Amphibische Autos:Ich fahr' dann mal wassern!

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Auto ahoi, mit dem Cabrio in den Wannsee, und mancher glaubt an Halluzination: Berlin als Heimathafen der seltenen Amphicars.

Marcus Müller

Bernd Weise gibt auf der abschüssigen Slipanlage noch mal ein bisschen Gas, dann platscht sein leuchtend rotes Cabrio in den Wannsee - Wasser spült über die Haube des Wagens und schwappt so weit, dass aus der Windschutzscheibe eine Wasserschutzscheibe wird.

Dann gleitet das Cabrio an den Booten im Hafen vorbei, es ist eines von weltweit vielleicht noch 1000 existierenden Amphicars, eines schwimmenden Autos mit zwei dreiblättrigen Kunststoffschrauben, die hinten unter der Stoßstange herausragen. Ein Gefährt, das immer noch und immer wieder Aufmerksamkeit erregt - auf dem Asphalt als hochbeiniger, kleiner Straßenkreuzer, im Wasser als schwimmendes Auto mit Heckflossen. Und Bernd Weise nutzt diesen Zwitter ausgiebig.

Tiefergelegt

Mit röhrendem Motor lässt er bei jeder Gelegenheit die Mole hinter sich und steuert sein Cabrio in die Mitte des Wannsees - schließlich lenken auch im Wasser die vorderen Räder das Schwimmauto. Tief liegt das Fahrzeug im Wasser, die Wellen plätschern hoch bis an die Chromleisten. "Im Sommer bin ich jeden Abend hier draußen", freut sich der Auto-Kapitän.

Vor fünf Jahren erfüllte sich der 55-Jährige einen lang gehegten Traum und kaufte einem Vereinskollegen im Amphicar-Club Berlin den roten Schwimmwagen ab. Die Sehnsucht nach dem schwimmenden Auto war so groß, dass er sogar seinen bis dahin liebevoll gepflegten Citroën DS, die Göttin, verkaufte.

Es sei eben sehr bequem, ein Auto über Land nicht nur an das Wasser, sondern damit auch hineinzufahren, schwärmt er. Vor Jahren schon lernte Weise diese Vorzüge als Amphicar-Mitfahrer auf dem Gardasee schätzen: "Einfach mal schnell quer über den See fahren und ein Eis kaufen, das war schon toll." Auch die bei kräftigerem Seegang stabile Lage im Wasser überzeugte ihn. Für sein eigenes Schwimmauto, Baujahr 1964, zahlte Weise 6000 Euro; aber obwohl es in gutem Zustand war, steckte er noch mal 6000 Euro in Reparaturen und die neue Lackierungen.

Gigantischer Flop

Ein stolzer Preis für ein mehr als 40 Jahre altes Gefährt, das in der Serienproduktion ein gigantischer Flop war und ein Kuriosum geblieben ist. Entworfen hat das Amphicar der Konstrukteur Hanns Trippel, der schon vor dem Zweiten Weltkrieg Schwimmwagen gebaut hatte; auch Adolf Hitler persönlich durfte er seine Erfindung 1935 vorführen.

Derartig protegiert und finanziell unterstützt, entwickelte Trippel im Auftrag der Wehrmacht einen Schwimm-Geländewagen, weshalb er nach dem Krieg mehrere Jahre ins Gefängnis musste. Danach griff der Konstrukteur seine Idee wieder auf - erst das Engagement des Industriellen Harald Quandt ermöglichte die Serienproduktion des Amphicars.

Bis zu 25.000 Exemplare sollten gefertigt und hauptsächlich in den USA verkauft werden; letztlich wurden aber nur etwa 3900 Einheiten des ersten zivilen, in Serie gebauten Schwimmwagens der Welt gebaut, die zwischen 1961 und 1964 in Lübeck und Berlin entstanden.

Aufwendige Handarbeit

Die Karosserie musste unterhalb der Wasserlinie durchgehend dicht verschweißt werden, der Korrosionsschutz erforderte besondere Sorgfalt. Kein Arbeitsgang war automatisiert - und so kostete das Amphicar in den USA 3395 Dollar und in Deutschland 11 800 Mark. Die deutsche Presse sprach schnell vom "Spielzeug für Wohlstandsbürger".

Doch das mit einem britischen Triumph-Vierzylinder betriebene Amphicar war nicht nur teuer. In den USA galt es schnell auch als unzuverlässig, weil Fahrzeuge bei Probefahrten untergingen. Dass es sich dabei um Fehler beim Bedienen handelte - es war ein Wasser-Ablassstopfen nicht richtig zugedreht worden -, änderte nichts an den negativen Schlagzeilen. Aufsehen erregte auch eine Havarie, bei der ein Amphicar ein Wasserflugzeug rammte: Der Fahrer hatte versucht, im Wasser zu bremsen.

Jeder Ausfahrt folgen Stunden der Pflege

Letztlich verkaufte sich der Wagen in den USA aber auch deshalb nicht, weil er nicht genug PS hatte. "Da arbeiten nur 38 Seepferdchen", scherzt Bernd Weise und zeigt nach hinten zum Motor. Auf der Straße schafft es der 1000 Kilo schwere Wagen maximal auf 120 Kilometer pro Stunde; im Wasser ist das Amphicar mit bis zu acht Knoten, umgerechnet etwa zwölf km/h, unterwegs. Bernd Weise reicht das für gemütliche Ausfahrten bei Mondschein allemal.

Fast jeder Ausfahrt aber folgen arbeitsintensive Stunden in der Garage. Denn wegen des ständigen Wasserkontakts müssen gut 30 Schmiernippel regelmäßig abgedrückt werden, sonst verrottet das Gefährt. Und die Bedienungsanleitung verlangt das Abschmieren auch schon nach 1000 Kilometer auf trockener Straße. Die überzeugten Freunde der Amphicars lassen sich davon natürlich nicht abhalten; und so trafen sich zu Pfingsten immerhin 43 dieser liebevoll gut gepflegten Gefährte nach einer Einladung des Amphicar-Clubs Berlin.

Und wie in jeder Szene gibt es auch bei den Auto-Kapitänen einen verschworenen Gruß - bevor es ins Wasser geht, heißt es: "Auto ahoi".

© SZ vom 2.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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