Süddeutsche Zeitung

Schulbau-Offensive:Für die höhere Bildung raus aufs Land

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Viele Münchner Schüler zieht es an Gymnasien und Realschulen im Landkreis. Der Landrat spricht von der "modernsten Bildungslandschaft der Republik".

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis München

Jahrzehntelang war im Landkreis München eines vollkommen ausgeschlossen: dass eine weiterführende Schule, insbesondere ein Gymnasium, in einer Kommune gebaut wird, die nicht an einer S-Bahn-Strecke liegt. Die Gemeinde Aschheim ist zwar gut zu erreichen, allerdings halt nur mit dem Auto über die A 94 und A 99 und somit nicht für Schülerinnen und Schüler, die in der Regel weder über Führerschein noch einen fahrbaren Untersatz verfügen. Dennoch entsteht nun in der Nordkommune mit ihren etwas mehr als 9000 Einwohnern das 16. staatliche Gymnasium im Landkreis mit seinen etwa 360 000 Einwohnern. Und der Bau der Aschheimer Schule wird einer der letzten Bausteine auf dem Weg zur "modernsten Bildungslandschaft der Republik" sein, wie Landrat Christoph Göbel (CSU) sagt.

Die glich vor etwa fünf Jahrzehnten noch eher einer kargen Mondlandschaft. Lange Zeit gab es im Landkreis München nur ein Gymnasium - das heutige Kurt-Huber-Gymnasium, das aus der im Jahr 1936 gegründeten Oberrealschule hervorging. Und lange Zeit deckte die Gräfelfinger Einrichtung auch den Bedarf insbesondere im Würmtal ab, denn für Generationen von Schülerinnen und Schüler aus dem Landkreis war es der Normalfall, für die höhere Bildung in altehrwürdige Gymnasien wie das Ludwigs- oder das Theresien-Gymnasium nach München zu pendeln. Auf dem Land ging man zur Grund- und später dann in die Haupt- oder Realschule.

Dieser Trend aber hat sich schon seit einigen Jahren in sein komplettes Gegenteil verkehrt. Im vergangenen Schuljahr besuchten nahezu 15 000 Schüler die 15 staatlichen Gymnasien im Landkreis München, davon stammten etwas mehr als 2500 aus der Landehauptstadt und immerhin noch um die 500 aus den Landkreisen Starnberg und Ebersberg. Auf die 14 städtischen und 28 staatlichen Gymnasien in der Stadt München aber gingen lediglich 1056 Kinder und Jugendliche aus dem Landkreis München. Ähnliches ist bei den Realschulen zu beobachten: Insgesamt 521 Schüler aus der Stadt waren an Realschulen im Landkreis angemeldet, aber nur 201 aus dem Landkreis in der Landeshauptstadt. Vor allem am Ernst-Mach-Gymnasium in Haar und am Unterföhringer Gymnasium entfaltet die Nähe zur Stadt ihre Wirkung: Dort liegt der Anteil von Schülern aus München bei nahezu 50 Prozent. Das Otfried-Preußler-Gymnasium in Pullach besuchen sogar deutlich mehr Schüler aus der Stadt als aus dem Landkreis.

"Bundesweit einmalig ist diese Entwicklung, dass es einen Überschuss von Schülern aus der Stadt im Landkreis gibt", sagt Landrat Göbel. "Und das wollten wir auch so, aber nicht für die Stadt. Sondern es war eine bewusste politische Entscheidung, möglichst wohnortnah bestmögliche Bildung und vielfältige Fachbereiche anzubieten." Eine Entscheidung, die aber auch einem rasanten Wachstum geschuldet war, und bereits vor, aber dann auch mit den Olympischen Sommerspielen 1972 einzusetzen begann. 1969 eröffnete das Gymnasium Ottobrunn. Im Jahr 1972 gingen das Lise-Meitner-Gymnasium in Unterhaching, das Pullacher und das Werner-Heisenberg-Gymnasium in Garching in Betrieb, dann auch das Ernst-Mach-Gymnasium in Haar. Es folgten in rascher Abfolge die Schulen in Unterschleißheim, Neubiberg, Planegg, Oberhaching und Kirchheim. Es war eine Schulbau-Offensive, die damals ihresgleichen gesucht und den Bedarf angesichts des massiven Bevölkerungswachstums lange Zeit gedeckt hat - und mit der Attraktivität moderner Bildungsstätten auch immer mehr Schüler aus der Stadt angelockt hat.

Doch schon zu Beginn des neuen Jahrtausends wuchs in der Kreispolitik die Erkenntnis heran, dass es einer zweiten Offensive bedurfte, um die Nachfrage nach guter Bildung in einem Landkreis, in dem die Übertrittsquote auf das Gymnasium bei mehr als 60 Prozent liegt, erfüllen zu können. Was folgte, war die Entscheidung, noch mehr in die Breite zu gehen: 2013 ging das Gymnasium in Höhenkirchen-Siegertsbrunn in Betrieb, ein Jahr später die Schule in Grünwald, 2015 folgte das Gymnasium in Ismaning, fünf Jahre später zog Unterföhring nach. Drei weitere sollen nun noch hinzu kommen - und zwar schnell: Das Gymnasium in Aschheim befindet sich bereits im Bau, und die Schulen in Putzbrunn und Sauerlach sind genehmigt. Zwei Orte mit nur etwas mehr als 6000, respektive 8000 Einwohnern.

Zwei Realschulen sind genehmigt, aber es braucht zwei weitere

Wenn diese Schulen stehen und in Betrieb sind, so Landrat Göbel, werde der Ausbau der gymnasialen Schullandschaft nahezu abgeschlossen sein. "In zehn bis 15 Jahren haben wir eine Schullandschaft aufgebaut, die über Jahrzehnte halten wird. Und wir werden dann auch keinen Sanierungsstau haben, weil wir kontinuierlich investiert haben", so der Christsoziale, der selbst 1994 am ältesten Gymnasium des Landkreises in Gräfelfing sein Abitur abgelegt hat. Das aus dem Jahr 1982 stammende Gymnasium in Kirchheim etwa wird komplett neu gebaut, ähnliche Überlegungen gibt es auch für das Otfried-Preußler-Gymnasium in Pullach. Das Werner-Heisenberg-Gymnasium in Garching wurde bereits komplett saniert, ebenso die Schule in Ottobrunn, die zudem mit einem Neubau erweitert wurde.

Bei den Realschulen wird der Landkreis allerdings noch weiter investieren müssen, um dem wachsenden Bedarf Rechnung tragen zu können. Fünf Einrichtungen gibt es derzeit im Landkreis: In Neubiberg, Taufkirchen, Unterschleißheim, Ismaning und Aschheim - an den Realschulen in Vaterstetten und Gauting ist der Kreis über die Zweckverbände beteiligt. Alle sieben Schulen besuchten im Schuljahr 2021/22 zusammengenommen nahezu 6000 Schüler, etwas mehr als 4000 davon aus dem Landkreis München.

Doch die Kapazitäten reichen nicht aus. Schon jetzt ist klar, dass im nördlichen Landkreis eine weitere Realschule entstehen muss, immer wieder wird dabei die Universitätsstadt Garching als möglicher Standort genannt; aber auch im Würmtal ist angesichts der aus allen Nähten platzenden Schule in Gauting eine weitere erforderlich. Zudem sind bereits zwei Realschulen genehmigt: eine in Hohenbrunn, die zweite schon weit davor in der Gemeinde Haar. Ob Letztere aber überhaupt realisiert wird, steht auch nach Jahren noch in den Sternen, denn die Grundstücksfrage am geplanten Campus in Gronsdorf hat sich zu einer Hängepartie entwickelt. Eine Entscheidung sei noch nicht gefallen, sagte Haars Bürgermeister Andreas Bukowski der SZ, die Vorbereitungen für eine Behandlung im Gemeinderat würden laufen. Auch deshalb gehen weiterhin mehr als 200 Realschüler aus der Gemeinde auf die Schule in Vaterstetten. Der Trend dürfte sich mit einem Neubau aber auch umkehren.

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