Druckluftautos:Luftnummer

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In der Automobilindustrie herrscht dicke Luft. Dabei könnte genau das die Lösung sein, behauptet ein französisches Unternehmen. Bald soll das erste Druckluftauto auf den Markt kommen. Experten zweifeln an der Effizienz.

Von Sebastian Viehmann

Die Automobilindustrie wurde ziemlich hellhörig, als der indische Autogigant Tata Motors die Kooperation mit dem französischen Unternehmen Motor Development International (MDI) bekannt gab. Die Firma von Guy Nègre, einem ehemaligen Luftfahrt-Ingenieur und Konstrukteur von Formel-1-Motoren, arbeitet seit 1991 buchstäblich mit Hochdruck an einer besonders umweltfreundlichen Motorvariante. MDI hat zwar Versuchsfahrzeuge mit Druckluftmotoren entwickelt und erfolgreich getestet, trotz mehrerer Ankündigungen ist bis heute allerdings nichts aus der Serienproduktion geworden.

Die Drucklufttanks im OneCat der Firma MDI (Foto: Foto: Pressinform)

Tata Motors investiert

Nun stehe aber ein kleiner City-Flitzer namens "OneCat" kurz vor der Serienreife, berichtet die Fachzeitschrift Technology Review. Das Fahrzeug soll mit einer Drucktankfüllung 100 Kilometer weit kommen. Tata Motors soll fast 30 Millionen US-Dollar in die Weiterentwicklung des Druckluftautos gepumpt haben. Wie die Zeitschrift berichtet, beginne die Serienfertigung im September in Frankreich, weitere Märkte seien Spanien, Indien und Australien.

Das Herzstück des Druckluftautos ist ein Tank mit komprimierter Luft. 95 Kubikmeter werden mit 300 bar Überdruck verdichtet. Die Luft treibt in mehreren Schritten einen Kolbenmotor mit vier Zylindern an. Die "verbrauchte" Luft wird durch den Druckabfall sehr kalt (bis zu minus 15 Grad) und strömt aus dem Auspuff.

Die Leistung eines Druckluftautos liegt laut MDI zwischen vier und 75 PS. Für Lkw und Busse sind sogar Motoren mit 200 PS und mehr angedacht. "Unsere Fahrzeuge stoßen null Emissionen aus, wenn sie in der Stadt nur mit Druckluft fahren. Bei Überlandfahrt mit Druckluft und einer anderen Energiequelle sind sowohl die Emissionen als auch der Verbrauch extrem gering", verspricht MDI. Der OneCAT ist 3,4 Meter lang, leistet 22 PS und schafft nach Angaben des Unternehmens 110 km/h. Er soll 3500 bis 5300 Euro kosten und nur 1,5 Liter Sprit pro 100 Kilometer benötigen.

Der Grund für den Spritverbrauch: Auch das Druckluftauto kommt nicht ganz ohne Hilfe konventioneller Antriebe aus. Nur mit Druckluft wäre nach etwa 100 Kilometern Schluss. Ein kleiner Verbrennungsmotor soll die Reichweite auf 800 Kilometer erhöhen.

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MDI hat bereits Pläne für eine ganze Flotte von Druckluftautos in der Schublade. Eine Art Minivan für sechs Personen mit variablem Innenraum könnte es in der stärksten Version auf 75 PS und 155 km/h bringen - bei einem geschätzten Durchschnittsverbrauch von 2,2 Litern pro 100 Kilometer. Ein Bus namens MultiCAT und ein Transporter mit zehn Kubikmeter Laderaum geistern ebenfalls schon in den Köpfen der MDI-Ingenieure herum.

So faszinierend das Konzept des Druckluftautos klingt: Experten zweifeln daran, dass daraus jemals mehr werden könnte als ein Kurzstreckenfahrzeug für Öko-Freaks. Denn die Energieausbeute eines Druckluftmotors ist wesentlich geringer als bei einem Verbrennungsmotor. "Komprimierte Luft enthält nicht viel Energie - das ist das Killerargument", sagt Larry Rinek, Analyst bei der Unternehmensberatung Frost & Sullivan, in der Zeitschrift Technology Review.

Ins selbe Horn stößt Doug Nelson, Professor für Maschinenbau am Virginia Polytechnic Institute: "Das Hauptproblem ist, dass die Luft beim Komprimieren heiß wird, so dass ein großer Teil der eingesetzten Energie in die Temperaturerhöhung und nicht in die Druckerhöhung fließt", sagt er. Diese Probleme haben auch Druckluftspeicherkraftwerke, von denen bislang nur wenige existieren und an deren Optimierung zurzeit geforscht wird.

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Erwin Ruppelt vom Kompressoren-Hersteller Kaeser rechnet vor, dass eine Befüllung des Auto-Tanks mit 95 Kubikmetern entspannter Luft und 300 bar Überdruck einen Industriekompressor mit 65 Kilowattstunden elektrischer Leistung aus dem Stromnetz benötigen würde. "Die verbleibende Energie in der Druckluft ist dann noch ungefähr 20 Prozent, das heißt: Von den 65 kWh, die man aus dem Netz zieht, bleiben nur etwa 13 kWh Leistung für den Motor übrig. Und darin sind eventuelle mechanische Energieverluste noch gar nicht berücksichtigt."

Über den Tankvorgang selbst kann man bislang nur spekulieren, denn die Firma MDI macht dazu keine detaillierten Angaben. Öffentliche Tankstellen dürften aber Unmengen an Energie zum Betrieb der Kompressoren benötigen. Denn nach jedem Tankvorgang müsste ein Zentralkompressor erst wieder für den beim nächsten Tankvorgang nötigen Druck sorgen. "Wenn pro Stunde nur 20 Autos auftanken wollen, würde man dafür etwa 1,2 Megawattstunden Energie benötigen", schätzt Ruppelt.

Ein weiterer Haken für Druckluft-Tanker: Die Energie zum Betrieb der Kompressoren an der Tankstelle gäbe es wohl kaum umsonst. Und sie müsste emissionsfrei gewonnen werden, damit die Umweltrechung aufgeht - also nicht gerade in einem Kohlekraftwerk.

Auf der Habenseite hat die rollende Luftpumpe mit Hilfsmotor neben dem extrem niedrigen Schadstoffausstoß die vergleichsweise geringen Produktionskosten. Für Schwellenländer wie Indien könnte das Konzept also interessant sein. Drucklufttankstellen in Deutschland dürften aber noch in weiter Ferne liegen.

Vielleicht ist es auch besser so: Luft-Steuer und Kompressoren-Maut würden bei uns wohl nicht lange auf sich warten lassen.

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