BMW Dreier:Auf Nummer sicher

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Der Neue kann vieles besser als sein Vorgänger, doch wer wirklich Premium will, der muss richtig draufzahlen.

Von Georg Kacher

Auf den ersten Blick wirkt die Projektnummer E90 wie ein Friedensangebot - kein Heck-Tablett, kein Musterring-Cockpit, keine Adleraugen-Scheinwerfer. Auch nach dem zweiten und dritten Blick ist das Auge bereit, sich zu arrangieren.

Fünf Zentimeter länger als der Vorgänger und dreieinhalb cm mehr Radstand. Vor allem aber fast acht breiter. Das nennt man Wachstum. (Foto: Foto: BMW)

Der neue Dreier ist unverkennbar ein BMW, wenn auch einer ohne besonderen optischen Pfiff. Man ging erkennbar auf Nummer sicher.

Dafür liest sich das Datenblatt wie die Steigerungsform einer neu geborenen Modellreihe. Mehr Radstand (plus 35 mm) bedeutet mehr Platz im Fond, die größere Außenlänge (plus 49 mm) ermöglicht einen größeren Kofferraum (460 statt 440 Liter), das Plus an Breite (78 mm) dient der Schulterfreiheit und der Präsenz auf dem Laufsteg Straße.

Das neue Gesicht steht schnittig im Wind: der Cw-Wert von 0,28 für die Vierzylinder und 0,30 für die Sechszylinder verspricht geringeren Verbrauch bei hohem Tempo. Und die Motoren wurden quer durch die Bank aufgewertet.

Noch mehr Leistung

320i: 2,0-Liter-Vierzylinder, 110 kW (150 PS), 27.100 Euro; 325i: 2,5-Liter-Sechszylinder, 160 kW (218 PS), 31.900 Euro. 330i: 3,0-Liter-Sechszylinder, 190 kW (258 PS), 35.900 Euro; 320d: 2,0-Liter-Vierzylinder, 120 kW (163 PS), 29.650 Euro.

In der zweiten Jahreshälfte folgen der 95 kW (129 PS) starke 318i und der 330d, dessen Leistung auf 170 kW (231 PS) angehoben wird.

Sechs Gänge allenthalben

Wir fuhren den 330i mit dem jetzt für alle Dreier serienmäßigen Sechsgang-Getriebe. Der neue Sechszylinder hat zwar unverändert nur 3,0 Liter Hubraum, aber er hebt die Leistungs-Messlatte auf 258 PS und er gestattet sich ein mutiges Drehzahllimit von 7000/min.

Das sollte man auskosten, denn zum einen wird der Vierventiler erst ab 4000 Touren zum Ohrwurm und zum anderen verliert er beim fixen Hochschalten nur etwa 2000/min, was den besonderen Kick beim Einkuppeln erklärt.

Die Schaltbox ist ein 5+E-Getriebe, bei dem die oberste Fahrstufe als Schongang funktioniert. Dafür sind die ersten fünf Gänge angenehm eng gestaffelt. Verbesserungswürdig erscheint allenfalls die Präzision beim Anwählen und Einrasten.

Stimmiges Cockpit

Keine Adleraugen-Scheinwerfer: neuer 3er (Foto: Foto: BMW)

Das neue Cockpit ist gottlob keine Entgleisung im Stil von X3 oder M6. Hier stimmen nicht nur die Werkstoffe und die Verarbeitung, sondern auch die Bedienbarkeit.

Kritisch wird es erst, wenn man für 2800 Euro das optionale iDrive in Verbindung mit dem farbigen Großbildschirm bestellt. Der relativ komplizierte Zugriff, die teilweise verwirrende Darstellung und die zeitraubende Eingabe lenken den Fahrer länger ab, als es der Verkehrssicherheit dienlich ist.

Schade, dass BMW und der Systemlieferant es auch vier Jahre nach dem Siebener nicht geschafft haben, dieses im Prinzip stimmige System zu vereinfachen. Stattdessen gibt es mit Ausnahme der Navigation inzwischen für alle wichtigen Funktionen redundante Tasten und Knöpfe, die den iDrive-Grundgedanken teilweise ad absurdum führen.

Die Aufpreis-Armada

Der Fahrer des 330i sitzt bequem auf elektrisch verstellbaren und mit Leder bezogenen Sportsitzen, bedient die reaktionsschnelle Aktivlenkung, beauftragt die radargesteuerte Geschwindigkeitsregelung mit dem Einhalten des Sicherheitsabstands, wirft mit dem rechten Auge einen Blick auf die dynamische Routenplanung und verfolgt mit dem linken den Lichtkegel des Kurvenscheinwerfers.

Klingt gut - doch für dieses Erlebnis müssen beim Kauf Optionen im Wert von 10.970 Euro mitbestellt werden. Sogar für integral im Markenbild verankerte Bausteine wie Breitreifen, Sportabstimmung und Multifunktionslenkrad wird gesondert zur Kasse gebeten.

Damit verlangen die Münchner auch bei diesem Modell Aufpreis für jene Dinge, die aus einem 08/15-Auto erst einen echten BMW machen. Man kann auch auf die Vierzylinder-Modelle verweisen, die das Werk auf Stahlfelgen, mit Plastik-Volants und ohne beheizte Spiegel oder Nebelscheinwerfer verlassen. Schon erstaunlich, wie dicht Premium-Anspruch und Beliebigkeit beisammenliegen.

Wie ein Fünfer im Kompaktformat

Auf dem Weg von A nach B kann der neue Dreier fast alles besser als sein Vorgänger. Er fährt sich weniger wie ein großer Einser, sondern eher wie ein Fünfer im Kompaktformat. Die empfehlenswerte Aktivlenkung ist ein kompromissloses Präzisionselement, die verbesserten Bremsen (Trockenwisch-Funktion bei Regen, Soft-Stopp-Funktion im Stadtverkehr, Hill-Holder an Steigungen) versprechen noch beeindruckendere Verzögerungswerte, das Breitspurfahrwerk liegt besonders satt auf der Straße.

Doch trotz der überzeugenden Daten und Fakten springt der Funke nicht auf Anhieb über. Das liegt einzig und allein daran, dass dieser BMW seinen Fahrer an der technischen Überlegenheit nur bedingt teilhaben lässt. Er filtert lieber als zu kommunizieren, er regelt lieber ab als zu involvieren, er dämpft lieber, anstatt zu inspirieren.

Entmündigter Fahrer?

Das Schutzengel-Quintett aus ABS, DSC, DTC, BDC und CBC verdient den Goldenen Chip für perfekte Rundum-Abschirmung, doch der Mensch am Lenkrad wünscht sich schlicht und einfach mehr Transparenz und mehr Rückmeldung, vor allem in der kritischen Zone zwischen Gleiten und Grenzbereich.

Wer wissen will, was der 330i wirklich kann, sollte entweder DTC (bedingter Schlupf) aktivieren oder das DSC (Stabilitätskontrolle) ganz abschalten. Erst jetzt erlebt man das Auto wirklich. Das leicht artifizielle Gefühl in Lenkung und Bremse bleibt zwar bestehen, doch das Fahrwerk kann sich endlich ausleben und der Motor darf die 17-Zöller richtig herausfordern.

Wir können auch anders

Es lohnt sich, auf den Elektronik-Overkill zu verzichten, selbst den Takt vorzugeben und ganz bewusst bis ans Limit zu gehen, wo der rechte Fuß mit viel Gefühl die Erlebniswelt von der Guckkastenbühne zum Breitwandformat auffächert.

Das funktioniert zwar wie einstudiert, aber trotzdem wünschen wir uns eine besser gedämpfte Seitenneigung des Aufbaus und ein weniger sprödes Ansprechverhalten der überarbeiteten Dämpfer, die mit den steifen Flanken der Notlaufreifen ihre liebe Not haben.

Harte Fakten statt subtiler Zwischentöne

Was am Ende eines Fahrtages in Spanien dennoch bleibt, ist der Eindruck eines Autos, das viel verspricht und viel hält. Der E90 ist eine schlicht verpackte Demonstration überlegener Technik-Kompetenz, aber er muss aufpassen, dass er sich in seinem imposanten Elfenbeinturm nicht verfährt, denn viele Kunden wollen eher eine intuitive und interaktive Fahrmaschine als einen perfekten Überflieger.

Obwohl beim Modellwechsel ein paar jener Eigenschaften auf der Strecke geblieben sind, die BMW groß gemacht haben, dürfte der neue Dreier seine Macher nicht enttäuschen, denn in diesen modernen Zeiten zählen harte Fakten und solide Messwerte mehr als subtile Zwischentöne.

© Süddeutsche Zeitung vom 19. Januar 2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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