Elektroantrieb:Strom aufwärts

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Die Frage, wann wir alle elektrisch Auto fahren, hängt vor allem an den Kosten. Eine Zwischenbilanz.

Joachim Becker

Es gibt noch Monarchen in der Wiener Hofburg - zumindest für Franz Fehrenbach. Auf dem 29. Internationalen Motorensymposium bezeichnete er die Automobilbosse gerade als Könige, die über den Lauf der mobilen Welt entscheiden würden. Zwei der Mächtigen saßen neben dem Bosch-Geschäftsführer auf dem Podium des barocken Stadtschlosses: Volkswagen-Konzernlenker Martin Winterkorn und Daimler-Chef Dieter Zetsche.

Der sogenannte Plug-in-Hybrid von Volvo mit aufladbaren Batterien soll 2012 in Serie gehen. (Foto: Foto: Volvo)

Zwei Euro Stromkosten für 100 Kilometer Fahrt

Beide sind bisher nicht als notorische Weltverbesserer aufgefallen. Umso erstaunlicher waren ihre Proklamationen zum Antrieb von morgen: "Bis 2010 wird der Volkswagen-Konzern das erste Elektroauto zeigen. Unser Ziel ist es, als erster Hersteller eine abgasfreie, sichere und bezahlbare Großserienlösung zu bieten", kündigte VW-Chef Martin Winterkorn vor rund 1000 Fachleuten aus aller Welt an.

Das Wiener Motorensymposium ist das Allerheiligste der Wärmekraftmaschinen. Was nicht brennt und knattert, hat bei den versammelten Thermodynamikern traditionell schlechte Karten. Die Hybrid-Offensive aus Japan wurde lange belächelt, weil Zwitter aus Verbrennungs- und Elektromotoren eine teure Nischentechnologie seien.

Getrieben von immer strengeren Gesetzen zur Luftreinhaltung und CO2-Minderung können die Autohersteller künftig jedoch keine Alternative außen vor lassen. Folgerichtig plädierte Zetsche für eine individuelle urbane Mobilität ohne Lärm und Gestank: "Für ein batteriegetriebenes Elektroauto fallen nur etwa zwei Euro Stromkosten pro 100 Kilometer an. Gleichzeitig fährt ein Elektroauto lokal emissionsfrei. Und mit intelligenten Geschäftsideen ist es auch ein Business Case für die Automobilbranche."

Elektromobile (2)
:Wir summen und surren immer besser

Am Elektroantrieb führt zumindesten in naher Zukunft kein Weg vorbei. Ideen gibt es viele, eine Serienfertigung ist noch nicht in Sicht.

Ist der Verbrennungsmotor also ein Auslaufmodell? Werden Elektrofahrzeuge zumindest in Innenstädten auf die Überholspur wechseln? "Das Thema brizzelt, die Zeit ist reif für solche Autos", bringt Wolfgang Steiger die Stimmung in der Branche auf den Punkt, "wir haben 200 Forscher befragt. Sie erwarten mittelfristig ein Batteriegewicht von 100 Kilo für eine Reichweite von 70 Kilometern", berichtet der Leiter der VW-Antriebsforschung.

Bereits 2010 will General Motors den Chevrolet Volt auf den Markt bringen. (Foto: Foto: Chevrolet)

18 Kilowatt Speicherleistung kosten 8000 Dollar

Ganz so weit ist der Elektro-Fortschritt allerdings noch nicht. General Motors hat für 2010 den Chevrolet Volt angekündigt, der 64 Kilometer rein elektrisch fahren soll. Der Lithium-Ionen-Akku für diese Reichweite wiegt 175 Kilo. Ein wirkliches Leichtgewicht ist auch der 120 kW starke Elektromotor auf der Vorderachse nicht. Gravierender für die Serienproduktion ist allerdings, dass noch niemand wirklich weiß, wie viele Jahre der Energiespeicher das tiefe Be- und Entladen durchhält. "Ist die Batterie tatsächlich so zyklisierbar, wie die Zulieferer versprechen und was kostet das System in der Serienproduktion? Am Ende muss es der Kunde ja kaufen", gibt Wolfgang Steiger zu bedenken.

Hochenergiebatterien sind eine Schlüsseltechnologie der Zukunft, doch bei der Preisfrage verweigern die meisten Autobosse jede Aussage. "Zumindest im Volumensegment liegt die Schmerzgrenze beim Aufpreis für eine saubere Antriebstechnologie in Deutschland im Schnitt bei 2000 Euro pro Fahrzeug", gibt Dieter Zetsche zu. Das wird für einen leistungsfähigen Elektroantrieb nicht reichen: "Alle Hersteller reißen sich um die ersten Batterie-Prototypen, doch wir sind weit von den Kostenvorgaben für eine Serienproduktion entfernt", bekennt Gerhard Schmidt. Der Leiter von Forschung und Vorentwicklung bei Ford nennt 500 Dollar je Kilowattstunde Speicherleistung als Kostenziel: "In den nächsten Jahren werden Lithium-Ionen-Batterien für Elektrofahrzeuge aber vier bis fünf Mal so teuer sein."

16 Kilowattstunden Speicherleistung im Chevrolet Volt würden demnach unter Großserienbedingungen mindestens 8000 US-Dollar oder 5000 Euro kosten. Dieser Schätzung widersprechen auch die Experten des Batterie-Zulieferers Continental nicht. Schmidts Taxierung des derzeitigen Preises auf rund 20.000 Euro wollen sie allerdings nicht kommentieren. Das schlechte Kosten-Leistungs-Verhältnis der Akkus hat die E-Euphorie bereits in den neunziger Jahren ausgebremst, als die amerikanische Regierung Zero Emission Vehicles (ZEV) vorschreiben wollte. Entsprechende Gesetze wurden bis 2012 auf Eis gelegt, dann müssen zumindest Large Vehicle Manufacturers, also die Hersteller von großen Wagen wie GM, Ford und Chrysler, Elektrofahrzeuge anbieten.

General Motors hat aus den Erfahrungen mit der ersten Elektro-Generation Konsequenzen gezogen. "Seit dem EV1 aus den neunziger Jahren wissen wir, dass wir kein reines Elektrofahrzeug machen werden", sagt Thomas Stephens, Leiter GM Powertrain: "Die Kunden hatten einfach zu viel Angst, unterwegs wegen Energiemangels liegen zu bleiben."

Brauchen wir in Zukunft zwei Autos?

Selbst im Vergleich zu modernsten Lithium-Ionen-Batterien ist die volumetrische Energiedichte von Benzin mindestens 50 Mal höher. Ganz ohne Reservetank wagt sich der Chevrolet Volt daher nicht auf die Straße. Wenn die zwei Meter lange Batterie im Mitteltunnel ausgepowert ist und keine Ladesteckdose zur Verfügung steht, wird ein 1,4-Liter-Benziner angeworfen. Der Assistenzmotor ist nicht direkt mit den Rädern verbunden, als mobiles Ladegerät kann er jedoch eine Generatorleistung von 53 Kilowatt ins Bordnetz einspeisen.

In die Alpen würde er mit einem reinen Elektrofahrzeug ohnehin nicht fahren, bekennt Stephens, zumal dessen Kaltstarteigenschaften kritisch seien, sobald die Temperaturen unter den Gefrierpunkt sänken: "Dank des Verbrennungsmotors können wir mit dem Plug-In-Hybrid jederzeit losfahren und müssen die Batterie nicht aus den eigenen Energievorräten oder per Stromleitung auf Betriebstemperatur halten."

Brauchen wir also künftig zwei Autos, eines für die Kurzstrecken zur Arbeit und eines für längere Reisen? Auf die Frage des Kongressvorsitzenden Hans Peter Lenz bekennt Mercedes-Entwicklungsvorstand Thomas Weber: "Car-Sharing gewinnt mit Elektrofahrzeugen an Bedeutung, auch darauf müssen wir uns einstellen." Selbst BMW entwickelt unter dem Tarnnamen Project i grundlegend neue Ansätze für eine emissionsfreie City-Mobilität - als Ergänzung zur "Freude am Fahren" in der Freizeit.

Die Elektrifizierung des Antriebs ist mehr als eine neue Motorenvariante. Sie ist die Chance, individuelle Mobilität grundlegend neu zu denken. Japanische Hersteller haben auf der Tokio Motor Show 2007 bereits eine Palette futuristisch anmutender Studien gezeigt. Nissans Pivo 2 kann sowohl die Fahrgastkabine drehen als auch die Räder mit Radnabenmotoren frei verschieben, um das Fahrverhalten je nach Tempo zu optimieren.

Toyota hat auf der Messe emissionsfreie Antriebe mit völlig unterschiedlichen Karosseriekonzepten kombiniert. Das Panoptikum reicht vom rollenden Teehaus RIN bis zum maßgeschneiderten People Mover i-Real für nur eine Person. Noch einen Schritt weiter geht Renault in Kooperation mit dem Project Better Place, das Shai Agassi, Ex-Entwicklungsvorstand von SAP, gegründet hat. Ab 2011 will er zunächst in Israel und Dänemark den Ausbau einer öffentlichen Infrastruktur für Elektroautos aktiv vorantreiben. Allein in Dänemark sollen in Zusammenarbeit mit dem führenden dänischen Stromkonzern Dong rund 500.000 Ladestationen an öffentlichen Parkplätzen entstehen. Zusätzlich sind etwa 150 Wechselstellen geplant, an denen leere Batterien in Minutenschnelle gegen volle getauscht werden können.

Da Dänemark in nächtlichen Starkwind- und Schwachlastphasen mehr als genug Windenergie produziert, ist der Aufbau des elektrischen Tankstellennetzes auch aus ökologischen Gesichtspunkten sinnvoll. Sollten andere Länder mit ähnlichen Infrastrukturprojekten folgen, könnte das Rennen um die automobile Zukunft schon bald entscheiden sein - für den Elektro- und gegen den Wasserstoffantrieb.

© SZ vom 10.05.2008/gf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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