Bio fürs Flugzeug:Auf grünem Kurs

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Jatropha-Öl und Algen machen Kerosin Konkurrenz: Die Luftfahrt setzt auf Biotreibstoffe und will so die Emissionen deutlich senken.

Andreas Spaeth

Langsam lässt Rob Fyfe, der Chef von Air New Zealand, zwei mandelgroße, schwarze Nüsse zwischen seinen Fingern hin- und hergleiten, vor ihm steht eine leicht gelbliche Flüssigkeit in einem Reagenzglas. Beides stammt von der Jatropha-Pflanze, auch Purgiernuss genannt - diese Pflanze könnte die Luftfahrt revolutionieren. Und Fyfe ist begeistert: "Jatropha hat eine zentrale Bedeutung bei der Entwicklung von nachhaltigem Biotreibstoff der zweiten Generation."

Nur ein Stück vom großen Kuchen: Die Zahlen des Umweltbundesamtes zeigen, dass der Anteil des Luftverkehrs an den CO2-Emissionen bei den Verkehrsträgern in Deutschalnd bei elf Prozent liegt. (Foto: Foto: SZ-Graphik)

Air New Zealand war weltweit die erste Fluggesellschaft, die ein Passagierflugzeug fliegen ließ, bei dem ein Triebwerk mit einem 50:50-Gemisch aus Kerosin und neuartigem Biotreibstoff angetrieben wurde. "Die während des zweistündigen Fluges mit einer Boeing 747-400 gemachten Tests zur Prüfung der Leistungsfähigkeit von Jatropha-Öl im Tanksystem wie bei der Motorleistung haben die Laborergebnisse bestätigt", erklärte Chefpilot David Morgan nach dem ersten Testflug Ende Dezember.

Niedriger Vereisungspunkt

Jatropha-Öl erzeugt nur 60 Prozent des CO2-Ausstoßes herkömmlicher Treibstoffe aus fossiler Energie, weist aber gleichzeitig eine höhere Energiedichte auf und ist auch noch leichter; ein Liter wiegt nur 760 Gramm gegenüber 800 Gramm bei Kerosin. Wichtiges Kriterium ist auch, dass der Vereisungspunkt niedriger als bei Kerosin liegt. Beim allerersten Versuchsflug mit Biotreibstoff im Februar 2007 mit einer Boeing 747 der Fluggesellschaft Virgin Atlantic wurde noch Öl aus Kokos- und Babassunüssen eingesetzt - das aber verdickte bereits bei minus fünf Grad Celsius zu einer gelartigen Masse und ist deshalb für die Luftfahrt ungeeignet.

"Seit dem Virgin-Testflug ist viel passiert", sagt Billy Glover, der bei Boeing für diesen Bereich zuständig ist, "eine sehr schnelle Entwicklung, und Jatropha ist beinahe über Nacht aufgetaucht." Und Rob Fyfe nennt drei Kriterien, auf die es bei der Suche nach alternativen Treibstoffen ankommt: "Es muss technisch machbar, nachhaltig und kommerziell nutzbar sein." Inzwischen allerdings ist die Branche bei der zweiten Generation der Biotreibstoffe angekommen.

Vor allem die Nachhaltigkeit ist entscheidend. So dürfen geeignete Pflanzen nicht Anbaufläche für Gewächse der Nahrungsmittelproduktion wegnehmen, sondern müssen wie Jatropha dort gedeihen, wo sonst nichts wachsen kann. Die erneuerbaren Ressourcen dürfen weder die Wasserversorgung beeinträchtigen noch zur Abholzung von Wäldern führen. Und der Flächenbedarf muss vertretbar sein: Wollte man etwa Sonnenblumenöl für Biotreibstoff nutzen, brauchte man beispielsweise für den Bedarf der französischen Luftfahrt allein Anbauflächen so groß wie ganz Frankreich.

Anders sieht es bei Algen aus, denen für diesen Zweck eine große Zukunft vorausgesagt wird: "Für den Bedarf der gesamten Luftfahrt brauchte man nur Anbauflächen, die der Größe Belgiens entsprächen; zudem kann man Algen alle 24 Stunden ernten", erklärt Ross Walker, bei Airbus in Toulouse zuständig für alternative Treibstoffe. Auch hier hatte man am 1. Februar 2008 einen Testflug mit neuartiger Energiequelle durchgeführt, bei dem ein A380 auf einem Triebwerk zu 40 Prozent Flüssigkraftstoff aus Erdgas nutzte.

"Das Flugzeug hat sich perfekt verhalten"

Doch inzwischen scheint klar zu sein, dass die Branche vor allem auf Biomasse setzt. Und es muss sich um Drop-in handeln - also um Biotreibstoff, der sich in seinen Eigenschaften nur minimal von Kerosin unterscheidet und den alle bestehenden Einrichtungen am Boden und im Flugzeug ohne Umrüstungen nutzen können. Für den Bioanteil lassen sich Öle aus unterschiedlichen Pflanzen auch problemlos mischen.

Das wurde Anfang Januar 2009 deutlich, als in Houston der erste Testflug mit einem zweistrahligen Flugzeug stattfand, bei dem das rechte Triebwerk einer Boeing 737-800 von Continental Airlines mit einem Mix aus 50 Prozent Kerosin, 44 Prozent Jatropha und sechs Prozent Algen befeuert wurde. "Das Flugzeug hat sich perfekt verhalten", freute sich Testpilot Richard Jankowski nach der Landung - der rechte Motor verbrauchte dabei mehr als 40 Kilo weniger Sprit.

Am 30. Januar fand der bislang letzte von drei Testflügen statt: In Tokio-Haneda hob eine Boeing 747-300 der Japan Airlines ab - eines der vier Triebwerke arbeitete mit einer Mischung, die nur zur Hälfte aus Kerosin bestand; die andere Hälfte setzte sich aus 84 Prozent Camelina (hierzulande als Leindotter oder falscher Flachs bekannt), 15 Prozent Jatropha und knapp ein Prozent Algen zusammen. Airbus plant für Ende 2009 einen Test mit einem A320 von JetBlue, dessen Biospritanteil aus Algen, Holzabfällen, Zellulose und Gras gewonnen werden soll.

Konkrete Planung

Dies alles sind keine praxisfernen Untersuchungen, die nur dem grünen Gewissen der Branche dienen oder bei den Passagieren um Pluspunkte buhlen sollen. Es wird bereits konkret geplant: Die International Air Transport Association (IATA) hat für 2017 das Ziel ausgegeben, dass zehn Prozent des Treibstoffes aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen werden sollen.

Andere dagegen denken wesentlich kurzfristiger: "Wir wollen bereits in drei Jahren bei unseren gesamten Inlandsflügen einen gewissen Anteil an Biosprit nutzen, in fünf Jahren sollen es bereits zehn Prozent sein", sagt Rob Fyfe von Air New Zealand. "Air New Zealand plant mit einer Million Barrel Biotreibstoff im Jahr 2013, das ist möglich und realistisch", meint auch Billy Glover von Boeing. Allerdings kostet die Produktion pro Barrel 80 Dollar, was nur dann lohnt, wenn die Ölpreise nicht so niedrig sind wie derzeit. "Wir sprechen heute nicht über Wirtschaftlichkeit, sondern über technische Aspekte", betonte deshalb auch Continental-Chef Larry Kellner in Houston.

Wirtschaftliche Vorteile

Klar ist aber, dass sich die Airlines dennoch klare wirtschaftliche Vorteile von umweltfreundlicherem Treibstoff versprechen, vor allem wenn der Luftverkehr in der EU von 2011 an in den Emissionshandel einbezogen wird. Mit 3,5 Milliarden Euro zusätzlichen Kosten pro Jahr rechnet die IATA 2012, die sich vielleicht durch den vermehrten Einsatz von Biosprit reduzieren ließen. "Eine zweite Treibstoffquelle kann aber auch den Ölpreis stabilisieren", so Ross Walker.

Selbstverständlich hofft die Branche darauf, mit solchen Initiativen auch Punkte beim Publikum zu sammeln. "Die Verbraucher werden sicher bereit sein, einen Aufpreis zu zahlen, wenn sie dafür in Flugzeugen fliegen, die weniger CO2 ausstoßen", glaubt Rob Fyfe. Obwohl der weltweite Luftverkehr nach Angaben der UN nur zwei Prozent des vom Menschen erzeugten CO2-Ausstoßes verursacht und am gesamten Klimawandel zu drei Prozent beteiligt ist, so ist das erwartete Wachstum von fünf Prozent im Jahr trotzdem ein Problem. "Die Emissionen wachsen mit, das ist für keine Branche akzeptabel. Wir wollen CO2-neutral wachsen", sagt IATA-Umweltdirektor Paul Steele. Dazu verfolgt die Luftfahrtorganisation eine Strategie, die vor allem auf technische und operationelle Verbesserungen setzt. Zukunftstechnologien im Flugzeugbau wie leichtere Rümpfe aus CFK oder Triebwerksinnovationen wie der entkoppelte Turbofan sollen bis zu 30 Prozent weniger CO2-Ausstoß bewirken, bessere Navigationstechnologien mindestens sechs Prozent und Biotreibstoffe nochmal mindestens zehn Prozent.

Ohne CO2?

Langfristig verfolgt die IATA sogar das heute utopisch anmutende Ziel, völlig ohne CO2-Ausstoß auszukommen. Für 2009 wird erstmals ein Rückgang der Emissionen um 4,5 Prozent erwartet. "Bis 2020 wollen wir bereits 25 Prozent treibstoffeffizienter fliegen als 2005", sagt IATA-Generalsekretär Giovanni Bisignani.

© SZ vom 9.2.2009/jw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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