Alfa Romeo 156 Sportwagon:Beau de Milano

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Viel Raum und witzige Details zu Preisen von 38 900 Mark an

(SZ vom 22.03.2000) Wie oft haben wir in den vergangenen Jahren bemühten Marketingspezialisten dabei lauschen dürfen, wie sie uns in blumigen Worten von der Rückkehr der Emotionen erzählten - und uns in weitschweifenden Diaprojektionen die Zukunft individueller Formen und immer kleinerer Nischen nahe zu bringen versuchten.

Erkenntnisse, die ein Unternehmen - das im Juni seinen 90. Geburtstag feiert - seit Jahrzehnten verinnerlicht hat: Alfa Romeo. Nun könnte man zu Recht sagen, dass das Mailänder Haus mit seiner nahezu exzessiven Lust an der Individualität auch oft genug an der Pleite entlang geschrammt ist. Aber noch gibt es Alfa Romeo - und es scheint der Marke besser denn je zu gehen.

Einer der Gründe dafür liegt sicherlich an den Künsten eines tollen Designers: Walter de Silva - er schuf für die 156- und 166-Baureihen eine neue und dennoch unverkennbare Alfa-Romeo-Optik. Kein Wunder, dass er nun - in Diensten von Ferdinand Piëch - damit beschäftigt ist, diese mediterrane Frische auf Seat zu übertragen.

Eines seiner letzten Werke für die Italiener ist nun der 156 Sportwagon, der - salopp gesagt - der Kombi der erfolgreichen 156-Baureihe darstellt. Wobei der eher im praktischen angesiedelte Begriff Kombi in diesem Fall nur bedingt zutreffend ist - selbst der Fiat-Vorstandsvorsitzende Roberto Testore fragte sich im SZ-Interview, ob der Sportwagon nun mehr ein Kombi-Coupé oder ein Coupé-Kombi sei.

Wie auch immer man den Sportwagon deuten mag, so ist doch eines klar: Er bildet einen attraktiven Konsens zwischen den Stilrichtungen unterschiedlicher Fahrzeugtraditionen - Coupé, Limousine und Kombi vereinen sich hier zu einer neuen, interessanten Mélange. Das Geheimnis dieser Form liegt zweifellos in der stylistisch gewagten Heckpartie, die - wie selten zuvor bei einem Kombi - Aerodynamik und Dynamik signalisiert.

Und während sich die nach hinten verjüngende Fensterlinie auf die leicht ansteigende Seitenpartie aufstützt, sorgt andererseits die leicht abfallende Dachlinie mit dem aufgesetzten Spoiler dafür, dass sich die Seitenlinie des Sportwagon der eines Flügelprofils annähert.

Kein schlechter Einstieg also für den neuen Kombi aus dem Hause Alfa Romeo, der - neben der Hommage an manch mutig gestyltes Gefährt der Vergangenheit - aber auch praktische Vorzüge zu bieten hat: ziemlich viel Fahrspaß und einen erfreulich großen und variablen Kofferraum.

Nicht weniger als 360 Liter Nutzraum bietet der Beau de Milano wenn alle vier Sitzplätze belegt sind - und bis zu 1180 Liter Stauraum liegen an, wenn die beiden rückwärtigen Sitzlehnen (die im Verhältnis 60:40 geteilt umlegbar sind) ihre Liegeposition eingenommen haben. Und damit das Gepäck nicht sinn- und haltlos umherfliegen kann, sorgen diverse Netze (die an verschiedenen Punkten befestigt werden können) für den rechten Halt.

Eine Ablagewanne für Skistiefel

Der Kofferraum bietet aber noch mehr praktische Details: So kann der Kofferraumboden auch umgedreht gelagert werden - um dann als Ablagewanne für feuchte Utensilien wie Badezeug oder Skistiefel zu dienen. Und in den seitlichen Auflagen der Gepäckabdeckung findet unter anderem der CD-Wechsler und eine 12-Volt-Steckdose Platz.

Was jedoch die Heckpartie der Sportwagon besonders auszeichnet, ist die weit in die Dachpartie hineinreichende Heckklappe - bei diesem Kombi ging es den Designern und Technikern eben nicht nur um einen möglichst großen Raumgewinn, sondern auch darum, den Zugang so zu gestalten, dass er möglichst leicht und großzügig zu be- und entladen ist. Eine ästhetisch ansprechende Lösung, die jedoch im konstruktiven Bereich so ihre Probleme bereiten kann - der Grund dafür: höhere Ansprüche an die Torsionssteifigkeit und den perfekten Sitz der Dichtungsgummis, da hier sonst höhere Windgeräusche drohen.

Nach ersten, kurzen Fahrten kann man dem Sportwagon bescheinigen, dass die Techniker ihre Aufgaben sauber gelöst haben: Er fährt sich entspannt und relaxt - das bereits bei der Limousine gelobte Fahrwerk hat (trotz der höheren zu verkraftender Gewichte) in keiner Form von seiner Agilität verloren. Und so steht auch dieser Alfa voll in der fahrfreudigen Tradition seiner so oft gelobten Vorgänger. Bevor wir uns den - wie so oft bei Alfa Romeo - begeisternden Motoren zuwenden, sollte allerdings noch ein kleiner Weh(r)mutstropfen in diesen ansonsten so schmackhaften Coupé-Kombi-Verschnitt gegossen werden: Auch hier sind (wie bei so vielen Autos) die Sitzschienen derart kurz geraten, dass Menschen über 190 Zentimeter Länge nur mühsam ein- und aussteigen können - und sich hinter dem Lenkrad einer affenähnlichen Sitzhaltung zu befleißigen haben. Und die immer wieder gehörte Erklärung "Ihr Händler wird Ihnen gerne längere Sitzschienen einbauen" motiviert bei der ersten, eher verklemmten Probefahrt nur wenig.

Für den Vortrieb sorgen sechs verschiedene Motoren, die - als Otto-Triebwerke mit Vierzylindern - mit 1,6 sowie 1,8 und 2,0 Liter Hubraum (88 kW / 120 PS - 106 kW / 144 PS - 114 kW / 155 PS) angeboten werden. Als Top-Modell steht ein 2,5-Liter-Sechszylinder mit 140 kW oder 190 PS zur Verfügung, während die Freunde des Selbstzünders zu einem 1,9-Liter-Turbodiesel mit 77 kW (105 PS) oder einem 2,4-Liter-Fünfzylinder mit Turbolader und 100 kW oder 136 PS greifen können. Mit diesen Motoren erreicht der Sportwagon zwischen 188 und 230 km/h - wobei sich die Verbrauchswerte (nach den EG-Messmethoden) zwischen 6,0 Liter Diesel und 11,7 Liter Super einpendeln sollen.

Vom 27. Mai an wird der Sportwagon bei den Alfa-Händlern stehen - und man darf damit rechnen, dass die Händler in den darauf folgenden Tagen einen regen Besuch haben werden. Dazu werden nicht nur die fairen Preise beitragen (für den Sportwagon werden gegenüber der entsprechenden Limousine jeweils 2000 Mark Aufpreis fällig) - hier sorgt auch eine ungewöhnlich attraktive Optik in Verbindung mit viel praktischem Nutzen für die nötige Aufmerksamkeit.

Wie gesagt: Es gibt eben Marken, die das Wort Emotion gar nicht mehr lernen müssen - es verbindet sich automatisch mit dem Markennamen. Und die Qualität soll bei Alfa ja auch viel besser geworden sein.

Von Jürgen Lewandowski

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