zephyr-Modellreihe geschaffen wurde. Mit der 1997 neu erschienenen ZRX 1100 geht Kawasaki erneut zurück in die Vergangenheit: Ganz bewußt werden - teils bis ins Detail - die Elemente der im Superbike-Sport erfolgreichen Z1000 R aufgenommen, die vor 15 Jahren aktuell war. Die Verbindung von alt und neu hat was - aber beileibe nicht für jeden.

Der 72 kW (98 PS) starke, wassergekühlte Vierzylinder-Reihenmotor wurde aus dem Modell GPZ 1100 entnommen und auf mehr Drehmoment abgestimmt. Der Erfolg ist eindrucksvoll: Zumeist genügt es in der Praxis, mit Halbgas zu fahren, um über Leistung ohne Ende zu verfügen. Statt der serienmäßigen fünf Gänge genügten theoretisch auch zwei Stufen. Schaltfaules Fahren fällt deshalb leicht. Zusätzlich macht es auch Sinn: Denn wer sich die bei etwa 6000 Umdrehungen einsetzende Leistungsexplosion verkneift, spart Treibstoff. Je nach Fahrweise liegt der Verbrauch nämlich zwischen unscheinbaren 4,7 Litern und unglaublichen 12 Litern auf 100 Kilometer. Im Schnitt fallen etwa 7,5 Liter an - und das ist für ein Motorrad dieser Art entschieden zuviel.

Trotz klassischer Fahrwerkselemente kann das Fahrverhalten der ZRX voll überzeugen. Telegabel wie auch Gasdruck-Federbeine verrichten ihre Arbeit unauffällig und wirksam, das mit 245 Kilogramm keineswegs leichte Motorrad gefällt beim Kurvenfahren wie auf Geradeauskurs: Man ist unspektakulär und sicher unterwegs. Die gemäßigte Reifenbreite erweist sich im Handling als vorteilhaft. Auch die Bremsanlage ist top, zudem ist die vordere Sechskolben-Doppelscheibenbremse gut dosierbar.

Die Ausstattung der ZRX ist gut, aber nicht überragend. Licht, Lenker, Spiegel und verstellbare Hebel gefallen, auch die kleine Cockpit-Verkleidung im Retro-Look ist wirksam - ein Dauertempo von etwa 170 km/h ist gut möglich, Spitzentempo (210 km/h) jedoch mühsam. Ein Lob bekommt der Exzenter zum Kettenspannen, doch leider fehlt ein Hauptständer, was die Kettenpflege erschwert. Leider fehlt eine Zeituhr, zudem sind die Kontrolleuchten tagsüber nicht gut sichtbar. Die Sitzposition ist für den Fahrer mit noch akzeptabel gebeugten Unterschenkeln in Ordnung - Beifahrerinnen sollten jedoch nicht gerade Gardemaße aufweisen.

Am Design der ZRX 1100 scheiden sich die Geister: Der hellblau-metallicfarbene Lack, der kantige Tank sowie die Tank-Sitzbank-Linie unterscheiden sich völlig vom gegenwärtig üblichen Stil. Noch mehr Kopfschütteln ruft die aus Geräuschdämpfungsgründen mächtige und weit abstehende Auspuffanlage hervor: Fast wirkt dieses Motorrad wie ein Ofenrohr mit angehängtem Motorrad. Daß dem Gepäcktransport durch den Auspuff enge Grenzen gesetzt werden, ist unübersehbar.

16 490 Mark kassiert der Händler für die ZRX. Der Gegenwert ist Geschmackssache, aber qualitativ gut - noch besser wäre es freilich, wenn das potente Stück bei flotterer Fahrt nicht gar so viel Benzin schlucken würde.

Von Ulf Böhringer

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