Fahrbericht: VW Tiguan 1.4 TSI:Später Sieger

Lesezeit: 3 min

Der neue Tiguan ist da und der Konkurrenz zum Heulen. Eos, Fox und Touran haben es vorgemacht: VW kommt spät, um schließlich doch zu gewinnen. Das dürfte beim neuen Mittelklasse-SUV kaum anders sein.

Von Stefan Grundhoff

Die deutschen Hersteller hatten den SUV-Trend komplett verschlafen, erst oben und dann in der Mittelklasse. Allein BMW lachte sich ins Fäustchen und sahnte mit dem exzellenten, aber teuren X3 jahrelang ohne Gegenspieler ab. Wer die allseits beliebten Pseudo-Offroader günstig fahren wollte, musste lange Zeit zur asiatischen Konkurrenz von Nissan X-Trail, Hyundai Tucson oder Toyota RAV4 ausweichen.

Im echten Gelände hat der Tiguan trotz variabler Haldex-Kupplung nicht viel zu suchen: 4x4-Antrieb und knapp 20 Zentimeter Bodenfreiheit reichen aber für die automobile Pflicht auch abseits befestigter Straßen. (Foto: Foto: VW)

Wird der Letzte wieder der Erste sein?

Jetzt kommt - mit Verspätung - der sehnlichst erwartete VW Tiguan auf den Markt. Er will im nächsten Jahr das meistverkaufte SUV Deutschlands werden - die Chancen dafür stehen exzellent. Ähnlich wie die Langschläfer Touran, Fox und Eos ist der Tiguan kein automobiles Designwunder, aber einer, an dem sich ab Herbst diesen Jahres alle messen müssen - klassauf, klassab. Denn der 4,46 Meter lange Allradler erlaubt sich keine echte Schwäche. Genau das wollen die Kunden, die er mit solidem Design und moderner Antriebstechnik überzeugen möchte. Als Lockangebot soll ab Frühjahr 2008 noch dazu eine Frontantriebsversion nachgelegt werden.

Lange hat man in der Wolfsburger Konzernzentrale getrickst, ehe man den Tiguan zu einem Basispreis von 26.700 Euro ins Haifischbecken werfen konnte. Hier misst er sich mit nahezu allem, was 4x4 unterwegs ist: vom Hyundai Tucson über den Kia Sportage bis zum Platzhirschen BMW X3.

Aber: Die 26.700 Euro sind nur die untere Seite der Medaille. Hier startet der neue, gerade einmal 1,4 Liter große Vierzylinder mit 110 kW/150 PS. Durch knappe 1,6 Tonnen Leergewicht kann das Basismodell kaum mehr als die Brot- und Butterfraktion begeistern. Trotz Doppelaufladung und 240 Nm maximalem Drehmoment geht es vom Start weg recht zaghaft zur Sache.

Nach der spürbaren Anfahrschwäche und dem Hinter-sich-lassen der Gänge eins und zwei sieht es dagegen schon besser aus. Einmal in Schwung gekommen ist man flott und drehfreudig unterwegs - von 0 auf Tempo 100 in 9,6 Sekunden. Auch 192 km/h Spitze sind für einen Einsteiger alles andere als schlechte Daten. Durchschnittlich soll sich der Tiguan dabei mit 8,4 Litern Kraftstoff begnügen.

Das Triebwerk läuft leise und angenehm im Hintergrund. Die Geräuschdämmung des Tiguan erweist sich dabei auch ohne Doppelverglasung als exzellent. Mehr als die Abrollgeräusche der Reifen sind kaum zu vernehmen. Die elektrohydraulische Lenkung arbeitet leichtgängig; etwas direkter wäre trotzdem wünschenswert.

Ein Volltreffer: das Fahrwerk

Auch das mit Komponenten aus dem Passat ausstaffierte Fahrwerk des VW Tiguan ist ein Volltreffer. Keine weiche Nudel wie zahlreiche Asia-Speisen und bei allen Geschwindigkeiten angenehm straff überzeugt es selbst im Grenzbereich, bei schnellen Kurvenfahrten oder groben Fahrbahnschwellenit stoischer Ruhe. Hier ist VW ein großer Wurf gelungen, der die meisten SUV-Fans - und das nicht nur in Deutschland - begeistern dürfte. Im echten Gelände aber hat der Tiguan trotz variabler Haldex-Kupplung nicht viel zu suchen: 4x4-Antrieb und knapp 20 Zentimeter Bodenfreiheit ermöglichen jedoch die automobile Pflicht auch abseits befestigter Straßen.

Das kann man vom Platzangebot nur eingeschränkt sagen. Vorne sitzt man prächtig, doch in der zweiten Reihe merkt man schnell, dass man in der aufgebockten Mittelklasse unterwegs ist. Der verschiebbaren Rückbank sei Dank: Zwei Erwachsene finden problemlos Platz - vorausgesetzt, sie sind nicht größer als 1,85 Meter. Sonst wird es an der Schädeldecke eng. Zu dritt möchte man im Tiguan-Fond nur im Notfall sitzen.

Der Kofferraum schluckt zwischen 505 und 1510 Liter. Dann schon lieber Rückbank und Beifahrersitz umgeklappt und die mächtige Ladefläche für den Hobbyeinsatz genutzt. Wer gerne einiges lädt oder gar mit dem Anhänger unterwegs ist, sollte sich gleich für den Dieselantrieb entscheiden: Er ist zunächst nur als 140-PS-Version verfügbar ist, dafür erstmals mit der standesgemäßen Common-Rail-Technik ausgestattet - damit fährt sich der Tiguan 2.0 TDI kraftvoll und stimmig.

Nicht, dass der neue zwei Liter große Wolfsburger Selbstzünder den Flüsterer mimen würde. Aber die Verbrennung läuft deutlich runder und stimmiger als bei den Polterversionen mit Pumpe-Düse-Technik. Hier kann man sich bereits auf die leistungsstärkeren Versionen mit 170 und rund 200 PS freuen, die im nächsten Jahr folgen dürften. Bereits der Einsteiger-Diesel leistet bei 1750 U/min 320 Nm, schafft jedoch nur 182 km/h Spitze. Sein Durchschnittsverbrauch liegt bei 7,5 Litern auf 100 Kilometern. Weniger wird es erst dann, wenn auch beim Tiguan die Start-Stopp-Technologie Einzug hält. Im Gespräch ist der Herbst 2008.

Vollständigkeit ist ein relativ teures Vergnügen

Verarbeitung und Wertigkeit im neuen VW Tiguan setzen wie zu erwarten Maßstäbe. Verkleidungen, Sitze, Bedienelemente und Materialien müssen der in- und ausländischen Konkurrenz von Citroen bis Opel viel Kopfzerbrechen machen. Man kann allenfalls an der Serienausstattung herummäkeln. Denn nicht nur beim Basismodell "Trend & Fun" gibt es mächtig Spielraum nach oben. Das neue Navigationssystem, Xenonlicht, Sitzheizung und Klimaautomatik werden in dieser Liga gern gewählt und kosten viel Geld.

Dass aber selbst Nebelscheinwerfer, Multifunktionslenkrad, anklappbare Spiegel oder Mittelarmlehnen extra bezahlt werden müssen, kann in den komfortverwöhnten Zeiten kaum nachvollzogen werden. Dem Kundenzuspruch dürfte es keinen Abbruch tun, dass ein sinnvoll ausgestatteter VW Tiguan 1.4 TSI Sport & Style über 35.000 Euro kostet.

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