Chevrolet Alero:Amerikanisch sein als Programm

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Die Mittelklasselimousine ist eine Alternative zu den Etablierten / Preise beginnen bei 43 000 Mark

(SZ vom 17.02.1999) Kaum ein Markt ist härter umkämpft: In der automobilen Mittelklasse ist die Modellvielfalt beinahe unüberschaubar geworden, und es gibt eigentlich nur zwei Rezepte, um hier erfolgreich zu sein: zum Kreis der Besten zu gehören - oder einfach anders zu sein. Diese beiden Möglichkeiten bieten sich vor allem den beiden amerikanischen Herstellern General Motors und Chrysler, die ihre Pkw-Modelle in Europa nicht gerade in astronomischen Stückzahlen absetzen. Doch der alte Kontinent ist wichtig genug, um auch hier die Freunde des American way of drive zu bedienen - wenngleich mit unterschiedlichen Strategien.

Chrysler hat von seinem jüngsten bei uns erhältlichen Sproß, dem 300M, behauptet, dies sei das europäischste Auto, das je in Amerika gebaut worden sei. Tatsächlich können das straffe Fahrwerk und das agile Handling manchen Fahrer zu dem Schluß verleiten, in einem Wagen europäischer Provenienz zu sitzen.

Bestimmt nicht aus Deutschland

Branchenführer GM geht einen anderen Weg: Man sucht nicht über eine Adaption an europäische Fahrgewohnheiten den Erfolg, sondern zielt auf die Nische, die ganz bewußt ein anderes, ein typisch amerikanisches Auto haben will. Neues Beispiel dafür ist der Chevrolet Alero, der in den USA unter den Markennamen Oldsmobile und Pontiac verkauft wird.

Betrachtet man den 4,74 Meter langen Alero, ist auf den ersten Blick klar, daß dieses Auto weder aus Deutschland noch aus Japan kommen kann. Kein Designer aus diesen Ländern würde es wagen, so überdimensionierte Heckleuchten, die beinahe die Hälfte der Heckpartie einzunehmen scheinen, seinem Chef zu präsentieren. Ein Blick in den Kofferraum offenbart, daß hier eine relativ hohe Ladekante, weit in das Gepäckabteil ragende Radkästen und eine relativ schmale Durchreiche funktionelle Nachteile mit sich bringen. So fällt bei einer ersten Sitzprobe auf, daß es eine Kunst sein kann, in einem an die Fünf-Meter-Grenze heranreichenden Auto einen im Vergleich kleinen Innenraum zu schaffen.

Doch nach diesen kritischen Blicken kommt langsam Wohlbehagen auf: Die Vordersitze sind bequem, und schon nach den ersten Kilometern Fahrt wird deutlich, daß ein sportliches Äußeres mit einem viele Annehmlichkeiten bietenden Interieur eine gelungene Verbindung eingehen kann. Beim Alero sind nämlich viele nützliche Dinge serienmäßig an Bord, die anderswo extra bezahlt werden müssen: eine Klimaanlage, ein CD-Spieler und ein Tempomat etwa. Die serienmäßige Viergang-Automatik schaltet butterweich, und schon die Basismotorisierung, ein 2,4-Liter-Vierzylinder mit 104 kW (141 PS) stellt in allen Lebens- und Straßenlagen mehr als ausreichend Leistung bereit. Hier die Fahrleistungen für die Zahlenfetischisten: Höchstgeschwindigkeit 200 km/h, Beschleunigung von Null auf 100 km/h in 10,6 Sekunden, Durchschnittsverbrauch 9,4 Liter Normalbenzin auf 100 Kilometer. Der alternativ angebotene 3,4-Liter-V6 stellt 130 kW (177 PS) bereit, ist einen Stundenkilometer schneller als sein kleinerer Bruder, schafft aber den Standardsprint in 9,2 Sekunden. Dafür gönnt sich der V6 mit 12,0 Litern im Schnitt auch einiges mehr an Betriebsstoff.

Den Durst als typisch amerikanisch zu bezeichnen, wäre ungerecht. Aber das Fahrwerk des Alero erfüllt alle Vorurteile, die man gegenüber in Detroit erarbeiteten Federungs- und Dämpfungsabstimmungen hegt und pflegt. Es ist weich, zu weich, vor allem in schnell gefahrenen Kurven. Immerhin zeigt der Vorderradantrieb, der serienmäßig mit einer Traktionskontrolle kombiniert ist, nur wenig Einfluß auf die Lenkung. Diese beschreibt GM zwar als "präzise arbeitend", aber vor allem um die Mittellage herum ist sie zu indifferent. ABS und Scheibenbremsen verrichten klaglos ihren Dienst, aber das Bremspedal erfordert einen harten Tritt und läßt sich nur schlecht feinfühlig dosieren. Am wohlsten fühlt sich der Alero auf guten Landstraßen oder der Autobahn.

Zur Serienausstattung des Alero gehört auch ein elektronisches System, das den Luftdruck der Reifen überwacht und bei einem Druckverlust optisch und akustisch Alarm schlägt. Apropos Alarm: Auf der Fernbedienung der Zentralverriegelung findet sich eigens ein Alarmknopf, dessen Sinn sich aber nicht ganz erschließt: Wird er gedrückt, hupt das Auto in regelmäßigen Intervallen. Soll das Autoknacker verscheuchen, hilft das Getöse, das Auto auf dem Parkplatz des Supermarktes wiederzufinden, oder ist das Gehupe ein probates Mittel, um vom Straßencafé aus harmlose Passanten zu erschrecken?

Verkaufsstart am 5. März

Mit seiner Serienausstattung hebt sich der Alero auf jeden Fall deutlich von der deutschen Konkurrenz ab, und so fürchtet man bei GM nicht, Autos wie dem Vectra oder dem Omega hausinterne Konkurrenz zu bereiten. Mit einem Basispreis von 43 000 Mark ist der Alero eine Alternative für alle, die vielleicht anders, besonders aber amerikanisch sein wollen. Wer einen V6 unter der Haube haben will, muß mindestens 50 800 Mark investieren. 850 Alero will GM vom Verkaufsstart am 5. März bis zum Jahresende in Deutschland verkaufen - wahrscheinlich lassen sich sogar noch einige Interessenten mehr finden, die den American way of drive bevorzugen. Wenngleich sie vermutlich nie auf die Idee kämen, sich die Hauptkonkurrenten, die der Alero in den USA hat, näher anzusehen: den Honda Accord und den Toyota Camry. Andere Länder, andere Sitten.

Von Otto Fritscher

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