Honda Insight:Probefahrt ja, Kaufvertrag nein

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Ab April steht das Coupé mit Hybridantrieb bei ausgewählten Händlern / Dort wird erst die Akzeptanz getestet, bevor Honda über die Markteinführung entscheidet

(SZ vom 23.02.2000) Ökologisch orientierte Automobiltechnologie möchte Honda mit dem Insight demonstrieren. Doch die Japaner sind sich nicht sicher, ob sie ihre neueste Kreation, ein zweisitziges Coupé mit einem kombinierten Elektro- und Benzinmotor, auch tatsächlich auf die Kunden loslassen wollen. Diese Zurückhaltung liegt weniger darin, dass der Insight, der bis vor kurzem ein auf Messen gezeigter Prototyp war, noch irgendwelche Macken hätte - davon war bei ersten, kurzen Fahrten nichts zu entdecken. Vielmehr wagt Honda nicht, den Verkauf flächendeckend zu starten, weil die Öko-Technologie ihren Preis hat - und nicht klar ist, wie viele Autofahrer tatsächlich bereit sind, für ein ruhiges Umweltgewissen rund 50 000 Mark zu zahlen.

Kundenakzeptanz testen

Zu diesem Preis wird der Insight, was übersetzt etwa für durchdacht oder voller Ideen stehen könnte, seit Anfang des Jahres in Großbritannien und den USA angeboten. In Deutschland müssen wohl ebenfalls mindestens 50 000 Mark verlangt werden, um die Öko-Fuhre halbwegs kostendeckend anbieten zu können. Deshalb will Honda zunächst die Kundenakzeptanz testen. Von April an werden 40 Insight bei ausgewählten Honda-Händlern zu Probefahrten bereit stehen. Wer nach einer kleinen Runde dann so von dem Zweisitzer begeistert ist, dass er ihn gleich mit nach Hause mitnehmen will, hat allerdings Pech. Erst in zwölf Monaten soll endgültig entschieden werden, ob der Insight bei uns in das reguläre Modellprogramm aufgenommen wird.

Ein doppeltes Lottchen

Technisches Herzstück des Insight ist das Integrated Motor Assist System - ein Bauteil, das zwischen dem konventionellen Verbrennungsmotor und dem Getriebe platziert ist. Einfach gesagt, hat der Motorassistent die Fähigkeiten eines doppelten Lottchens: Er fungiert sowohl als Elektromotor, aber auch als Generator, sprich Anlasser und Lichtmaschine, für den 1,0-Liter-Benzinmotor mit drei Zylindern. Durch diese Doppelfunktion sparten die Honda-Ingenieure Gewicht, Platz und aufwändige Kontrollelektronik für zwei getrennte Antriebssysteme. In bisherigen Hybridautos werden nämlich Verbrennungs- und E-Motor getrennt voneinander mitgeschleppt. Im Inneren des Insight sucht man vergeblich nach einem Schalter, mit dem von Benzin- auf Elektrobetrieb umgeschaltet werden kann. Nach dem Drehen des Zündschlüssels springt der Dreizylinder mit dem brummigen Sound eines Zwergherzens an, wie man es etwa aus dem Daihatsu Cuore kennt. Geschaltet wird manuell über ein normales Fünfgang-Getriebe. Will man einen Blick auf die Armaturen im Cockpit werfen, empfiehlt sich eine Sonnenbrille: Hier zaubert ein digitales Kino sich ständig verändernde Zahlen und Balken auf das Display - diese Idee ist so fortschrittlich, dass man sie bei Citroën bereits vor zehn Jahren wieder verworfen hat. Dabei hält das Cockpit wichtige Informationen für den Fahrer bereit: den Ladezustand der nur 20 Kilogramm schweren Nickel-Metallhydrid-Batterie etwa, die dort untergebracht ist, wo normalerweise die Rücksitzbank eingebaut ist. Außerdem wird angezeigt, ob gerade Saft aus der Batterie entnommen oder diese durch die bei Bremsvorgängen gewonnene Energie gerade wieder aufgeladen wird.

Womit auch schon ein Teil der Funktionsweise des Insight erklärt wäre: Im normalen Fahrbetrieb werden die Vorderräder des Insight nur vom Verbrennungsmotor angetrieben. Drückt der Fahrer kräftig auf das Gaspedal, erkennt dies die Regelelektronik und schaltet den Elektromotor zu, der 10 kW (14 PS) zur Höchstleistung von 56 kW (76 PS) beisteuert. Das Aktivieren des E-Motors geschieht ruckfrei und ohne Verzögerung - von den zusätzlichen Aktivitäten unter der Motorhaube merkt man praktisch nichts. Hier ist den Honda-Ingenieuren in der Tat ein kleiner Schritt in die automobile Zukunft gelungen. Konventionelle Hybridautos benutzen bei geringen Geschwindigkeiten - etwa im Stadtverkehr - nur den Elektroantrieb, bei höheren Geschwindigkeiten wird auf den Verbrennungsmotor umgeschaltet. Honda hat beide Möglichkeiten intelligent miteinander verwoben.

Bei Fahrten zwischen Großheubach und Streit erwies sich dieses Konzept nämlich durchaus als praxistauglich. 76 Pferdestärken haben mit dem nur 850 Kilogramm schweren Insight nicht allzu viel Mühe: Die erreichbare Höchstgeschwindigkeit beträgt 180 km/h, der übliche Spurt auf 100 km/h dauert zwölf Sekunden. Klar, dass dann der mit 3,4 Liter angegebene Durchschnittsverbrauch auf 100 Kilometer nicht erreicht werden kann. Aber wer kauft sich schon ein Öko-Auto, um dann hemmungslos Gas zu geben? Verbrauchswerte mit einer Drei vor dem Komma waren bisher ausschließlich Diesel-Autos vorbehalten, deshalb spricht man bei Honda vom ersten 3-Liter-Auto mit Benzinmotor. Jetzt warten wir gespannt auf das erste 3-Liter-Auto in lilablassblauer Farbe.

Bei Ampelstopps schaltet sich der Dreizylinder, um Kraftstoff zu sparen, selbstständig ab. Dies funktioniert nur dann nicht, wenn die Klimaanlage eingeschaltet ist, so dass man im heißen Großstadtverkehr vor der Alternative steht: schwitzen oder sparen. Viel gewöhnungsbedürftiger als das Fahrverhalten ist die Optik des Insight: Aus aerodynamischen Gründen sind die schmalen Leichtlaufreifen an der gegenüber der Vorderachse schmäleren Hinterachse verkleidet, was Besucher der letztjährigen IAA zu der Frage führte: "Kann man an diesem Auto denn die Reifen wechseln?"

Umweltfreundlichkeit demonstrieren

Die mit einem Cw-Wert von 0. 25 extrem windschlüpfige Aluminiumkarosserie des Insight sieht insgesamt aus wie ein von Daniel Düsentrieb gezeichneter Sportwagen. Aber wer bereit ist, 50 000 Mark für ein relativ umweltfreundliches Automobil auszugeben, will dies vielleicht ja nach außen demonstrieren. Man muss sich ja nicht mit einem Wollpullover und Gesundheitslatschen ans Steuer setzen.

Von Otto Fritscher

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