BMW M5:M macht müde Männer munter

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Höchstleistung per Knopfdruck oder: 511 Kilometer in einer Limousine, die man nicht vergisst

Von Georg Kacher

Es gibt Autos, die vergisst man nie. Sie loggen sich ungefragt ein auf der Festplatte unserer Erinnerung, unauslöschlich im Unterbewusstsein an vorderster Front, zumindest so lange, bis sie der nächste Fixstern überstrahlt. Dabei ist das Spektrum der Extreme durchaus breit gefächert: 2004 reicht es bis dato vom Renault Modus bis zum Porsche 911 Carrera S. Doch der neue Liebling des Herzens heißt BMW M5.

(Foto: Foto: BMW)

Letzte Nacht schlief der Autor ein mit dem aufgeklappten Prospekt in der Hand, und am nächsten Morgen zuckte bereits zwischen Kaffee und Croissant der Gasfuß vor Verlangen. Ein schwerer Fall von dementia automobilaris? Vielleicht. Ganz sicher aber der Eindruck von bleibender Begeisterung, die in dieser Intensität bislang noch keine andere Sportlimousine ausgelöst hat.

Sieben Gänge

Dabei hatte der Kopf Zeit genug, den Bauch vorzuwarnen. Schon die letzte M5-Generation war nämlich eine Fahrmaschine der besonderen Art, und der Nachfolger ist von der Papierform her vollends ein Kandidat der absoluten Superlative. Zehn Zylinder statt acht, 507 statt 400 PS, sieben statt sechs Gänge. Entsprechend gespannt war die Erwartung vor der ersten Begegnung mit dem einzigen BMW, für den in meiner Garage immer ein Plätzchen frei wäre.

Sogar an die Optik kann man sich gewöhnen: Frontspoiler Marke bös & bissig (der V10 braucht doppelt so viel Luft zum Atmen wie der V8), Heckspoiler Marke Hockenheimring (der Diffusor erhöht den Anpressdruck), dazu fette 19-Zoll-Räder mit speziell angemischten Conti SportContacts, vier verchromte Endrohre und zwei windschnittige Außenspiegel.

Innere Opulenz

Der M5 ist überraschend so opulent eingerichtet wie ein Siebener. Zu den wenigen Dingen, die man dazukaufen kann, gehören Schiebedach, Navigation, Telefon, Kurvenlicht, Soundsystem und das große Lederpaket. Perfektionisten mögen den M-Multifunktionssitz bestellen, der über eine aktive Lehnenbreitenverstellung verfügt, die sich pneumatisch der Fahrweise anpasst, wobei man zwischen den Programmen Komfort, Normal und Sport wählen kann.

Einstellbare Motorleistung

Wählen ist überhaupt ein gutes Stichwort: Der neue M5 bietet nämlich fast so viel Wahlmöglichkeiten wie ein Lottoschein. Der Fahrer muss eine Dämpfereinstellung vorwählen, eine Lenkungskennlinie, eine Schaltgeschwindigkeit, ein Fahrprogramm, ein Mehr oder Weniger an Traktionshilfe, den Modus des Head-Up-Displays und sogar - das ist eine Weltneuheit - die Motorleistung. Gestartet wird grundsätzlich in P400, also mit 400 PS. Warum? ¸¸Weil das für viele Fahrsituationen vollkommen ausreicht", erklärt Gerd Richter, technischer Geschäftsführer der M Division, mit Sinn für die Realität.

M und S

Wer mehr Power will, muss die entsprechende Taste drücken oder den M-Knopf im Multifunktionslenkrad betätigen. Das M steht für MDrive und damit für die ziemlich einzigartige Möglichkeit, das Auto so abzustimmen, wie man es am liebsten fährt. Im Normalfall empfehlen sich P500 (die volle 507-PS-Leistung), die zweitschnellste Schaltgeschwindigkeit, die mittlere Dämpferstufe und die volle DSC-Unterstützung.

Auf der Rennstrecke wählen Profis P500S (das S steht für die schnellere Gaspedal- und Lenkungskennung), die sportlichste Fahrwerksabstimmung und jene DSC-Einstellung, die ein gerade noch unkritisches Maß an Schlupf zulässt. Leider verstecken sich einige dieser Funktionen in den Untiefen des iDrive-Menüs, in das man nicht so ohne weiteres hineinfindet, dank ESC-Taste jedoch wenigstens jederzeit wieder herauskommt.

Die Sache mit dem geölten Blitz

(Foto: Foto: BMW)

Genug Theorie - Gentleman, start your engine! Der 5,0-Liter-V10 überzieht schon im Leerlauf das Trommelfell mit Gänsehaut. Aber es kommt noch besser. Wir wählen volle Leistung, sequenzielle Schaltung, geben Gas und wissen jetzt, wie sich ein geölter Blitz bei der Arbeit fühlt. In Zahlen übersetzt heißt das: von Null auf 100 km/h in 4,7 Sekunden, von Null auf 200 km/h in 14,4 Sekunden. Die entsprechenden Werte für P400 lauten 5,4 und 18,0 Sekunden.

In beiden Modi ist der M5 maximal 250 km/h schnell, aber weil bei BMW selbst die Chips nach oben streuen, wird erst bei Tacho 270 abgeriegelt. Auf der Kehrseite der Medaille klebt die Tankrechnung. Nach EU-Norm verbraucht der Fünfsitzer 14,8 Liter auf 100 km, doch wer sich nicht zurückhält, überschreitet flugs die 20-Liter-Marke.

Wenig zu wünschen

Obwohl wir als kritische Berichterstatter jede Schwäche akribisch festhalten, ist die Mängelliste unerwartet kurz. Zu den wichtigsten Kritikpunkten gehören der hohe Verbrauch, das nach wie vor eher verwirrende iDrive-Bediensystem, das immer noch nicht optimale Automatik-Fahrprogramm und die lenkradfesten Schaltwippen, die weniger intuitiv zur Hand liegen als fix installierte Paddel. Über jeden Zweifel erhaben sind dagegen die Fahreigenschaften - auch ohne Aktivlenkung und die Dynamic-Drive-Wankstabilisierung.

"Wir haben eine eigenständige Lösung gesucht", erklärt Gerd Richter. "Das Resultat ist eine betont sportliche und fahraktive Abstimmung, bei der der Komfort nicht zu kurz kommt." Vor allem früh morgens, wenn sich die Radarfallen noch den Schlaf aus den Rotlichtaugen reiben, läuft der M5 zu großer Form auf.

Nahe der Perfektion

Auszüge aus dem Notizbuch: Beschleunigung im Stil einer hungrigen Turbine, Bremsen verzögern bis zur Selbstaufgabe, untersteuert weniger stark als der Vorgänger, cremiges Handling im Grenzbereich, Zauber-Lenkung mit eingebautem siebten Sinn, vertrauensbildende Straßenlage, Richtungsstabilität wie mit dem Lineal gezogen, prompte und akkurate Rückmeldung ohne Wegfiltern oder Überzeichnen.

Eineinhalb Tage mit dem neuen M5 waren leider viel zu kurz, um sich von der Sucht wieder zu lösen, und die aufgerufenen 86.200 Euro sind selbst zu Niedrigzinszeiten zu viel. Da bleibt als Kompensation nur die dünne Nachtlektüre, die inzwischen Eselsohren angesetzt hat, und die Erinnerung an exakt 511 besonders beeindruckende Kilometer. Und geträumt wird von sofort an nicht mehr schwarz-weiß sondern in malachitgrün mit Leder caramel.

© Süddeutsche Zeitung, 25. 9. 2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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