Baustellentest:Mittelmaß am Engpass

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Baustellen sind meist nicht nur eine Staufalle, sondern auch Gefahrenquelle. Eine ADAC-Studie zeigt: Die Bedingungen in Europa sind keineswegs zufrieden stellend.

Alle 30 Kilometer müssen Autofahrer auf Autobahnen in Deutschland mit einer Baustelle rechnen.

Eine Übersicht über die getesteten Baustellen. Anklicken! (Foto: Foto: ADAC)

Der ADAC hat erstmals die Sicherheit von 50 Langzeitbaustellen in elf europäischen Ländern untersucht. Ergebnis: Jede neunte Baustelle ist mangelhaft, nur eine überzeugte mit der Note "sehr gut". Insgesamt regiert auf europäischen Baustellen das Mittelmaß.

Deutsche Baustellen liegen im europäischen Vergleich auf Platz zwei. Hier gab es sieben Mal "gut" und zweimal "ausreichend". Dabei schnitten die Baustellen auf der A7 bei Göttingen und der A1 bei Hamburg am besten ab, während das Ergebnis für die A9 im Bereich Bayreuth sowie im weiteren Verlauf bei Hermsdorf nur mäßig war.

Testsieger wurde eine Baustelle auf der österreichischen A1 zwischen Salzburg und Linz bei Traun. Hier lobten die ADAC-Tester besonders die ausreichende Abtrennung zum Gegenverkehr und zum Arbeitsbereich, übersichtlich und sicher gestaltete Ein- und Ausfahrten sowie die umfassende Information über Anlass, Dauer und Länge des provisorischen Streckenabschnitts.

Ganz anders die Situation beim Testverlierer: Erhebliche Sicher-heitsmängel wies die Baustelle auf der spanischen M 30 Valencia-Cordoba bei Madrid auf. Hier wurde weder auf die Bauarbeiten hingewiesen, noch gab es Pannenbuchten. Dafür wurde die Geschwindigkeit abrupt reduziert und die Fahrbahnführung ständig gewechselt.

Nach Ansicht des ADAC ist es dringend erforderlich, dass die Sicherheitsstandards für Baustellen in den europäischen Ländern vereinheitlicht werden.

Elf Länder im Vergleich: Schwächen gibt es fast überall

Die Gestaltung der Baustellen in Europa ist sehr unterschiedlich. Autofah-rer müssen sich von Land zu Land teils stark umorientieren, einheitliche europäische Regelungen gibt es trotz aller Bemühungen noch nicht.

Der Test hat Stärken und Schwächen in den Ländern aufgezeigt. Auf der folgenden Seite sehen Sie die markantesten Punkte der einzelnen Länder.

Die markantesten Punkte der einzelnen Länder:

Die Ergebnisse des Tests im Überblick. Anklicken! (Foto: Foto: ADAC)

Österreich: Das Land, das im Test insgesamt am besten abschnitt, überzeugte mit durchweg guten Ergebnissen. Besonders positiv: Die meisten Baustellen im Test verfügten über Pannenbuchten mit Notrufen, gute Trennung zum Gegenverkehr durch Leit-/ Schutzwände und ansprechend gestaltete Informationen über die Restlänge im Baustellenbereich anhand von Smileys, die sich mit hängenden Mundwinkeln am Anfang der Baustelle bis zu einem breiten Grinsen gegen Ende präsentieren.

Im Verschwenkungs- und Reduzierungsbereich werden häufig Pfeilbaken verwendet, die eine besonders gute optische Führung bieten. Zudem sind zwei der Baustellen als Pilotstrecken so gestaltet, dass man mit einem Tempolimit von 100 Stundenkilometern auskommt, was den Verkehr weitgehend im Fluss hält.

Aus den Datenblättern der Betreiber ging hervor, dass die Arbeiten an den getesteten Baustellen teilweise nur tagsüber durchgeführt wurden. Autofahrer werden bei größeren Baustellen zwei bis vier Wochen vor Baubeginn und bei jeder Änderung der Bauphasen durch Tageszeitungen und Radio informiert.

Auch auf der Internetseite des Autobahnbetreibers ASFINAG sind laufend umfassende Informationen zu aktuellen Bauarbeiten abrufbar. Laut ASFINAG ist das Baustellenpersonal rund um die Uhr in der Lage, bei plötzlich auftretenden Mängeln oder Problemen bei der Baustellenabsicherung innerhalb einer Stunde vor Ort zu sein, um sie zu beheben.

Das Personal ist für Notfälle geschult, eine Liste mit Notrufnummern von Polizei, Rettungsdiensten, Autobahnmeisterei, Betreiber und Verkehrssicherungsfirma wird vor Ort bereitgehalten.

Die Baustellen werden durch Kontrollgänge, meist bei Tag und Nacht, regelmäßig überwacht. Es gibt Verkehrsbeobachtungen und Geschwindigkeitskontrollen.

Deutschland: Deutschland liegt im europäischen Vergleich auf Platz zwei. Positiv: Meist war der Gegenverkehr durch stabile Leit-/ Schutzeinrichtungen getrennt, in den Verschwenkungsbereichen gab es genügend Raum für Lkw, Ein- und Ausfahrten waren deutlich zu erkennen und mit Beschleunigungs-/ Verzögerungsstreifen ausgestattet.

Fast alle Baustellen waren auch bei Nacht übersichtlich und mit blendfreien Warn-Blinkleuchten sowie zusätzlichen Reflektoren ausgestattet. Anders als beim österreichischen Spitzenreiter gab es im Verlauf der Baustelle nur selten Informationen über die Restlänge, bis auf wenige Ausnahmen galt dies auch für die Pannenbuchten.

Das Tempolimit lag oft nur bei 60 Stundenkilometern, was den Verkehrsfluss bremst. Laut Betreiber werden Autofahrer bei größeren Baustellen vorab in Tageszeitungen und häufig auch im Radio über Beginn, Ende und Anlass von Bauarbeiten sowie die zu erwartenden Verkehrsstö-rungen informiert. Dazu kommt meist auch ein Hinweis zur Länge der Baustelle und das Tempolimit.

Im Internet stellen das Bundesverkehrsministerium und teilweise auch die Autobahnverwaltungen der Länder entsprechende Informationen bereit. Das Personal ist rund um die Uhr in der Lage, bei plötzlich auftretenden Mängeln oder Problemen bei der Baustellenabsicherung innerhalb einer Stunde da zu sein. Es ist für Notfälle geschult, eine Liste mit Notrufnum-mern von Polizei, Rettungsdiensten, Autobahnmeisterei, Betreiber und Verkehrssicherungsfirma wird vor Ort bereitgehalten.

Die Baustellen werden durch Kontrollfahrten regelmäßig überwacht. Es gibt Verkehrsbeobachtungen und Geschwindigkeitskontrollen, Verstöße werden geahndet.

Belgien: Sehr positive Auswirkungen auf die Übersichtlichkeit der Baustelle bei Nacht hat die in Belgien generell vorhandene Autobahnbeleuchtung. Leider erhält der Autofahrer keine Informationen über die Bauarbeiten. Zudem gibt es keine Pannenbuchten. Das Tempolimit war bei den Test-Baustellen mit 70 Stundenkilometern niedrig, wodurch der Verkehrsfluss gebremst wird. Über Informations-, Baustellen- und Notfallmanagement gaben die Betreiber keine Auskünfte.

Schweiz: Die Baustellen in der Schweiz zeigten sich im Test sehr unterschiedlich. So ist in der Kategorie Information fast jede Wertung von sehr gut bis sehr mangelhaft vertreten. Bei der Hälfte der getesteten Baustellen war der Gegenverkehr nur unzureichend getrennt, und es gab keine Notrufeinrichtungen. Über Blinkleuchten zur Vorwarnung, die nachts nicht blenden, verfügte nur die Baustelle auf der A 9 bei Clarens.

Ebenso wie in Österreich werden Autofahrer bei größeren Baustellen zwei bis vier Wochen vor Baubeginn und bei jeder Änderung in Tageszeitungen, per Radio sowie Internet umfassend informiert.

Gearbeitet wird in der Schweiz meist bei Tag und Nacht. Das Personal ist gemäß Betreiber-Angaben rund um die Uhr in der Lage, bei plötzlich auftretenden Mängeln oder Problemen bei der Baustellenabsicherung innerhalb einer Stunde vor Ort zu sein, um sie zu beheben.

Es ist für Notfälle geschult, ein Notfallplan sowie eine Liste mit Notrufnummern von Polizei, Rettungsdiensten und Autobahnmeisterei wird vor Ort bereitgehalten. Die Bau-stellen werden durch Kontrollgänge, meist bei Tag und Nacht, und Video regelmäßig überwacht. Es gibt Verkehrsbeobachtungen und Geschwindig-keitskontrollen, Verstöße werden geahndet.

Spanien: In Spanien suchten dia ADAC-Tester vergebens nach Pannenbuchten oder Schildern mit Informationen zur Baustelle. Im Vergleich zu anderen Ländern sind Schilder, wenn überhaupt vorhanden, erst sehr knapp vor dem Ereignis platziert. Teilweise waren auch die Markierungen nicht eindeutig.

Der Verschwenkungsbereich war oft sehr steil und kurz, so dass das Tempolimit auf 20 km/h herabgesetzt wurde. Generell fiel das Tempolimit mit 40 bis 60 km/h sehr niedrig aus.

Die Qualität der Baustellen variiert stark. Positiv: In der Baustelle auf der A 64 bei Villaviciosa wurden vor der Verschwenkung der Fahrspuren Bremsschwellen montiert, um den Verkehr vor diesem kritischen Bereich zu verlangsamen.

Autofahrer werden bei größeren Baustellen grundsätzlich vorab in Tageszeitungen oder per Radio und laufend auch im Internet über Beginn und Ende, Länge sowie Anlass der Bauarbeiten, zum Teil auch über zu erwartende Verkehrsstörungen und das Tempolimit informiert.

Nach Angaben der Betreiber ist Personal teilweise rund um die Uhr, teilweise aber auch nur tagsüber in der Lage, bei plötzlich auftretenden Mängeln oder Problemen bei der Baustellenabsicherung innerhalb einer Stunde vor Ort zu sein, um sie zu beheben.

Es ist für Notfälle geschult, ein Notfallplan sowie eine Liste mit Notrufnummern von Polizei, Rettungsdiensten und Autobahnmeisterei wird vor Ort bereitgehalten.

Frankreich: Gepunktet haben die französischen Baustellen vor allem beim Fahrbahnzustand und der Sauberkeit. In fast allen Baustellen wurden Fahrspuren reduziert, was Behinderungen und Staus zur Folge haben kann. Bei den Baustellen Nähe Vienne und Bully les Mines wurde obendrein die langsame, rechte Fahrspuren gesperrt, was das Einfädeln in die linke schnelle Fahrspur erschwert.

Hinweise auf das Tempolimit im Verlauf der Baustelle gibt es gar nicht oder in zu großen Abständen. Die Aufhebung der Verkehrsbeschränkungen zum Ende der Baustelle wird oft sehr spät angezeigt. Generell finden sich keine Pannenbuchten und oft keine Blinkleuchten zur Vorwarnung.

Bei drei der fünf getesteten Baustellen gab es keinerlei Informationen über die Bauarbeiten, bei zweien nur wenig. Über Informations-, Baustellen- und Notfallmanagement gaben die Betreiber keine Auskünfte.

Großbritannien: Die britischen Baustellen schafften Platz drei in der Länderwertung und sind führend in der Kategorie Orientierung bei Nacht. Allerdings werden die Baustellen in Großbritannien nachts stark verändert, um die Arbeiten in verkehrsarmen Zeiten verstärkt durchführen zu können. Im Test bewertet wurde jedoch lediglich die Übersichtlichkeit, nicht die Umbauten, die oft auch negative Auswirkungen haben.

Einzigartig: Als effektive Alternative zu Pannenbuchten wurde vor einigen Baustellen ein kostenloser und ständig präsenter Abschleppdienst eingerichtet, um Fahrzeuge im Fall einer Panne oder eines Unfalls schnellstmöglich aus der Baustelle entfernen zu können.

Weiteres Plus: Die Originalmarkierung der Fahrbahn wird komplett entfernt, so dass die neue Baustellenmarkierung eine eindeutige Führung auf den Fahrspuren zulässt. Im Bereich der Verschwenkung ist zusätzlicher Raum für Lkw zwar nicht eigens abmarkiert, aber durch breite Fahrstreifen in der Regel gegeben.

Gefährlich für die Bauarbeiter ist jedoch die oft unzureichende Absperrung zum Arbeitsbereich durch Pylonen. Qualität und Quantität der Informationen waren von Baustelle zu Baustelle sehr unterschiedlich.

Das Personal ist nach Betreiber-Angaben rund um die Uhr in der Lage, bei plötzlich auftretenden Problemen bei der Baustellenabsicherung innerhalb einer Stunde vor Ort zu sein, um sie zu beheben. Es ist für Notfälle geschult, ein Notfallplan und eine Liste mit Notrufnummern von Polizei, Rettungsdiensten und Autobahnmeisterei wird vor Ort bereitgehalten.

Kroatien: Bei nur zwei getesteten Baustellen ist eine aussagekräftige Länderwertung schwer möglich. Im Test war jedoch festzustellen, dass die Fahrspuren sehr schmal waren und Blinkleuchten zur Vorwarnung nicht existierten. Arbeitsbereiche waren nicht oder nur unzureichend abgetrennt.

Bei der Reduzierung von Fahrspuren wurde die langsame, rechte Spur gesperrt, was das Einfädeln erschwert. Informationen über Art, Dauer und Länge der Baustelle gab es nicht. Über Informations-, Baustellen- und Notfallmanagement erteilte der Betreiber keine Auskünfte.

Italien: Informationen zur Baustelle erhält man auch in Italien generell nicht. Bei Dunkelheit war keine eindeutige Führung erkennbar. Verschwenkungen der Fahrbahnen waren zu kurz und zu steil, so dass hier das Tempolimit teils stark herabgesetzt werden musste.

Die Gegenverkehrsbereiche waren nicht ausreichend voneinander getrennt. Nicht alle erforderlichen Hinweisschilder waren vorhanden und/oder zu niedrig in Bodennähe angebracht. Im Verlauf der Baustellen lag das Tempolimit in der Regel nur bei 40 bis 60 km/h, was den Verkehrsfluss stark behindert.

Aus- und Einfahrten sind oft schlecht erkennbar, Einfahrten mit Stopp-Schildern versehen, was beim Einfädeln zu gefährlichen Situationen führen kann. Über Informations-, Baustellen- und Notfallmanagement erteilte der Betreiber keine Auskünfte.

Niederlande: Bestnoten erhielten hier alle Baustellen für den Zustand der Fahrbahn und deren Sauberkeit. Die Gegenverkehrsbereiche sind generell durch stabile Leit-/ Schutzeinrichtungen getrennt, und auch die Orientierung bei Nacht erhielt wegen der permanenten Autobahnbeleuchtung gute Noten. Positiv auch, dass die Originalmarkierung zu Gunsten der Baustellenmarkierung komplett entfernt wird.

Ein- und Ausfahrten im Baustellenbereich waren im Test gut erkennbar und mit Beschleunigungs-/ Verzögerungsstreifen ausgestattet. Pannenbuchten gab es keine, die Fahrspuren waren oftmals sehr schmal. Die Informationen vor Ort über die jeweilige Baustelle waren nirgends vollständig.

Autofahrer werden bei größeren Baustellen vorab in Tageszeitungen und während des laufenden Betriebes im Internet über Beginn und Ende, Grund, Länge sowie zu erwartende Verkehrsstörungen informiert.

Gearbeitet wird in den Baustellen meist nur tagsüber. Das Personal ist laut Betreiber rund um die Uhr in der Lage, bei plötzlich auftretenden Mängeln oder Problemen bei der Baustellenabsicherung innerhalb einer Stunde vor Ort zu sein, um sie zu beheben.

Es ist für Notfälle geschult, ein Notfallplan wurde bei der Hälfte der Test-Baustellen, eine Liste mit Notrufnummern von Polizei, Rettungsdiensten, Autobahnmeisterei bei allen vor Ort bereitgehalten. Nur 50 Prozent der Baustellen wurden durch Kontrollgänge überwacht. Meist gab es Geschwindigkeitskontrollen, Verstöße wurden geahndet.

Slowenien: In Slowenien wurde nur eine einzige Baustelle getestet. Über Informations-, Baustellen- und Notfallmanagement erteilte der Betreiber keine Auskünfte. Dadurch lassen sich keine Rückschlüsse auf die allgemeine Qualität und Abwicklung der Bauarbeiten ziehen und Tendenzen erkennen.

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