Fahrbericht: Audi R8:Der Erreger

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Noch nie hat ein Audi für derartiges Aufsehen gesorgt: Eine Ausfahrt mit dem neuen R8.

Jörg Reichle

Es muss an dieser Form liegen, dass ihn jeder anstarrt. Aggressiv der Blick, leuchtdiodenunterlegt wie ein silberner Lidstrich, fließend die Linie, kurz, breit und schräg nach vorn geneigt das Heck. Satt stehen die Räder unterm Blech. Die Kabine angriffslustig in Richtung Vorderachse gerückt. Dahinter, noch vor der Hinterachse, der Achtzylinder in einer gläsernen Vitrine. Mechanisch kühl, exhibitionistisch und provozierend. Das ganze Auto auf dem Sprung. Nur 1,25 Meter hoch und doch aus jedem Blickwinkel unübersehbar.

Der losgrollende V8 lässt den 1,6 Tonnen schweren R8 von der Sehne schnellen wie nichts. (Foto: Foto: Hersteller)

Allgemeines Glotzen, Strahlen, hundertfach Daumen hoch

Der neue Audi R8 ist seit Anfang Juni im Handel, aber noch kaum auf der Straße, vielleicht rühren auch daher diese Auftritte. Das hat noch kein Testwagen geschafft, kein Lambo, kein Ferrari, Porsche schon gleich gar nicht: allgemeines Glotzen, Strahlen, hundertfach Daumen hoch. An der Tankstelle Volksaufläufe, eine Blondine bietet spontan den Schlüsseltausch an. In den Straßencafés wird tassenweise Cappuccino verschüttet und selbst auf der Autobahn zucken aus zig Autofenstern schussbereite Fotohandys. Manchmal blitzt es hinter einem, dabei ist man in gar keine Radarfalle getappt, es hat nur mal wieder einer fotografiert. Und das in Zeiten von Klimadebatte und Autoschelte!

Man glaubt es kaum: 349 Gramm CO2 stößt der R8 pro Kilometer in die Luft, verspeist alle 100 gut und gerne 15 Liter vom besten Super Plus und trotzdem klopfen dir wildfremde Leute bewundernd auf die Schulter, statt dich in die ewige Hölle der mutwilligen Luftverpester zu wünschen.

Mit einem Druck auf den schwarzen Knopf rechts vom unten abgeflachten Volant erhebt jetzt der V8 unter der gläsernen Heckscheibe aus vier Endrohren erstmals seine Stimme. Auch er klingt erleichtert. Ein bisschen heiser noch, bis die richtige Temperatur des Metalls und der Betriebsstoffe erreicht und das Reiben und Gleiten und Toben mit dem Schmelz der Trockensumpfschmierung besänftigt ist.

Es ist übrigens auch unsere erste Begegnung mit dem sequentiellen Schaltgetriebe namens R-Tronic - nicht ganz ohne Reibereien. So gibt sich der R8 im Zuckeltempo spröde, ruckelt da und dort und bettelt um Entlassung aus dem Automatic-Modus in den manuellen Betrieb. Auch beim Rangieren hat man seine liebe Müh', den Punkt zwischen Null-Antrieb und richtig Schmackes feinfühlig zu treffen.

Und weil wir schon am Meckern sind: Was diesem Auto fehlt, sind zehn Zentimeter mehr Tiefe hinter den Sitzen, dann würde dort auch eine echte Reisetasche hineinpassen, denn vorn unter der Haube ist nicht wirklich viel Raum zu füllen, 100 Liter alles in allem. Trotzdem ist der R8 absolut ein Auto für jeden Tag (wenn man nicht ständig rückwärts einparken muss): Man kann den Jüngsten damit zur Schule bringen oder die Kleider aus der Reinigung holen (wenns nicht zu viele sind).

Dabei sitzt man perfekt, bewegt sich im Cockpit ungestreift, alles was zu bedienen ist liegt ohnehin perfekt in der Nähe und zeugt von einer Liebe zum Detail, die ihresgleichen sucht. Solide Innenwelt aus feinem Leder und karbonschwarzem Glanz. Rennatmosphäre, hinter der sich Luxus staut.

Den R8 fahren ist etwas ganz anderes. Wir empfehlen den frühen Sonntagmorgen. Zartes Sommerlicht, trockene Bahn. Die Bäume werfen lange Schattenmuster auf den Asphalt oder schneiden den Horizont in kleine Stücke. Der losgrollende V8, der bis locker 8000 dreht, lässt die 1,6 Tonnen Auto von der Sehne schnellen wie nichts, der fliegende Wagen zerteilt grünes Endlosland und erhitzt die Kühle der Wälder. Zwiebeltürme tauchen auf und verschwinden in Sekunden wieder. Wie Trugbilder.

Angriffslustig, aber leicht zu besänftigen

Kaum ahnt der Fahrer die nächste Kurve, schon ändert die Lenkung den Kurs. Präzision und feines Sensorium für den unter einem wegfliegenden Asphalt. Ideale Balance. Die Maschine im Rücken, die mehr Leistung speichert, als je gefahrlos einzusetzen ist, breitet einen basslastigen Klangteppich über die Landschaft, brüllt mal angriffslustig, ist aber, hebt man das rechte Pedal, schnell wieder besänftigt. Kein Vergleich mit dem giftigen Kreischen eines Gallardo, dafür steigt man nach 500 Autobahnkilometer aber aus dem Audi auch nicht mit einem Gehörschaden aus.

Der Rhythmus der Kurven diktiert unterdessen das Stakkato der Gangwechsel. Hört sich an wie Gewehrschüsse, zumindest im Sportmodus. Und beim Runterschalten sickert eine Dosis Zwischengas aus dem Ohr direkt in die Blutbahn. Das Fahrwerk, das sich beim Zusammenspiel von Federn und Dämpfern keine Blöße gibt, lässt sich für 1740 Euro mit einem adaptiven Dämpfersystem radikalisieren. Empfehlen kann man das aber nur Menschen, denen auch auf Landstraßen zweiter Ordnung die Plomben bombensicher sitzen.

Auf der Autobahn ist der R8 angenehmer zu fahren, als ein Elfer mit seiner permanenten Unruhe im Vorderwagen. Bei hohem Tempo ist aber auch der R8 kein Muster an Stabilität, taumelt leicht um die Längsachse. In welligen Kurven lupft man gerne das Gas.

Motorentausch mit dem Gallardo

Wenn wir noch Wünsche äußern dürften: Eine Rückfahrkamera wäre nicht schlecht, die R-Tronic könnte Feinarbeit vertragen und so blöd' es klingt: ein paar PS mehr möchten durchaus sein. Auf der Autobahn dauert es halt doch reichlich lange, bis man in die Nähe des Topspeeds kommt, aber da hat Audi ja schon Versprechungen gemacht: Demnächst soll der R8 wohl auch den 500 PS starken V10 aus dem Gallardo bekommen (und der wiederum den V8 des Audi).

Als wir den steingrauen R8 am Abend vor dem Haus parken, knistert er noch lange nach. Es gibt kein besseres Indiz für wahre Leidenschaft.

Audi R8 4.2 FSI Quattro; 309 kW (420 PS) bei 7800/min; max. Drehmoment: 430 Nm bei 4500 bis 6000/min; 0-100 km/h: 4,6 s; Vmax: 301 km/h; Testverbrauch: 15,6 Liter; CO2: 349 g/km (Werksangabe); Grundpreis: 111 790 Euro.

© SZ vom 21.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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