Gefährdete Autohersteller:Straucheln und streichen

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Chrysler ist nun offiziell insolvent. GM droht ähnliches. Doch nicht nur dort sieht es düster aus - auch andere Hersteller wackeln bedenklich. Ein Überblick.

Stefan Grundhoff

Das Entsetzen war groß, als die Daimler AG vor ein paar Tagen ihr Ergebnis aus dem ersten Quartal 2009 präsentierte: 1,3 Milliarden Verlust. Auch BMW oder Audi jammern. Fast schon am Boden präsentiert sich in diesen Tagen der einst ruhmreiche GM-Konzern. Bei General Motors, bis vergangenes Jahr größter Automobilhersteller der Welt, versteht man im Jahr eins nach dem 100. Geburtstag die Welt nicht mehr. Obwohl die ersten Gaben der US-Regierung bereits in Milliardenhöhe geflossen sind, ist kein Licht am Ende des Tunnels auszumachen.

Absturzgefahr: Nicht nur die Autohersteller mit amerikanischen Wurzeln haben derzeit wenig Spaß. (Foto: Foto: dpa, AFP, AP / Montage sueddeutsche.de)

Todesurteil gefällt

Der Mehrmarkenkonzern, zu dem unter anderem Tochterfirmen wie GMC, Pontiac, Cadillac, Chevrolet, Opel, Vauxhall, Holden, Saturn, Hummer, Buick und Saab gehören, muss sich verschlanken. Längst steht fest, dass mittelfristig nicht alle Marken in dem GM-Konstrukt überleben werden. Die Dauerpatienten Saab, Saturn, Pontiac und Hummer haben keine Zukunft. Über Pontiac ist das Todesurteil bereits offiziell gefällt.

Fest steht bereits jetzt, dass die bei der US-Regierung eingeforderten 30 Steuer-Milliarden nur über die gröbsten Probleme der nächsten Jahre hinweghelfen könnten. Einige Marken müssen einfach weg. Saab und Hummer, seit Jahren mit einer wenig innovativen Produktpalette unterwegs, sind chancenlos. Auch Saturn und Buick bekommen innerhalb des Konzerns immer mehr Gegenwind. Und es ist längst Verhandlungssache, dass GM eine Abspaltung von GM Europe beziehungsweise den Einzelmarken Opel, Vauxhall und Saab akzeptiert.

Keine schlechten Autos

Die Zeiten für die skandinavischen Autohersteller könnten wahrlich besser sein. Auch bei Volvo, Aushängeschild der Ford Premium Group, geht wenig. Ähnlich wie bei Opel ist es keineswegs so, dass Volvo in den vergangenen Jahren schlechte Autos gebaut hätte. Doch der Betrieb der Produktionsanlagen ist vergleichweise teuer, die Auslastung allenfalls mittelprächtig und die starke Premiumkonkurrenz hat deutlich lauter getrommelt. Zudem ist die Zahl der gemeinsamen und somit Kosten einsparenden Entwicklungen zwischen Ford und Volvo vergleichsweise gering.

Daher ist die US-Mutter, die Ford Motor Company, nicht abgeneigt, Volvo zu veräußern. Doch auch hier sind die Interessenten rar gesät. Die ersten beiden Runden wurden ergebnislos geschlossen. Auch den lange Zeit favorisierten chinesischen Konzernen ist der schwedische Hersteller mittlerweile zu heiß. Zumindest in einer Hinsicht kann man sich bei Ford die Hände reiben: Jaguar und Land Rover wurden vor einem Jahr noch nach Indien verkauft. In heutigen Zeiten wären die damals bei Tata erzielten Preise für die beiden noblen Ford-Töchter nicht zu verwirklichen. Auch der Verkauf von Aston Martin fand noch unter deutlich leichteren Rahmenbedingungen statt.

Die Marke, die zuletzt vom deutschen Markt verschwand, war vor mehr als einem Jahr SsangYong, die über die Kroymans-Gruppe vertrieben wurde. In den Jahren zuvor erwischte es Isuzu und MG/Rover, die nach dem Ausstieg von BMW den Boden unter den Füßen verloren hatte. Eine Vorhersage, wer als nächster vom Karussell fällt, ist schwer. Da die schwächelnden Marken zumeist über einen traditionsreichen Namen verfügen, dürften sie kaum völlig vom Markt verschwinden, sondern in einem anderen Konzern aufgehen.

General Motors, Ford, Chrysler
:Verlorene Größe

Der Untergang der US-Autoindustrie ist hausgemacht: Es fehlen die richtigen Modelle, nachhaltige Strategien und Markenbewusstsein.

Konzentration auf Kernmarken

Dass diese Konzerne nicht immer Autoproduzenten sein müssen, zeigt der Fall Chrysler. Von Daimler ausgemustert, kamen sie vor Jahren bei der Cerberus-Gruppe, einem Finanzkonzern, unter. In Sachen Modellpolitik hat sich seither weder in den USA noch in Europa Nennenswertes getan. Denkbar ist nach wie vor, dass sich die Chrysler-Gruppe ebenfalls einzelner Marken entledigt und sich zum Beispiel nur noch auf die Kernmarken Chrysler und Jeep konzentriert. Schließlich gilt es auch die Allianz mit Fiat, die seit Freitag unter Dach und Fach ist, mit Leben zu füllen. Die Italiener steigen zunächst mit 20 Prozent bei Chrysler ein. Die Mehrheit an Chrysler darf Fiat erst übernehmen, wenn der Konzern die Staatshilfen der US-Regierung zurückbezahlt hat.

Bei den Italienern laufen nach wir vor Überlegungen, wohin es mit der Marke Lancia gehen soll. Auch ihre Zukunft scheint alles andere als sicher. Nicht nur die Hersteller mit amerikanischen Wurzeln haben derzeit wenig Spaß. Auch Toyota, einst Vorzeigekonzern aus Japan und mittlerweile Nummer eins der Autoproduzenten, strauchelt und muss Stellen streichen - vielleicht sogar Werke schließen.

Drang zu kleineren Autos

Gerade auf imageträchtigen Einzelmärkten wie dem deutschen ist es deshalb nicht ausgeschlossen, dass sich die angegliederte Kleinwagenmarke Daihatsu zurückzieht. Das Milliardengrab Lexus könnte aus Kostengründen ebenfalls von einigen Märkten verschwinden. Hersteller wie Honda oder Mitsubishi drehen beim Blick auf die einzelnen nationalen Märkte ebenfalls bereits jeden Cent doppelt um. Nach Absagen von Messeteilnahmen und dem Einfrieren von Projekten scheint es nicht ausgeschlossen, sich aus einzelnen Ländern komplett zurückzuziehen.

Das steht beim Wolfsburger Großkonzern nicht auf dem Plan. Seat, lange Zeit ein heißgehandelter Übernahmekandidat, scheint angesichts des europäischen Drangs zu kleineren Autos wieder Oberwasser bekommen zu haben. Hier dürfte ein Verkauf zunächst einmal von Tisch sein. Doch sollen die baulichen und entwicklungstechnischen Verwandtschaften zwischen den einzelnen VW-Marken noch größer werden. Das gilt für Kleinprojekte wie den VW Up bis hin zu den PS-starken Lamborghini-Sportwagen.

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