Extremes Auto-Tuning:"Die Sinnfrage darf man aber nicht stellen"

Lesezeit: 3 min

Weshalb sich mit serienmäßigen 480 PS in seinem Sportwagen zufrieden geben? Schließlich lassen sich noch locker 500 Stärken dazupacken. Und wer möchte nicht seinen Hubraum etwas aufbohren lassen?

Bei Autos vom Typ eines Porsche 911 Turbo oder Ferrari F430 geraten Autofans schnell ins Schwärmen: Sie reden über die Formen, über reichlich PS unter der Haube und Höchstgeschwindigkeiten, die denen von Formel-1-Boliden sehr nahe kommen.

Doch manchen Besitzern dieser Straßenrenner sind die ab Werk möglichen gut 300 km/h Spitze immer noch zu langsam. Sie lassen ihre Flitzer von Firmen hochrüsten, die sich auf das Tunen von Supersportwagen spezialisiert haben.

Das Unternehmen TechArt aus Leonberg-Höfingen in Baden-Württemberg etwa hat sich mit Umbauten von Porsche-Modellen einen Namen gemacht. Auf der Tuningmesse Essen Motor Show haben die Schwaben im Dezember ihre Version eines Porsche 911 Turbo vorgestellt.

Der 3,6-Liter-Boxermotor leistet darin nach diversen Modifikationen 427 kW/580 PS. Das sind rund 74 kW/100 PS mehr als in der Werksauslegung. Das Maximaltempo klettert von 310 auf 339 km/h, und den Sprint aus dem Stand auf Tempo 100 absolviert der Bolide in 3,4 statt 3,9 Sekunden. Das Komplettfahrzeug kostet laut TechArt ab 185.000 Euro aufwärts.

Noch mehr PS auf einen Werks-Porsche draufsatteln will ein Team um den Motortuner RS Tuning und den Fahrwerkspezialisten H&R: Der Wagen mit der Bezeichnung "Mission 400 Plus Konzept" soll auf 775 kW/1054 PS kommen und mehr als 400 km/h schnell sein. Um die Leistungs- und Fahrwerte zu erreichen, will man den Sechszylinder-Boxer von 3,6 auf 3,8 Liter Hubraum vergrößern, neue Zylinderköpfe und Hochleistungsnockenwellen montieren sowie das Dach tiefer setzen und stärker geneigte A-Säulen einziehen. Beides soll für eine windschlüpfigere Aerodynamik sorgen. Konkurrenz für den Bugatti Veyron, der amtlich mehr als 400 km/h rennt?

366 km/h mit Straßenzulassung? Lächerlich wenig!

Ziel des Projekts ist es, einen harten Konkurrenten in den Schatten zu stellen: den Brabus Rocket. Die "Rakete" auf Basis des Mercedes CLS wird von einem überarbeiteten V-12-Biturbomotor auf 366 km/h beschleunigt. Das Aggregat wurde dafür von 5,5 auf 6,3 Liter Hubraum aufgebohrt und die Leistung von 380 kW/517 PS auf 537 kW/730 PS erhöht. Mindestens 348.000 Euro muss der Kunde für den Temporausch hinblättern.

Nicht ganz so rasant fällt die Vollgasfahrt im "Le Mansory" aus, einem heiß gemachten Bentley Continental GT. Dessen Vortrieb wird laut Tuner Mansory bei 330 km/h nur vom Luftwiderstand gebremst. Eingriffe in die Motorelektronik bringen das 6,0 Liter große W-12-Aggregat auf 478 kW/650 PS, 90 mehr als in Serie.

Äußerlich unterscheidet sich der "Le Mansory" vom ab Werk eher nobel-zurückhaltend designten Bentley-Coupé durch auffällige Karosserieanbauteile und schwarze 22-Zoll-Felgen. Dazu kommt eine Lackierung in Schwarz und Orange, die den Zweitürer optisch in die Nähe des Rennsports rücken soll.

Der individuelleren Optik und besseren Fahrleistungen gleichermaßen soll wiederum ein Aerodynamikpaket des Tuners Novitec Rosso aus Stetten in Bayern dienen, welches das Unternehmen für den Ferrari F430 entwickelt hat. Frontschürze, Heckdiffusor, Schweller- und Heckflügel sollen dem italienischen Boliden zusätzlichen Abtrieb an Vorder- und Hinterachse verschaffen. Ein Bi-Kompressor bringt die Leistung des V-8-Aggregats zudem von 360 kW/490 PS auf 468 kW/636 PS. Damit steigert sich die Höchstgeschwindigkeit von 315 auf 348 km/h.

Angesichts der Schwindel erregenden PS-Zahlen und Fahrleistungen mögen sich jedoch nicht nur kritische Naturen fragen, wie sinnvoll das alles ist. "Die Sinnfrage darf man aber nicht stellen", sagt Nick Margetts vom Marktforschungsunternehmen Jato Dynamics in Limburg.

"Das hat etwas mit Selbstverwirklichung und Selbstdarstellung zu tun." Fahrern eines getunten Supersportwagens gehe es vor allem darum, etwas völlig Individuelles zu besitzen, das kein anderer hat - egal, was es kostet. "Das gibt den Käufern ein gutes Gefühl."

Den Umsatz bringen andere

Das sieht Hans-Jörg Köninger vom Verband Deutscher Automobiltuner (VDAT) im bayerischen Hiltmannsdorf ähnlich: "Es gibt ihnen den Kick, zu wissen, sie könnten 350 km/h fahren."

Auf den Geldbeutel müsse die Klientel solcher "High-End-Umbauten" ohnehin nicht schauen. "Das kauft sich sicherlich nicht Lieschen Müller", sagt der VDAT-Geschäftsführer.

Die meisten dieser Kunden kämen aus dem Ausland. Im dicht besiedelten Deutschland lassen sich Geschwindigkeiten um 300 km/h ohnehin fast nirgendwo verwirklichen - auch nicht nachts auf den Autobahnen. Dass die Fahrer außerdem in der Lage sein müssen, solch ein hohes Tempo tatsächlich zu meistern, versteht sich von selbst.

Zum Teil seien aufgemotzte Supersportwagen auch als Aushängeschilder der Tuner zu verstehen, die nur in sehr geringen Stückzahlen verkauft werden, erläutert Köninger. Ein "heiß gemachter" Sportwagen sei für einen Tuner eben gut fürs Image. Den größten Teil ihres Umsatzes machten die Firmen nämlich mit alltäglicherem Zubehör: Mit den entsprechenden Rädern, Schwellern und Spoilern sollen dann auch die Golf- und Astra-Modelle etwas Motorsport-Exotik ausstrahlen.

© sueddeutsche.de/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: