Alfa MiTo:Kleines Auto, große Gefühle

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Zwischen Cinquecento und Mini: Der neue Alfa MiTo will der Über-Fiat sein - zum fairen Preis.

Georg Kacher

Mitten ins Herz, ins cuore sportivo, will Alfa mit dem neuen MiTo treffen. Nein, nicht "me too" ist gemeint, das Synonym für Beliebigkeit. Sondern mito, italienisch für Mythos. Oder Mi(-lano) und To(-rino), die automobile Achse zwischen dem Konzernsitz von Fiat und der Heimat von Alfa Romeo.

Große Augen: Der Alfa MiTo ist vor allem für junge Menschen gedacht und formal nicht jedermanns Sache. (Foto: Foto: Alfa)

Große Gefühle, kleine Schwächen

Der MiTo möchte viele Autos in einem sein: Citymobil, Landstraßenräuber, Autobahnkurier, vor allem aber Lifestyle-Botschafter, der uns den Kopf verdreht und den Hummeln im Bauch neue Nahrung gibt. Keine Frage: Der ausschließlich als Zweitürer angebotene Vier-Meter-Wagen ist ein perfekter Markenbotschafter für progressive Jungmenschen, die am Design ebenso Gefallen finden werden wie an den fairen Preisen. Zum Beispiel kostet der 1,6-Liter-Diesel mit 88 kW (120 PS) 17.950 Euro - das sind 1300 Euro weniger als Fiat für den gleich starken Grande Punto verlangt.

Große Gefühle, kleine Schwächen. So wie der Fiat Cinquecento im Kern seiner Seele ein Panda ist, so versteht sich der MiTo als Alfa-spezifische Evolution des Grande Punto. Erwarten Sie also in puncto Fahrerlebnis keinen geschrumpften 147, und bitte auch keinen Geniestreich wie den viel zu früh dahingerosteten Alfasud. Der MiTo ist in erster Linie ein Rechenexempel, das nur deshalb aufgehen könnte, weil die Kosten niedrig gehalten wurden.

Das bedingt Kompromisse und die Frage, wie gut man mit diesen Kompromissen leben kann. Nur Durchschnitt sind das poltrige Fahrwerk mit seinem mäßigen Federungskomfort, die artifiziell gewichtete Lenkung mit drei verschiedenen Kennlinien, das durch lange Wege und im Testwagen durch einen geräuschvoll einrastenden sechsten Gang abgewertete Getriebe und der zwiespältige Diesel, dessen Turboloch und Anfahrschwäche durch die guten Fahrleistungen nur bedingt wettgemacht werden.

Einerseits droht schon bei 1750 U/min ein maximales Drehmoment von 320 Nm den Antriebswellen, andererseits ziehen das teigig-steife Gaspedal und das träge Ansprechverhalten tiefe Stirnfalten. Jeder MiTo besitzt einen Fahrdynamik-Wählschalter. Drei Stufen stehen zur Wahl: normal, dynamic und all-weather. Beaufschlagt werden ESP und ASR, das virtuelle Sperrdifferential Q2 (gesperrt wird nicht mechanisch, sondern elektronisch per Bremseneingriff), die Motorsteuerung und die Lenkungskennung. Das Fahrwerk mit den Rebound-Federn, die in Verbindung mit den Dämpfern die Seitenneigung begrenzen sollen, ist leider nicht in die Regelmimik eingebunden.

Zu den Stärken des Chassis gehören die sehr gute Straßenlage, der tadellose Kurvengriff (speziell in Verbindung mit den optionalen 17-Zöllern), die wirkungsvoll unterdrückten Antriebseinflüsse und das in der dynamic-Stellung und bei niedrigen Reibwerten ausgesprochen unterhaltsame Handling. Andererseits leidet die Stabilität auf schlechten Straßen, die Eigendynamik der variablen Lenkungskennung ist alles andere als Liebe auf den ersten Blick, die latente Verselbständigung der elektronischen Regelsysteme fordert in der Summe eine Mischung aus Eingewöhnung und positiver Grundhaltung.

Zum Verkaufsstart Ende September sind drei Varianten verfügbar: 1,4-Liter-Sauger (70 kW/95 PS, 0-100 km/h in 12,3 s, Spitze 165 km/h, Verbrauch 5,9 l/100 km, ab 14 700 Euro), 1,4-Liter-Turbo (114 kW/155 PS, 0-100 km/h in 8,0 s, Spitze 215 km/h, Verbrauch 6,5 l/100 km, ab 17 950 Euro), 1,6-Liter-Diesel (88 kW/120 PS, 0-100 km/h in 9,9 s, Spitze 198 km/h, Verbrauch 4,8 l/100 km, ab 17 950 Euro). 2010 folgt ein 169 kW (230 PS) starker 1,75-Liter-GTA-Turbo mit Direkteinspritzung und Doppelkupplungsgetriebe.

Nach Einschätzung des Deutschland-Vertriebs werden 80 Prozent der Kunden einen Benziner wählen. Eine noch höhere Bestellrate prophezeit man dem 1500 Euro teuren Turismo-Paket, das unter anderem Aluräder, mehr Chrom und eine Klimaanlage enthält. Weitere wichtige Extras: Bi-Xenonlicht (670 Euro), Leder (1100 Euro), Elektronik-Schnittstelle inklusive Navigationssystem (650 Euro). Ein Schiebedach ist nicht vorgesehen, und wer aus dem MiTo einen Fünfsitzer machen will, muss 180 Euro in den hinteren Mittelplatz investieren.

Der neue kleine Alfa ist zeitgeistig gestylt und entsprechend eingerichtet. Die großzügig verstellbaren Sitze haben GT-Format, die Rundumsicht geht so, der Kofferraum fasst klassenübliche 270 Liter, in den Tank passen 45 Liter. Luxusextras wie ein Bediensystem mit Farbmonitor oder ein Festeinbau-Telefon sucht man zwar vergebens, doch über Blue&Me lassen sich Handy und MP3-Spieler im Nu integrieren und das Radio-Navi tut's allemal.

Sehr hübsch sind die sportlichen Rundinstrumente, das Multifunktions-Lederlenkrad und die ab Turismo serienmäßige CarbonOptik. Stil und Geschmack beweisen die Italiener auch bei den Farben. Fünf von zehn Lackmustern glänzen in schönen Pastelltönen, Scheinwerfer und Rückleuchten können in 18 verschiedenen Farb- und Materialkombinationen eingefasst werden, zusätzlich zu standardschwarz gibt es die Lederbezüge auch in Rot und Braun. Das sind keine Petitessen, denn wer so konsequent auf emotionale Werte setzt wie Alfa Romeo, muss sich in diesen subjektiven Disziplinen richtig ausleben dürfen. Dass ab 2009 der Mild Hybrid mit Start-Stopp-Automatik und der erste Multiair-Benziner mit elektronischer Ventilsteuerung ohne Nockenwellen einsatzbereit sind, erfährt man folgerichtig nur in einem Nebensatz.

Als mobile Skulptur erzielt der MiTo vom Start weg die erhoffte Wirkung. Alfisti werden das Auto lieben, so wie die Fiat-Familie den Cinquecento ins Herz geschlossen hat. Aber um Neukunden wegzulocken von Polo, Fiesta oder 207 bedarf es noch Feinarbeit bei der Abstimmung. In der virtuellen MiTo-Welt mag die elektroniklastige Auslegung perfekt funktionieren. Doch für die raue Alltagswirklichkeit wünschen wir uns mehr Geschmeidigkeit, Intuition und Transparenz. Gerade das Basismodell sollte weitgehend auf künstliche Zusätze und Spezialeffekte verzichten.

© SZ vom 5.7.2008/gf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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