Fiat Seicento:Mehr als er verspricht

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Der italienische Kleinwagen wird in sechs Versionen angeboten

(SZ vom 18.03.1998) Besonders einer der Kleinwagen aus dem Hause Fiat hat sich im Laufe der Jahrzehnte zum Kultauto entwickelt. Der kugelige Cinquecento vermittelte - als er 1957 das Licht der automobilen Welt erblickte - das Gefühl, das viele mit Italien verbanden: spritzig, witzig, lebensfroh. Und auch in der Nachfolge des 500 bewiesen die Turiner immer wieder, daß die knuffigen Kleinen ihr Metier sind. Es folgten zum Beispiel der 126, der Panda und der neue Cinquecento.

Aber nun hat auch letzterer ausgedient, denn am 28. März wird in Deutschland der Seicento auf unsere Straßen rollen. Genauso wie bei seinem Vorgänger verzerrt der Name etwas die Wirklichkeit. Der Seicento ist nicht etwa mit Motoren bestückt, die lediglich über 600 Kubikzentimeter Hubraum verfügen, wie man vermuten könnte. Außerdem möchte man bei Fiat Seicento auch weniger als Typenbezeichnung verstanden wissen, denn als klangvollen Namen.

Unter der Haube des kleinen Italieners verstecken sich in Wirklichkeit zwei Vierzylinder-Aggregate mit 900 cm3 oder mit 1100 cm3. Der schwächere Motor verfügt über eine Leistung von 29 kW (39 PS), was ihn bis zu 140 km/h schnell macht und ihn nach 18 Sekunden die 100-km/h-Marke passieren läßt. Das 1,1-Liter-Triebwerk leistet 40 kW oder 54 PS; damit ist eine Höchstgeschwindigkeit von 150 km/h möglich und der Spurt von Null auf 100 km/h nach 13,8 Sekunden erledigt. Die Verbrauchswerte beider Aggregate können sich - zumindest was die Werksangaben betrifft - durchaus sehen lassen: Der 900er verbraucht nach der neuen EG-Richtlinie durchschnittlich 6,1 Liter auf 100 Kilometer; fast ebenso sparsam ist das 1100-Aggregat. Es begnügt sich mit 6,2 Litern auf 100 Kilometer, wenn es den Sporting antreibt. Mit dem länger übersetzten Getriebe des Suite sind es nur 5,8 Liter.

Bei einer ersten kurzen Begegnung hinterließen beide Aggregate den Eindruck, daß sie den 730 Kilogramm leichten Wagen problemlos antreiben können. Natürlich ist der 1100er noch etwas spritziger - dieser Seicento verdient ganz klar das Prädikat Rennsemmel. Vor allem dann, wenn es sich um die Sporting-Version handelt, die es schon beim Vorgänger gab. Das sportlichere Erscheinungsbild ist äußerlich erkennbar durch die in Wagenfarbe lackierten Stoßfänger, in die große Lufteinläße eingearbeitet sind. Zudem lassen Breitreifen auf Alufelgen den Seicento bulliger wirken.

Fiat wendet sich mit den sechs verschiedenen Versionen des Seicento an eine breit gefächerte Kundschaft. Außer als typischer Zweit- oder sogar Drittwagen, soll der Seicento junge Leute, Frauen oder aber auch Rentner ansprechen. Als Basisvariante gilt der S, der in der Grundausstattung über zwei Airbags, Gurtstraffer und eine dritte Bremsleuchte verfügt. Darauf folgen der SX, der als Top-Modell bezeichnete Suite und der bereits genannte Sporting. Zwei besondere Versionen sind der Citymatic und der Elettra. Der Citymatic verfügt über die gleiche Ausstattung wie der SX, hat allerdings eine elektronisch gesteuerte Kupplung. Das heißt, es gibt kein Kupplungspedal, aber dennoch schaltet der Fahrer die Gänge wie bei einem herkömmlichen Getriebe. Was zu Anfang etwas ungewohnt scheint, erweist sich innerhalb kürzester Zeit gerade bei stockendem Innenstadtverkehr als eine bequeme Lösung, da das Kupplungspedal nicht immer getreten werden muß.

Die am seltensten verkaufte Variante wird wohl der Elettra sein, eine Elektro-Version. Weniger für Privatkunden als mehr für Fuhrparks gedacht, soll der E-Seicento über eine Reichweite von 90 Kilometern verfügen und eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h erreichen. Auf einem kurzen Probekurs surrte der viersitzige Elettra gutmütig an den Pylonen vorbei - eigentlich läßt er sich ebenso gut fahren wie seine Benzin-Brüder, nur daß man ihn eben nicht hört.

Allerdings melden auch sie sich nicht allzu laut zu Wort, denn selbst bei den Höchstgeschwindigkeiten ist eine Unterhaltung im Auto noch leicht möglich. Überhaupt macht es einem der Seicento relativ leicht, sich in ihm wohlzufühlen. Die Kopffreiheit ist sowohl vorne als auch hinten erstaunlich gut. Bei einer Außenlänge von 3,32 Metern braucht man nicht über die Kniefreiheit im Fond zu philosophieren - auch wenn hinten theoretisch drei Personen Platz nehmen dürften, außer drei Suppenkaspers haben dort höchstens Kinder Platz.

Wenn man den Nachwuchs allerdings dabei hat, sind für Teddys und andere Begleiter viele Ablagefächer notwendig - und von denen gibt es ausreichend. Auch wenn das Handschuhfach wegen des Airbags nicht allzu groß ist, so findet alles Notwendige in den Türablagen ebenso Platz wie ein großer Atlas. Apropos Platz: Der Kofferraum faßt ein Volumen von 170 Litern, eine asymmetrisch teilbare Rückbank ist optional erhältlich.

Der Mammon macht es möglich

In Sachen Sicherheit bietet der Seicento demjenigen mehr, der sich in der Liste der Zusatzausstattung bedient. Für zusätzliches Geld sind unter anderem ABS und eine Diebstahlwarnanlage zu bekommen. Was man auch für schnöden Mammon leider nicht bekommt, sind Kopfstützen für die hinteren Sitze oder höhenverstellbare Sicherheitsgurte. Schon bekommt man allerdings jegliche elektrische Helfer, wie Fensterheber , Zentralverriegelung oder ein Faltdach.

Betrachtet man die Preisspanne, die nach der Mehrwertsteuererhöhung bei rund 14 800 Mark beginnt, bietet der Seicento nicht nur mehr als er verspricht - bezüglich der Leistung -, sondern er leistet auch viel für sein Geld. Ob es mit seinem moderneren Design auch ein Klassiker werden wird, wagt heute noch niemand ernsthaft zu prophezeien. Allerdings darf man dem Seicento wünschen, daß er die Hoffnung, 21 000 Mal in einem Jahr in Deutschland verkauft zu werden, erfüllen kann.

Von Marion Zellner

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