Ducati 996 / 750 Monster City / ST 4:Sportlich und ohne Kompromisse

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Das Flair der italienischen Ducatis rührt von der Kombination aus V2-Motor und handlichen Fahrwerken

(SZ vom 25.08.1999) Der Nimbus des Besonderen umgibt nur wenige Motorradmarken - der Name Ducati gehört sicher dazu. Zum Ruhm der Bologneser Firma haben vor allem Sporterfolge in der Superbike-WM beigetragen. Herzstück des Unternehmens ist die Motorenphilosophie: Man setzt auf Zweizylinder-V-Motoren, deren Ventilsteuerung desmodromisch (durch Kipphebel, ohne Ventilfedern) erfolgt.

Die US-Investorengruppe TPG zog Ducati nach den schwierigen Jahren 1996/97 aus dem Sumpf: Sie übernahm die Firma von der Cagiva-Gruppe. Gegenüber dem Mailaise-Jahr 1996 konnten 1998 Produktion und Absatz mehr als verdoppelt werden. Seither meldet man Quartal für Quartal neue Rekordzahlen: plus 31 Prozent beim Umsatz im zweiten Vierteljahr '99 gegenüber '98. Die wichtigsten Märkte sind Italien, Deutschland, die USA und England. Zu diesem Aufschung haben drei Ducati-Modelle in gänzlich unterschiedlichen Leistungs- und Preiskategorien beigetragen: Die 750 Monster City repräsentiert die am stärksten gefragte Monster-Baureihe, die ST 4 vertritt den erst jüngst entwickelten Sporttourer-Sektor und die 996 Biposto verdeutlicht, was Ducati unter dem Begriff Supersport versteht: keine Kompromisse.

Gemeinsam ist allen Ducati-Modellen der polternd zu Werke gehende V2-Motor und sein Einbau in einen Gitterrohrrahmen aus Chrom-Molybdänstahl. So treffen eine ganze Reihe von Aussagen für die drei Modelle gleichermaßen zu: Niedrige Drehzahlen mögen die Motoren nicht, doch ab etwa 3500 Touren werden sie äußerst lebhaft. Dass die flüssigkeitsgekühlen Vierventil-Triebwerke der ST 4 und der 996 noch spontaner zu Werke gehen als der luft-/ölgekühlte Zweiventil-Motor der Monster, liegt auf der Hand.

Im Falle der 996 erhält der Begriff Drehfreudigkeit seine wahre Bedeutung zurück: Blitzschnell dreht der mit einer Einspritzanlage versehene Vierventil-V2 bis in den fünfstelligen Bereich und entwickelt dabei einen sonor-bissigen Sound. 83 kW ( 113 PS) bei 8500 Umdrehungen stehen zur Verfügung.

Die Fahrleistungen sind exzellent: Tempo 100 ist nach drei Sekunden erreicht, die Höchstgeschwindigkeit ist mit 240 km/h angegeben, wurde aber auch weit über 260 km/h gemessen. Der Durchschnittsverbrauch von 6,5 Litern Superbenzin erscheint da eher maßvoll.

Dass ST 4 und Monster zurückhaltender agieren, ist konzeptionsbedingt. Doch auch das Triebwerk der ST 4 kommt bestens zur Sache; maximal werden 76 kW (103 PS) bei 9500 Umdrehungen mobilisiert. Je nach Fahrweise kommt das Einspritz-Triebwerk mit 5,1 bis 6 Litern Superbenzin aus, die Reichweite liegt bei gut 300 Kilometern.

Die 750er mit ihrem 46 kW (62 PS) leistenden Triebwerk verbraucht mit 6,5 bis 7 Litern vergleichsweise viel. Der Beiname City suggeriert eine besondere Eignung für den Nahverkehr - in der Praxis stehen dem die sehr lange Übersetzung, die (allen Ducatis gemeinsame) schwergängige Kupplung und der riesige Wendekreis entgegen.

Der Gitterrohrrahmen aller Ducatis ist auf Handlichkeit ausgelegt, verspricht aber auch Stabilität, weswegen ihre Domäne kurvenreiche Straßen sind, die höheres Tempo erlauben. Biegungen umrunden alle drei Modelle wie auf Schienen, die Feder- und Dämpfungselemente - bei ST 4 und 996 vielfältig einstellbar - sind von höchster Güte. Bei der Monster City gilt jedoch eine Einschränkung: Ab etwa 130 km/h destabilisiert das Windschild das Gefährt und verursacht Rührbewegungen. Die sind auch bei Geradeausfahrt zu spüren und verhindern Wohlbefinden bei hohem Tempo. Sehr positiv bei allen Modellen sind die standfesten Bremsen.

Während die 996 eigentlich eine Rennmaschine mit Straßenzulassung ist und auch die Sitzposition entsprechend ausfällt, hat man ST 4 und Monster auf mehr Komfort getrimmt, obwohl das Bekenntnis Sport vor Touring in jedem Fall gilt. Vermutlich werden deshalb nur wenige Beifahrer den Sitz der ST 4 wirklich lieben, denn die Knie müssen stark abgewinkelt werden. Dieses Problem stellt sich bei der City-Monster mit ihren Textil-Packtaschen nicht, weil sie die Sozius-Fußrasten blockieren.

Womit wir bei einem typischen Ducati-Thema wären: den Ungereimtheiten. Dazu gehört bei der Monster das Cockpit-Design, welches nicht nur Eleganz, sondern auch einen Drehzahlmesser vermissen lässt, außerdem ist der Seitenständer schlecht bedienbar.

Bei der ST 4 fehlt ein Gepäckträger in der Serie, auch die Spiegel-Ausleger könnten etwas länger sein. Der Wind- und Wetterschutz ist von eher sportlich-schmaler Sorte; Geschwindigkeiten über 170 km/h erfordern Kondition (und Ohrstöpsel). Oberhalb von 200 km/h rüttelt der Wind brutal am Helm - hier wäre aerodynamische Feinarbeit nötig.

Trotz der Möglichkeiten, Gepäckkoffer zu montieren: Auch die 23 840 Mark kostende ST 4 ist ein äußerst sportlich ausgelegtes Zweirad. Die Domäne der 237 Kilogramm wiegenden ST 4 ist - scusate signori - nicht das Reisen. Der Käufer einer 750 Monster City hingegen erhält für 17 340 Mark kein 08/15-Bike, sondern ein Motorrad mit Ecken und Kanten, das deshalb nicht immer vergnüglich zu fahren ist. Dafür kommt das von so vielen Motorradfahrern ersehnte Ducati-Feeling gut spürbar auf. Das erklärt auch, warum die Monster-Baureihe (es gibt auch Triebwerke mit 600 und 900 Kubikzentimetern Hubraum) die meistgefragte unter den Ducatis ist.

Klarerweise ist die 996 Biposto - nicht nur ihres Preises von 30 430 Mark wegen - ein Sonderfall. Im praktischen Fahrbetrieb erfordert die 220 Kilogramm wiegende 996 viel Einfühlungsvermögen: Die extrem geduckte Sitzposition mit tiefem Lenker und hohen Fußrasten lässt den Fahrer förmlich auf dem Tank liegen; für mehr als einstündige Ausfahrten ist neben einer kräftigen Kupplungshand eine gut ausgebildete Nackenmuskulatur nötig. Außerdem benötigt man charakterliche Reife. Denn die Güte sämtlicher Fahrwerks-komponenten zusammen mit dem kräftigen Motor setzt einen der Gefahr aus, permenent zu schnell unterwegs zu sein. Dafür ist weder an den Bremsen noch an Federung und Dämpfung oder an der Schaltung Kritik zu üben: Alles ist gerade so eingerichtet, dass man unwillkürlich die Einfahrt zur nächsten Rennstrecke sucht.

Leider haben nicht alle einen Parcours in der Nähe - das ist das Verhängnis der 996: Im Straßenverkehr bleibt ihr faszinierendes Fahrvermögen größtenteils nicht nutzbar.

Von Ulf Böhringer

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