Berühmte Marken: Aston Martin:Chef-Sache

Die britische Automobillegende ist wieder auf Erfolgskurs - und will bald neue Zeichen setzen: mit dem Rapide.

Georg Kacher

Schon sieben Mal war Aston Martin in der 92 Jahre währenden Firmengeschichte pleite. Konkurs, tilt and game over. Erst im achten Anlauf scheint der englische Kleinserienhersteller endlich ein tragfähiges Konzept für eine Bilanz mit dauerhaft schwarzen Zahlen gefunden zu haben.

aston martin rapide; hersteller

Soll in nur drei Jahren vom Konzeptfahrzeug zum Serienmodell werden: der Aston Martin Rapide

(Foto: Foto: Hersteller)

Das verdankt die Marke in erster Linie dem anglophilen Konzernherren Bill Ford, der 1987 den wieder einmal gestrandeten Sportwagenhersteller flottmachte.

Die Interessen des US-Konzerns nimmt ein Deutscher wahr, der einst in den Führungsetagen von BMW und Porsche für Wirbel sorgte, ehe er als Entwicklungsvorstand zu Daewoo nach Korea auswanderte: Ulrich Bez, 61, bekennender Schwabe, Vollblut-Techniker und mit allen Wassern gewaschener Automensch, ist seit sechs Jahren Mr. Äschton Marddin.

Unter seiner Ägide stieg die Produktion von weniger als 500 auf mehr als 5000 Autos pro Jahr. Noch wichtiger: Seit Ende 2004 wird Geld verdient - trotz hoher Investitionen in ein neues Werk, in eine neue Firmenzentrale und in viele neue Produkte.

Exklusive Ausfahrt

Ulrich Bez lädt ein zu einer exklusiven ersten Ausfahrt im noch unfertigen Aston Martin Rapide, der in nur drei Jahren vom Konzeptfahrzeug zum Serienmodell werden soll. Der Rapide ist ein viertüriges Coupé, das vom DB9 abgeleitet wurde.

Trotz des auf knapp drei Meter verlängerten Radstandes, opfert der Hingucker den Sitzkomfort in Reihe zwei seiner atemberaubend schönen Linien. Die schmalen hinteren Türen öffnen nicht weit genug, das Dach fällt über den Rücksitzen zu früh ab, der Knieraum im Fond verdient das Prädikat "strenge Kammer", die ausladende Mittelkonsole engt unnötig ein.

"Das Show Car wird natürlich noch in vielen Details optimiert", verspricht der Chef, aber: "Ein Coupé kann naturgemäß nie so geräumig sein wie eine Limousine; wir planen einen echten Viersitzer, der als Gran Tourismo auch für lange Strecken geeignet ist."

Der natürliche Feind des Rapide heißt Panamera. Das trifft sich gut, denn der Markenverantwortliche, den sie in England Doctor Bez oder einfach nur Ulli nennen, hat mit Porsche noch eine Rechnung offen. Die Trennung von Zuffenhausen geschah seinerzeit nämlich nur auf dem Papier im gegenseitigen Einvernehmen.

Feindbild Porsche

In Wahrheit ist Porsche jedoch seit jenen Tagen das stets dementierte, aber offensichtliche Feindbild des Ulrich Bez. Doch der wiegelt ab: "Im Vergleich mit uns ist Porsche ein Massenhersteller - das bringt Geld, kostet aber Exklusivität. Nehmen Sie den Rapide im Vergleich zum Panamera: Wir bauen sicher nicht mehr als 500 Stück im Jahr, Porsche kommt dagegen auf das Vierzig- oder Fünfzigfache.

Ähnlich ist es zwischen dem 911 Carrera und dem V8 Vantage. Unser Auto kann technisch mithalten, ist aber etwas teurer, hat eine ausgeprägte Persönlichkeit und emotionale Werte wie Flair oder Exklusivität."

Chef-Sache

Der für 2009 avisierte Rapide fokussiert den strategischen Kurs des Vordenkers. Unter der Haube schnurrt ein in Köln montierter 6,0-Liter-V12 mit 353kW (480 PS). Das reicht, um den Wagen in 5,7 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h zu wuchten.

Die Höchstgeschwindigkeit beträgt ICE-kompatible 288 km/h, der Verbrauch pendelt im Schnitt um die 20-Liter-Marke. Das DB9-Design von Henrik Fisker wurde unter der Regie von Marek Reichman behutsam dem Coupé-Format angepasst.

Klassischer Kühlergrill

Kritiker behaupten, die drei AM-Modelle V8, DB9 und Vanquish sähen sich wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich. Und wenn schon! Wäre es denn wirklich so schlimm, wenn Keira Knightley zwei Zwillingsschwestern hätte?

Weil die Autos aus Gaydon seltene Highlights im Straßenbild sind, dürfen die Briten gerne am klassischen Kühlergrill und an den atemberaubenden Proportionen festhalten.

Wohltuend ist auch der Umgang mit den Werkstoffen Holz und Leder. Statt Ahorn oder Nussbaum auf Teufel komm raus zu polieren, setzen die Aston-Stilisten auf mattes Understatement. Auch die Kuhhaut wird nicht bis zur Unkenntlichkeit plastifiziert, sondern in jener offenporigen Naturbelassenheit verarbeitet, deren Gerbstoffe den Autos besonderen Duft verleihen.

Ende Juli lief der 30.000. Aston Martin vom Band - Grund zum Feiern. "30.000 Autos, das klingt nach sehr viel", so Ulrich Bez, "doch über ein Jahrhundert verteilt, ist es eine verschwindend kleine Zahl." Was Bez aber nicht sagt: Der Löwenanteil des AM-Fuhrparks entstand erst nach seinem Amtsantritt.

Lange Lieferfristen

Inzwischen platzt das neue Werk aus den Nähten; und nicht nur die 125 englischen Händler - Großbritannien ist der wichtigste Markt - jammern über lange Lieferfristen, die im Schnitt zwölf bis 18Monate betragen.

Theoretisch könnte Aston Martin mehr als 10.000 Autos im Jahr verkaufen und damit auf Bentley-Niveau operieren. "Kein Thema", wiegelt der Chef ab, "klein, aber fein, so heißt unsere Devise, die wir uns eher mit Ferrari teilen als mit Bentley. Wer schon so oft so tief gefallen ist wie Aston Martin, hat gelernt, den Ball flach zu halten."

Nicht nur die Fahrt im Rapide unterstreicht die Ernsthaftigkeit des Sportwagen-Anspruchs, sondern auch die Zielankunft beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring - selbstverständlich mit Ulrich Bez am Steuer.

Der Tausendsassa, der sich kurz darauf bei den Le Mans Classics ans Lenkrad setzte, ist eine ideale Kombination aus Spring-ins-Feld und Markenversteher, aus Visionär und Macher, aus Sparfuchs und Selbstdarsteller.

Chef-Sache

Als er kam, vegetierte Aston Martin im museumsreifen Werk von Newport Pagnell vor sich hin und war auf dem besten Weg, mit drei unterschiedlichen Sportwagenkonzepten das verbliebene Familiensilber aufs Spiel zu setzen.

Den ultrateuren, weil ultrakomplizierten Vanquish konnte Bez zwar nicht mehr stoppen. Das gemeinsam mit Jaguar geplante Mittelmotorprojekt aber wurde eingestampft, mit dem DB9 entstand in Personalunion der DB7-Nachfolger sowie die Basis für den DB8 Vantage.

Damit nicht genug: Immer neue Varianten wie Volante, Rapide oder das James-Bond-Modell DBS sorgen längst für fette Margen; und der seriennahe DBRS9 schrieb bereits in der ersten Saison Motorsport-Geschichte.

My-Car-is-my-Castle-Design

Aston Martin hat immer schon hoch motorisierte Autos im imposanten My-Car-is-my-Castle-Design gebaut, doch erst seit dem Vanquish gelingt es mit schöner Regelmäßigkeit, optischen Eindruck und fahrdynamischen Anspruch auf einen Nenner zu bringen.

Die Vergangenheit bestand aus Lenkungen, die sich nicht festlegen wollten; aus kurzatmigen Bremsen, denen Linientreue fremd war; aus zu hart gefederten, aber dafür unterdämpften Heckschleuder-Fahrwerken; aus dem Zielkonflikt zwischen müder Kupplung und knirschendem Getriebe; aus durstigen Motoren, die fast immer besser klangen als sie gingen.

Beim Rapide ist alles anders: Das große Coupé geht wie die Seuche, klebt auf der Straße wie ein bewegliches Magnetfeld, verzögert mit der Endlichkeit des jüngsten Gerichts und fährt sich wie eine Mischung aus Carver und Cruiser.

In diese Richtung werden Ulrich Bez und sein Team weiter arbeiten. Obwohl Ford dem Deutschen schon zwei Mal die Leitung der Marke Jaguar angedient hat, schlägt sein Herz für Aston Martin: "Das ist eine Traum-Marke, und wir haben gerade erst angefangen, unsere Karten auf den Tisch zu legen..."

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