Infiniti:Wer zu spät kommt

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Infiniti, die Edelmarke von Nissan, trifft zum Marktstart in Europa auf denkbar ungünstige Bedingungen. Und sie hat keinen Diesel im Programm.

Jörg Reichle

Man weiß nicht, ob man die Infiniti-Leute bewundern oder bedauern soll. Als 2006 die Entscheidung fiel, die Edelmarke von Nissan künftig nicht nur in den USA zu verkaufen, wo man schon seit 1989 gegen Lexus und Acura (Honda) den Erfolg sucht, verkündete Nissan-CEO Carlos Ghosn noch selbstbewusst: "Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, diese einzigartige Marke den Kunden in Europa vorzustellen."

Los geht's: Für den europäischen Markt schickt Infiniti unter anderem den bulligen FX los. (Foto: Foto: Infiniti)

Eine großangelegte, sündteure Maschinerie lief an - von der Gründung eines europäischen Hauptquartiers in Genf bis hin zur Anpassung des aus vier Modellreihen bestehenden Fahrzeugprogramms an den hiesigen Kundengeschmack. In der französischen Hauptstadt Paris, wo die Infiniti-Einführung beginnt, ist gerade der erste luxuriöse Markenstützpunkt eröffnet worden, Deutschland startet im dritten Quartal 2009. Doch es könnte sein, dass das Projekt zum Scheitern verurteilt ist, noch ehe es recht begonnen hat.

Inzwischen nämlich liegt der Automarkt in ganz Europa nahezu flach. Zwar halten sich die Premium-Marken noch einigermaßen, aber auch bloß die etablierten. Und nicht nur das: Vor allem im Segment der Geländewagen mit leistungsstarken Benzinmotoren geht so gut wie nichts mehr. Gerade dort aber sind die wichtigsten Infiniti-Modelle angesiedelt. Motorisiert sind die beiden SUV, der größere FX und der kompakte EX, entweder mit einem 3,7-Liter-V6, der 235 kW (320 PS) leistet, oder einem 5,0-Liter-V8 mit 287 kW (390 PS, nur FX). Dazu kommen eine Limousine (G37) im etwas großzügig ausgelegten BMW-Dreier-Format und ein passendes Coupé. Auch die haben nur den starken V6 im Angebot.

Diesel? Hybrid? Umwelt-Technik? Fehlanzeige, zumindest derzeit. Ein V6-Diesel, Gemeinschaftsentwicklung mit Konzernpartner Renault, kommt erst 2010, der Hybrid, wenn überhaupt, noch später. Vor diesem Hintergrund wirken selbst die bescheidenen Absatzziele noch ambitioniert. "Wir wollen im ersten Jahr nicht mehr als 2000, 3000 Autos in ganz Europa verkaufen", kündigt Europa-PR-Chef Wayne Bruce an, "2013 sollen es dann 25.000 sein."

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Dass die Infiniti-Modelle am veränderten Markt weitgehend vorbeigehen, kann man durchaus bedauern, denn die Autos selbst sind hochwertig ausgestattet und verarbeitet, attraktiv designt und technisch aufwendig. Allen voran der große FX. Der sportliche Geländewagen, der zwischen BMW X5 und X6-Dimensionen rangiert, ist in den USA seit 2003 auf dem Markt. Und sollte jemand geglaubt haben, die Formgebung bei den SUVs sei ausgereizt, hier kann man das Gegenteil sehen. Ein absoluter Hingucker, muskulös einerseits, andererseits elegant und fließend.

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Das Platzangebot ist zwar nicht opulent, dafür nimmt das Ambiente mit den rautenförmig abgesteppten, bestens ausgeformten Ledersitzen und dem geschmackvollen Materialmix aus Holz, Alu und Klavierlack für sich ein. Das Triebwerk versteht sich blendend mit der eigens für Europa entwickelten Sieben-Gang-Automatik, die per Schaltpaddel am Lenker bedient werden darf, nur die objektiv hohe Motorleistung leidet subjektiv unter dem Umstand, dass hier gut zwei Tonnen Auto bewegt werden müssen.

Wer hier mit dem Gaspedal kompensiert, zahlt die Zeche. Die knapp zwölf Liter Durchschnittsverbrauch (V8: 13 Liter), die Infiniti selbst angibt, sind da eher ein Placebo. Und noch ein Schwachpunkt bleibt haften: Für ein SUV dieser Art (Preise zwischen 55.000 und 70.000 Euro) und gemessen am Luxus-Anspruch der Marke rollt der FX mit den großen 21-Zöllern ziemlich knochig ab, Querfugen hasst er ohnehin.

Besser macht das der kleinere EX. Er könnte (für etwa 46.000 Euro) eine interessante und komfortbetonte Alternative zum BMW X3 sein - besseres Ambiente, besser verarbeitet, individuelles, elegantes Design - wenn er eben nicht nur Hochleistung anbieten würde (320 PS; 360 Nm; 0-100 km/h: 6,4 s; Vmax: 240 km/h; Verbrauch: 11,2 l; CO2: 267 g/km). Wenn man davon absieht, dass ihn kurze Wellen immer ein bisschen aus der Fassung bringen, gefällt der EX mit seinem permanenten Allradantrieb unterwegs mit gut berechenbarer Straßenlage und feiner Laufkultur. Nur wenn er ausgedreht wird, protestiert der V6 mit angestrengter Lautmalerei. Wie alle Infiniti baut der EX übrigens auf ein- und derselben Plattform, bei der der Motor hinter der Vorderachse liegt. Das frommt der Gewichtsverteilung und dem Handling.

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Gegenüber den eigenständig gezeichneten SUV fallen die G37-Limousine (ab 40.000 Euro) und ihr zweitüriges Coupé-Derivat etwas ab. Ihnen merkt man am ehesten an, dass sie in amerikanischen Verhältnissen aufgewachsen sind. Ihr Ambiente wirkt weit weniger luxuriös, stellenweise fast billig. Dafür gibt es sie wahlweise als Hecktriebler oder mit Allradantrieb, mit Sechs-Gang-Handschalter oder Sieben-Gang-Automatik. Für die sportliche S-Version von Limousine und Coupé lockt Infiniti Technikfreaks obendrein mit einer Allradlenkung, die bei hohem Tempo stabilisierend eingreift und im Labyrinth der Kurven besondere Handlichkeit garantieren soll.

Apropos Ausstattung: Je nach Modellvariante bietet man neben Premium-Selbstverständlichkeiten wie adaptivem Kurvenlicht und einem Fahrwerk mit elektronischer Dämpferregelung auch einen Rundumsicht-Monitor, einen intelligenten Bremsassistenten, der akustisch warnt, wenn der Vordermann urplötzlich verzögert, ein Bose-Soundsystem und einen besonders kratzfesten Lack.

13 Infiniti-Stützpunkte soll es in Deutschland einmal geben, vor allem in Ballungsräumen und Metropolen. In Stuttgart, Berlin und Hamburg hat man schon Händler gefunden. Sie sollen besonders dienstleistungsbewusst sein und den Kunden mit Service und exklusivem Ambiente verwöhnen. Ob das am Ende hilft, wird man sehen.

© SZ vom 18.10.2008/gf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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