Fahrbericht: Bentley GT Speed:Von Kurve zu Kurve zoomen

Lesezeit: 3 min

Geht besser, liegt besser, bremst besser: Der neue Bentley Continental GT Speed ist ein Auto für gewisse Stunden.

Georg Kacher

Mit mehr als 10.000 Autos pro Jahr gehört Bentley inzwischen zu den Großen der Kleinserienhersteller; das Erfolgsmodell der britischen Marke, 1998 von der VW-Gruppe übernommen, ist die Continental-Baureihe, die mit drei Karosserievarianten das Segment zwischen 175.000 und 200.000 Euro abdeckt, an dem Bentley einen Anteil von fast 50 Prozent hält.

Das 2002 vorgestellte Coupé kommt im Herbst in überarbeiteter Form - gleichzeitig präsentiert sich mit dem GT Speed eine noch stärkere, sportlichere und exklusivere Ausführung. Der 2350 Kilo schwere 2+2-Sitzer kostet 205.751 Euro, wobei die Carbon-Bremsanlage mit 20.230 Euro gesondert berechnet wird. Zum Vergleich: Der einfache Conti GT steht ohne Extras mit knapp 176.000 Euro in der Liste.

Für den GT Speed wurde die Leistung des 6,0-Liter-Biturbo-W12 von 411 kW (560 PS) auf 449 kW (610 PS) angehoben. Dazu bedurfte es tiefgreifender Maßnahmen wie neuer Kolben, verstärkte Pleuel, einen gewichtsoptimierten Zahnriemenantrieb für die Nockenwellen sowie ein optimiertes Kurbelgehäuse. Damit sich der Aufwand lohnt, sollen sämtliche W12-Aggregate des Konzerns von diesen Verbesserungen profitieren.

Die Fahrleistungen des GT Speed haben Supersportwagen-Format. Der Wagen beschleunigt in 4,5 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h und erreicht maximal Tempo 326; der GT schafft den Spurt in 4,8 Sekunden und läuft 318 km/h Spitze. Der höhere Wirkungsgrad und das um 35 Kilo gesenkte Gewicht reduzieren den offiziell genannten Verbrauch auf noch immer stolze 16,6 Liter, was zu einer CO2-Emission von 396g/km führt. Allerdings: Im wahren Leben sind es schnell 23 bis 33 Liter.

Mehr Leistung ist eine feine Sache, doch im Alltag spürt man vor allem das um 15 Prozent gewachsene Drehmoment. Ist schon das Grundmodell nicht schwach auf der Brust, so zieht der GT Speed mit bis zu 750 Newtonmeter den Pirellis das Gummi über die Ohren. Weil dieser Wert schon bei 1750 Umdrehungen die Antriebswellen zum Schwitzen bringt, ist die Höchstdrehzahl von 6200 Touren in der Praxis die absolute Ausnahme.

Sonor brabbelnd von Kurve zu Kurve zoomen

Auch dieser Bentley ist ein gelassener Gleiter - nicht Volllast fasziniert, sondern der kurze, dafür aber perfekt getimte Druck auf die Tube, der sonor brabbelnd von Kurve zu Kurve zoomt. Weil Energie kostbar und teuer ist, liegt die Kunst darin, die edle Fuhre auf Zug zu bewegen, den Schwung zu nutzen und unnötiges Bremsen zu vermeiden. Während selbst auf leeren Autobahnen immer wieder unplanmäßige Frust-Verzögerungen drohen, ist das Coupé auf übersichtlichen Landstraßen in seinem Element.

Attribute wie Sportfahrwerk, Tieferlegung und 20-Zöller erkauft man normalerweise mit deutlichen Abstrichen am Federungskomfort, und der war bisher bei keiner Conti-Variante wirklich top; umso überraschender die Erkenntnis, dass beim GT Speed trotz dicker Schlappen und einer strafferen Abstimmung in dieser Disziplin eine spürbare Verbesserung erreicht wurde.

Das ist der neuen, reibungsärmeren Luftfederung zu verdanken, den für dieses Modell maßgeschneiderten 275/35ZR20-Reifen sowie der leichteren und steiferen Radaufhängung, die das gute Stück sanfter abrollen lässt. Gleichzeitig sorgen der niedrigere Schwerpunkt, die dickeren Stabilisatoren und die Breitreifen für mehr Grip und eine noch souveränere Straßenlage.

Auch die Lenkung profitiert von der exakteren Chassis-Geometrie. Das jetzt viermal schnellere ESP erlaubt in einer Mittelstellung namens Dynamic Mode ein Plus an Schlupf und einen sportlicheren Fahrstil. Ganz abschalten sollte man das Stabilitätssystem jedoch nur auf der Rennstrecke, denn: Trotz Allradantrieb mit variabler Momentenverteilung ist ein ins Rutschen gekommener GT Speed kein guter Anfang einer langen Männerfreundschaft.

Zum Speed-Paket gehören die bildschön dunkelgrau lackierten Felgen, das neue GT-Gesicht mit dem größeren Lufteinlass im Stoßfänger, das Drei-Speichen-Lenkrad, die Pedalerie aus Aluminium sowie die rautenförmig abgesteppten Ledersitze; ebenfalls neu sind Reifendruckanzeige, Bluetooth-Telefon und Rückfahrkamera.

Umweltfreundlicher Antrieb nicht in Sicht

Das klingt nach Vollausstattung - aber nur bis zum Studium der Preisliste, die vom TV-Tuner bis zum Sonderleder weitere Verführungen bereithält. Was fehlt, ist ein wirklich modernes Navigationssystem, eine Top-Audioanlage und in letzter Konsequenz auch eine umweltfreundlichere Antriebsquelle, wobei das Spektrum möglicher Alternativen vom Flexfuel-Motor über eine Hybrid-Option bis hin zum Diesel reicht.

Der Speed GT ist, stünde er in einer Barkarte, so etwas wie ein "Conti pur" - straight up, ohne Soda, Eis, Ginger Ale, Wasser und Cocktailkirsche. Er geht besser, liegt besser und bremst besser. Ohne dabei auch nur eine einzige Kernkompetenz des Grundmodells zu vernachlässigen.

Keine Frage: Auch dieser Bentley ist teuer und sehr durstig. Aber als eher selten bewegtes Auto für gewisse Stunden hinterlässt er auf der globalen Umweltbilanz eigentlich nur ein paar klitzekleine Kondensstreifen.

© SZ vom 1.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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