BMW M5:Die feine bayerische Art

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Für 120 850 Mark gibt es Understatement und viel Handarbeit

(SZ vom 30.12.1992) Dem Inselvolk jenseits des Ärmelkanals sagt man nach, über jenes Maß an Zurückhaltung zu verfügen, das man gemeinhin die 'feine englische Art' nennt. Mißfallen drückt ein nobler Brite nicht durch einen deftigen Fluch aus, wie dies der Bayer angeblich so gerne tut, er hebt bestenfalls die Augenbrauen nahezu unmerklich etwas an. Doch manchmal wollen die Klischees, die wir so lieben, einfach nicht passen. So ein Fall ist der M5 von BMW, die von der Motorsport GmbH hergestellte, stärkste Variante der BMW 5er-Reihe. Ein 3,8-Liter-Sechszylindermotor mit 250 kW (340 PS) lauert unter der Haube - aber nach außen hin geben nur wenige Details die Verwandlung von einer sportiven Familienlimousine zu einem reinrassigen Sportwagen kund: Auf Spoilerwerk und Schweller hat man glücklicherweise verzichtet, nur die breiteren Reifen und kleine M5-Embleme am Kühlergrill und am Heck zeugen von dem Anspruch, der stärkste Fünfer im Lande zu sein.

Natürlich wurden auch das Fahrwerk, die Federung und die Dämpfung der gesteigerten Motorleistung angepaßt. Herausgekommen ist aber kein brettharter Bandscheibenschädiger, sondern eine Limousine, die sich völlig problemlos durch den Alltagsverkehr steuern läßt. Lediglich ein etwas nervöses Vibrieren im Leerlauf läßt erahnen, daß auf Abruf 340 Pferdestärken bereitstehen. Wenn das Leistungspotential ausgeschöpft wird, sprintet der M5 in 5,9 Sekunden von Null auf 100 km/h, der Beschleunigung wird erst bei 250 km/h elektronisch ein Ende gesetzt. Aber dank des üppigen Hubraums läßt sich der Luxus-Sportler auch mit niedrigen Drehzahlen bewegen. Eine häufige Betätigung des Schalthebels erübrigt sich, denn ein Drehmoment von mehr als 300 Nm steht bereits von 1800/min an zur Verfügung, das Maximum von 400 Nm wird bei 4750/min erreicht.

Ein solches Kraftpotential schlägt sich natürlich leicht auf den Kraftstoffverbrauch nieder: Zwar begnügt sich der M5 nach Werksangaben mit 12,0 Litern unverbleitem Superkraftstoff auf 100 km/h im Drittelmix, allerdings ist dieser Wert in der Praxis nicht zu erreichen. Bei feinfühligem Umgang mit dem Gaspedal pendelt der Verbrauch bei etwa 15 Litern, bei einer Mischung aus Stadtverkehr und Autobahn werden schnell 18 Liter erreicht - womit aber die Schallgrenze noch nicht durchbrochen wäre.

Das Interieur verwöhnt den Fahrer mit allerlei Annehmlichkeiten - die man bei einem Preis von 120 850 Mark aber auch erwarten darf: Die Klimaautomatik läßt sich für Fahrer und Beifahrer getrennt regulieren, die Sportsitze bieten nicht nur einen exzellenten Seitenhalt, sondern lassen sich auch in vielerlei Richtungen verstellen. Uns hat vor allem die variable Länge der Schenkelauflage sehr gut getan. Alltagsfreundlich ist auch die veränderbare Einstellung der Dämpferkraft: Es kann zwischen einer 'Sport'- und einer 'Komfort'-Stellung gewählt werden.

Ob solche Automobile wie der M5 noch zeitgemäß sind? Diese Frage wird - den Regeln der Marktwirtschaft entsprechend - durch das Interesse der Käufer beantwortet. Wer auf eine starke Motorisierung nicht verzichten will, aber auf eine dezente Optik Wert legt, bekommt mit dem M5 zwei Autos in einem: eine absolut alltagstaugliche Limousine und einen Sportwagen. Nur im Winter sollte man den M5 besser in der Garage stehen lassen.

Von Otto Fritscher

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