Die Zukunft von Bentley:Warten, was kommt

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"Radikale Änderungen sind immer riskant", sagt Bentley-Chef Franz-Josef Paefgen - und äußert sich zur Zukunft der Edelmarke des VW-Konzerns.

Georg Kacher

Die drei Hauptfeinde des Bentley-Eigners heißen Steuerfahndung, Börsencrash und Sozialneid. Wenn es den anderen schlecht geht, will man nicht unbedingt Wohlstand demonstrieren. Der S-Klasse-Fahrer hat es da relativ einfach: Er wechselt vom S 500 zum S 320 BlueEfficiency, und schon ist die Klassengesellschaft wieder in Ordnung. Aber Bentley ist eben Bentley.

An der Zeit vorbeientwickelt: Der Bentley Arnage Final Series hat 505 PS, wiegt 2,6 Tonnen und stößt 395 g/km CO2 aus. Warum baut Franz-Josef Paefgen solche Autos? Weil es Kunden dafür gibt, sagt er. (Foto: N/A)

Keine Marke der Welt verkauft mehr Zwölfzylinder, acht Zylinder sind das motorische Minimum, die Skala der Verführungen beginnt mit 179.893 Euro. Dekadenz und Opulenz zehn Punkte, Effizienz null Punkte. Hat man in Crewe die Zeichen der Zeit nicht erkannt? Warum gibt es keinen Bentley mit Dieselmotor? Wo bleibt der Plug-in-Hybrid, der sogar den Lexus LS600h schlagen könnte?

"Natürlich machen wir uns Gedanken zu diesen Themen", antwortet Franz-Josef Paefgen, Chef von Bentley und Bugatti, dazu noch oberster Volkswagen-Konzernforscher und Motorsportdirektor. "Aber wir sind als Marke zu klein, um den Vorreiter spielen zu können. Diese Rolle müssen andere übernehmen. Sobald sich ein Trend bewährt und etabliert hat, werden wir rasch und mit den geeigneten Produkten nachziehen."

In der Zwischenzeit, so Paefgen, werde Bentley durch ein Bündel von Maßnahmen den CO2-Ausstoß der Palette bis 2012 um 40 Prozent reduzieren. Parallel dazu bereite man sich auf andere Eventualitäten vor - Stichwort Ethanol, Diesel, Hybrid, Downsizing, das komplette Spektrum. Die entsprechende Technik stehe auf Marken- und Konzernebene zur Verfügung. Aber: "Wir werden uns nicht verbiegen, denn das würden unsere Kunden nicht akzeptieren."

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Stärker als der normale Continental GT, und dabei auch noch leichter: Der GT Speed rennt im Ergebnis 326 km/h Spitze.

Der neueste Coup aus Crewe, der Arnage Final Series, stammt in seinen Grundzügen noch aus der Zeit, als BMW und VW um Rolls-Royce und Bentley buhlten. Der noble Viertürer wiegt 2,6 Tonnen, braucht in der Stadt 28,8 Liter, emittiert 395 g/km CO2. Ende 2009 wird der Nachfolger präsentiert. Er verwendet den gleichen 505-PS-Motor, ist noch etwas länger, wandert im Super-Luxus-Segment eine weitere Treppenstufe nach oben. Wie rechtfertigt der geistige Vater des puristischen Audi A2 Ende der neunziger Jahre dieses Overkill-Konzept? "Weil es Kunden für diese Art von Autos gibt. Es sind nicht viele, aber sie sind zahlungskräftig und loyal."

"Trotzdem", so Paefgen, "werden wir beim neuen Arnage die Energiebilanz verbessern. Ich halte beispielsweise viel vom Plug-in-Hybrid - die rund 25.000 Euro Mehrkosten wären für Bentley nicht das Problem. Was mich mehr stört, ist viel mehr das mit 200 Kilo zu hohe Batterie-Gewicht."

Wie reagiert man als Firmenchef, wenn der Markt sich verweigert? "Indem man jedes Auto, das keinen Kunden hat, nicht baut", antwortet Paefgen mit ernster Miene. "Wir müssen die Lagerbestände reduzieren, die Produktion dramatisch drosseln, die Leiharbeiter durch eigene Leute ersetzen, Zeitkonten aufbauen und die Frühpensionierung fördern. 2008 rechne ich mit einem Minus von 30 Prozent auf maximal 8500 Autos. Doch der Markt hat noch nicht komplett vollzogen, was die Wirtschaftskrise vorgibt." Jetzt mache sich bezahlt, dass Bentley den Break Even schon bei 5000 Einheiten erreiche. "Trotzdem müssen wir die Fixkosten reduzieren und gleichzeitig die Produktivität steigern, aktuell um etwa sieben Prozent pro Jahr", sagt der Bentley-Chef.

Paefgen erzählt auch von einem Kunden aus London, der jedes Jahr einen neuen Flying Spur in exakt der gleichen Spezifikation kauft, damit die Nachbarn und Geschäftspartner nichts merken. Und über die schwierige Situation auf dem Gebrauchtwagenmarkt. Auch das Einknicken vermeintlicher Wirtschaftswunder-Länder wie China und Russland besorgt ihn.

Die Fragen an den Chef der britischen Edelmarke unter dem Volkswagen-Dach drängen: Was passiert, wenn die Talfahrt anhält? Wäre es nicht vernünftig gewesen, beizeiten eine kleinere Baureihe auf Kiel zu legen, so wie es der damalige Entwicklungsvorstand Joachim Rothenpieler vorgeschlagen hatte? Wieso wehrt sich gerade Bentley gegen den Trend zu kleineren Motoren? Wann wechselt die Marke endlich von den schweren Stahlkarossen nach Phaeton-Art zur flexibleren Spaceframe-Leichtbauarchitektur, wie Audi sie mit dem nächsten A8 perfektioniert? Warum baut die Marke keinen Vollblut-Sportwagen nach Art der legendären Bentley-Boys Barnato & Birkin?

"Wir überwintern und warten, was kommt", antwortet der Chairman, und keine Sorgenfalte trübt seine Stirn. "Wenn in zwölf Monaten das Szenario wirklich deutlich schlechter sein sollte als im Augenblick, müssen wir über ein paar Dinge neu nachdenken. Aber im Moment sehe ich das nicht."

Welche Dinge meint Paefgen? Die dritte Baureihe? Ein Bentley mit Sechszylinder? Jetzt wird der Blick ernst. "Also, bevor die Firma den Bach runtergeht, mache ich lieber den nächsten Continental GT auf Basis des neuen Audi A5 und dann von mir aus auch mit einem V6 Biturbo. Das geht, aber so weit sind wir noch nicht."

Die Marke, davon ist Paefgen fest überzeugt, darf unter keinen Umständen leiden. Natürlich ist Leichtbau ein Thema, natürlich werden die Verbräuche sinken, natürlich denke man über kleinere Motoren nach. "Doch der Kunde muss mitziehen, und deswegen sind radikale Änderungen immer riskant." Der W12 sei gesetzt, aber es könnte daneben auch etwas anderes geben. "Der V8 bleibt im Programm, aber vielleicht nicht als Solitär."

"Wir wollen den Fortschritt", beteuert der Bentley-Chef. "Aber wir sind nicht stark genug, um ihm im Alleingang den Weg zu ebnen."

© SZ vom 3.1.2009/gf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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