Citroën Xantia:Einen Namen braucht das Automobil

Mit serienmäßigem ABS, komfortablem Fahrwerk und zu Preisen von 29 600 Mark an aufwärts

(SZ vom 04.09.1993) Auch bei Citroën kommt es inzwischen auf die Masse an: Die Zeiten, in denen diese einst ungewöhnlich gestylten Automobile aus Frankreich für einen kleinen Kreis avantgardistischer Kenner konzipiert waren, sind vorbei, denn mit höheren Stückzahlen läßt sich mehr Geld in die Konzernkasse einfahren. Daß beim Schielen auf einen größeren Kundenkreis die Unverwechselbarkeit eines Automobils aber dennoch nicht ganz verloren gehen muß, beweist Citroën mit dem Xantia, dem Nachfolger der seit mehr als zehn Jahren produzierten BX-Baureihe. Von vorne ist dieser Mittelklassewagen an der XM-typischen Schnauze auf Anhieb als Citroën zu identifizieren, von hinten betrachtet, könnte er ein Japaner sein.

Mit dem Xantia, der im September auf den deutschen Markt kommt, bricht Citroën auch mit einer anderen Tradition: Einen Namen braucht das Automobil, heißt die neue Marketingstrategie, denn die bisherigen Kürzel waren nicht mehr logisch aufgebaut: AX, BX, ZX, XM - wer soll sich da noch auskennen. Und das Kunstwort Xantia läßt sich überall in Europa gut aussprechen.

Mit drei Motorvarianten jagt der Xantia seine Konkurrenten wie den Opel Vectra, die BMW 3er-Reihe oder die Mercedes C- Klasse: Als Einsteigermodell dient vorerst ein 1,8-Liter-Vierzylindermotor, der 74 kW (101 PS) leistet und den 1,8i 187 km/h schnell macht. Dabei schluckt das Aggregat im DIN-Drittelmix 8,2 Liter Super bleifrei auf 100 Kilometer. Wie erste kurze Fahrten ergaben, ist man mit dem 1,8i keineswegs untermotorisiert. Der Motor klingt zwar etwas kernig und muß manchmal mit Hilfe des Schalthebels bei Laune, sprich Drehzahl, gehalten werden, harmonisiert aber insgesamt gut mit dem Xantia. Subjektiv ist nur wenig Unterschied zum 2,0i zu verspüren, der immerhin mit 89 kW (121 PS) ausgestattet ist. Die Höchstgeschwindigkeit liegt in diesem Fall bei 198 km/h, der Spurt von Null auf 100 km/h kann in 11,5 Sekunden absolviert werden. Diese Mehrleistung schlägt sich in einem um 0,4 Liter höheren Durchschnittsverbrauch nieder.

Wer noch mehr Leistung verlangt, kann zum Xantia 16V greifen, dessen 2,0-Liter- Motor von vier Ventilen pro Zylinder beatmet wird und über ein variables Ansaugsystem verfügt. Dadurch steigt die Leistung auf 112 kW (152 PS), was ein Tiefflug-Tempo von 213 km/h ermöglicht. Der Kraftstoffverbrauch dürfte sich in der Praxis bei etwa zehn Litern einpendeln, die Werksangabe beträgt 8,9 Liter auf 100 Kilometer. Die Preise im Überblick: Für den 1,8i 31 000 Mark, für den 2,0i 37 000 Mark und für den 2,0i 16V 44 000 Mark. Je nach Motorisierung sind die Ausstattungsvarianten X, SX und VSX lieferbar. Positiv: Alle Xantia werden serienmäßig mit ABS ausgestattet.

Wer mehr Wert auf die Ökonomie legt, muß sich noch bis Oktober gedulden, wenn der Xantia 1,6i nachgeschoben wird: Dessen 1,6-Liter-Motor leistet 65 kW (88 PS), macht die Limousine mit Stummelheck175 km/h schnell und verbraucht im Durchschnitt 7,9 Liter auf 100 Kilometer. Der Preis für den Kleinsten: 29 600 Mark. Die Modellpalette wird dann 1994 vervollständigt werden: mit einem Turbodiesel im Januar, einem Saugdiesel im Juni und einer Turbodiesel-Automatik- Version im Juli, die Break genannte Kombiversion läßt bis 1995 auf sich warten.

Fahrwerk der zweiten Generation

Wenn schon das Design nicht mehr typisch Citroën ist, so kann man dies für das Fahrwerk nur bestätigen: Es ist in jeder Lebenslage komfortabel, läßt aber sportlich-straffe Härte durchblitzen, wenn es darauf ankommt - etwa in schnell gefahrenen Kurven. Dafür sorgt in den 1,6- und 1,8-Liter-Modell das hydropneumatische, und in den 2,0-Liter- Modellen das hydractive Fahrwerk der zweiten Generation, das auch im Flaggschiff XM eingesetzt wird. Das Prinzip dieses Systems: Anstelle von konventionellen Stahlfedern werden mit Stickstoff gefüllte Federkugeln verwendet, die Unebenheiten der Fahrbahn schlucken. Ein mit Hydrauliköl gefülltes Leitungssystem verbindet diese Stickstoffpolster. Das Öl wird - von Höhensensoren gesteuert - dorthin gepreßt, wo es gerade etwas zu dämpfen gibt.

In der Weiterentwicklung Hydractive II übernimmt ein schneller Computer im Motorraum die Steuerung des Systems. Außerdem wurde die Anzahl der Federkugeln erhöht. In der Praxis ergibt dies ein Fahrwerk, das sowohl Autobahnen als auch schlechte Landstraßen problemlos bewältigt: Die Passagiere merken eigentlich nichts von den elektronischen Helfern und fühlen sich immer komfortabel aufgehoben. Als Zusatzfunktion bietet dieses Fahrwerkssystem die Optionen, die Karosserie anzuheben (was auf unebenem Terrain von Vorteil ist) oder abzusenken (erschwert den unerlaubten Zugriff auf Leichtmetallfelgen).

Weitere Notizen von der ersten Probefahrt: Der Knopf für die elektrische Spiegelverstellung ist so angeordnet, daß man sich bei der Bedienung die Finger brechen kann; das Handschuhfach macht seinem Namen alle Ehre, weil sich dahinter Teile der Klimaanlage breit machen; die Haltestange, die vor dem Beifahrer auf dem Armaturenbrett angebracht ist, scheint von einem Geländewagen zu stammen; die Auflagefläche der Sitze ist zu kurz geraten,und Langbeinige meiden am besten den Fond.

Auf der Haben-Seite: Der Kofferraum ist großzügig und glattflächig, die Ladekante niedrig; die Instrumentierung ist klar und deutlich; der Knopf der Warnblinkanlage versteckt sich nicht - wie immer häufiger üblich - hinter dem Lenkrad; das Volant liegt gut in der Hand; die Bremsen machen einen standfesten und zupackenden Eindruck; die Plastikverkleidungen wirken gediegen.

6800 Xantia will Citroën heuer noch in Deutschland verkaufen, nächstes Jahr dann 21 000 Stück und 1995 gar 25 000 Exemplare. Wirtschaftsflaute hin oder her: Zumindest den Optimismus haben die Franzosen nicht verloren.

Von Otto Fritscher

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